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persönlichen nicht gerade lobenswerten Eigenschaf-
ten doch im allgemeinen für die Sünden seiner
Väter büßte. Wir verwerfen die lediglich zur Be-
friedigung privater Interessen und Benutzung des
religiösen und politischen Fanatismus einzelner
Protestanten und kirchlich Indifferenten unter-
nommene, übrigens nur zum Teil gelungene Re-
volution der Niederländer gegen ihren angestamm-
ten König Philipp II. und dessen Feldherrn Alba.
In gleicher Weise verwerflich finden wir die Re-
volution der französischen Hugenotten gegen ihre
Regenten; denn diesen Aufständischen war es
durchaus nicht um die Erhaltung ihrer niemals
gefährdeten religiösen Freiheit, sondern um Er-
langung der politischen Macht und Unterdrückung
des Katholizismus zu tun. Genau so zu beurteilen
ist der Aufstand des Hauses Pfalz gegen das Haus
Habsburg, der zur Schlacht am Weißen Berge
führte und die politische Bedeutung der Pfalz ver-
nichtete, und der mehrmalige Aufruhr der öster-
reichischen und ungarischen Protestanten (mit Hilfe
der Türken). Wir verabscheuen die schmachvolle
französische Revolution von 1789, wenn wir uns
auch der Einsicht nicht verschließen können, daß
eine Politik, wie sie von den Bourbons seit Lud-
wig XlII. und XIV. befolgt worden ist, notwen-
dig zur Revolution führen muß. Wir verdammen
das revolutionäre Treiben eines Garibaldi und
des Apostels des politischen Meuchelmords, Maz-
zini, die unter dem Aushängeschild eines glühen-
den Patriotismus lediglich ihrem Haß gegen Gott
und jeden kirchlichen und staatlichen Positivismus
Luft zu machen bestrebt waren. Wir glauben auch,
daß die Reue nicht ausbleibt für einen Staat,
welcher sich derartige Werkzeuge zur Erreichung
seiner Zwecke bediente, für einen Staat, der eine
hochverräterische Tat, wie den Mordversuch eines
Soldaten an seinem angestammten Fürsten und
Kriegsherrn (des Agesilao Milano an dem König
von Neapel), durch Pensionen an die Hinter-
bliebenen belohnt. — In noch höherem Grade wie
die politische muß auch jede kirchliche Revolution
mißbilligt werden.
Wir haben unsere Ansicht über die schwierige
Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wider-
stand gegen die tatsächlich bestehende Staats-
gewalt zulässig oder verboten sei, in vorstehenden
Sätzen so gut, als es uns bei der schwierigen Be-
stimmung des Grenzgebietes möglich schien, dar-
zulegen versucht. Betrachten wir die von unsern
Gegnern über diese Materie aufgestellte Theorie:
sie halten jede hochverräterische Handlungsweise
für gerechtfertigt, welche die von ihnen angestrebten
Ziele und Zwecke befördert, während sie von ihren
Gegnern den Gehorsam des beschränkten Unter-
tanenverstandes, zumal gegen ihnen sympathische
Regierungen, verlangen. Es machte einen mehr
als sonderbaren Eindruck, wenn die nämlichen
Politiker, welche die Revolution der Niederländer
gegen Philipp II. und die der Hugenotten in
Frankreich, das hoch= und landesverräterische
Staatslexikon. II. 3. Aufl.
Hochverrat.
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Auftreten der deutschen Reichsfürsten gegen das
deutsche Kaiserhaus Habsburg nicht genug preisen
konnten, wenn dieselben Politiker, welche für das
hochverräterische Treiben eines Garibaldi, die
Meuchelmordtheorie eines Mazzini und für die
Belohnung des Königsmörders Milano durch die
italienische Regierung kaum ein Wort des Tadels
hatten, ihrer Entrüstung kaum Herr werden konnten
über das „revolutionäre“ Treiben deutscher Bi-
schöfe, Priester und Laien, welche sich in ihrem
Gewissen verpflichtet erachteten, bestimmte vom
Staate einseitig erlassene kirchliche Vorschriften
nicht zu befolgen, und es daher vorzogen, die auf
die Nichtbefolgung dieser Gesetze gesetzten Strafen
zu dulden. In eine ähnliche Entrüstung gerät
dieselbe Richtung gegenüber der Theorie des Je-
suiten Mariana (s. d. Art.), der die Frage er-
örterte, ob und unter welchen Voraussetzungen
Notwehr gegen einen Tyrannen erlaubt sei.
In der neueren Rechtswissenschaft begreift man
unter Hochverrat jeden rechtswidrigen absichtlichen
Angriff gegen die Unversehrtheit und Selbständig-
keit oder gegen die Verfassung eines Staates
sowie gegen Leben, Freiheit oder Herrschaft eines
Landesherrn und unterscheidet ihn auf diese Art
vom Landesverrat, der die Erregung eines Krieges
gegen das Vaterland oder die Unterstützung des
Feindes im Kriege zum Gegenstande hat, wie
auch von der Majestätsbeleidigung, obwohl die
Begriffe zum Teil ineinanderfließen, da ja Hand-
lungen, welche äußerlich nur den Tatbestand eines
Landesverrats oder einer Majestätsbeleidigung er-
füllen, wegen der damit verbundenen Absicht (ani-
mus hostilis technisch genannt) in Hochverrat
übergehen können. Die Hauptaquelle der Gesetz-
gebung über den Hochverrat im römischen
Recht ist die von den Kaisern Arcadius und
Honorius erlassene I. 5 C. ad leg. Iul. maiesta-
tis 9, 8. Diese enthält jedoch, da das römische
Recht kasuistisch und gerade im strafrechtlichen Teil
sehr unvollkommen ist, keine genaue Begriffsbe-
stimmung des Hochverrats, sondern nur Straf-
androhungen für verschiedene bestimmte Fälle,
welche indessen von den späteren Kaisern und
Juristen auch analog angewendet wurden. Nach
diesem Gesetz wurden die Hochverräter, d. h. vor
allem die, welche eine verbrecherische „Faktion“
eingegangen waren, mit dem Tode, der Ver-
mögenseinziehung und der Infamie bestraft und
deren Söhne zu beständiger Armut und Ehr-
losigkeit verdammt, „so daß ihnen das Leben zur
Qual, der Tod zum Troste gereiche“. Den
Töchtern soll der Pflichtteil aus dem Vermögen
ihrer Mutter gewährt werden. Die Frauen der
Hochverräter erhalten ihre dos zurück sowie die
Nutznießung des ihnen von ihren Männern Ge-
schenkten, das dem Eigentum nach mit dem Aus-
schluß des Pflichtteils der Töchter an den Fiskus
fällt. Das Verhältnis des alten iudicium per-
duellionis zu dem judicium maiestatis ist nicht
genau bekannt.
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