Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1251 
Die Constitutio Criminalis Carolina bestä- 
tigte im ganzen das römische Recht, so daß bei dessen 
völliger Unbestimmtheit der Begriff des Hochver- 
rats von der juristischen Theorie und Praxis be- 
stimmtwurde, ebenso wie natürlich später die Strafe, 
da die grausamen Strafen der C. C. C. später 
nicht mehr angewendet wurden. Das Verbrechen 
kann nur von einem Staatsangehörigen verübt 
werden, weil nur dieser bestimmte Pflichten gegen 
den Staat hat. Zu Zeiten des deutschen 
Reiches kannte man nach der Verfassung desselben 
einen doppelten Hochverrat, den gegen Kaiser und 
Reich und den gegen den einzelnen Reichsstand 
von dessen Untertanen gerichteten. Der Reichs- 
hochverrat konnte von jedem Deutschen an dem 
Kaiser, dem römischen König und den Kurfürsten 
verübt werden (Goldene Bulle Kap. 24). Daß 
von einem reichsunmittelbaren Reichsstand kein 
Hochverrat gegen den Kaiser habe begangen wer- 
den können, ist eine durchaus unhaltbare, zur Be- 
schönigung der Handlungsweise verschiedener 
Reichsfürsten seit der Reformation von deren Hof- 
publizisten erfundene Behauptung. Die Gemein- 
gefährlichkeit des Hochverrats hatte zur Folge, daß 
er von der deutschen Praxis als Ausnahmsver- 
brechen betrachtet und mit verschiedenen nur für 
ihn bestimmten prozessualischen Regeln versehen 
wurde. Zu diesen wurde gerechnet, daß der Ver- 
such der Vollendung gleichzuachten sei, daß auch 
sonst unzulässige Zeugen gehört werden dürfen, 
daß die Mitwissenschaft des Hochverrats eine 
Teilnahme begründe, daß eine Verteidigung aus- 
geschlossen sei, daß auf die Folter ohne eine An- 
zeige erkannt werden könne usw. Es fällt in die 
Augen, daß solche Ausnahmen in dem Verfahren 
gegen Personen, die eines Verbrechens erst be- 
schuldigt, aber noch nicht überführt sind, nament- 
lich jede Beschränkung der Verteidigung, durchaus 
unzulässig sind. Der Hochverrat muß im Gegen- 
teil in die Reihe der gemeinen Verbrechen ein- 
geführt und mit einem festen Tatbestande versehen 
sein. Höchstens könnte man einen, übrigens von 
vornherein geregelten, besondern Gerichtsstand für 
zulässig erachten. Dagegen ist das auf der ent- 
gegengesetzten Seite oft gehörte Verlangen, daß 
der Hochverrat in seiner Eigenschaft als politisches 
Verbrechen eine nicht sehr hohe obere Strafgrenze 
haben müsse (z. B. Mittermeier in Nottecks Staats- 
lexikon), ebenfalls unhaltbar; denn es ist nicht 
einzusehen, aus welchen Gründen ein gemeines 
Verbrechen, z. B. der Mord eines Fürsten oder 
Staatsmannes, deswegen gelinder beurteilt wer- 
den müsse, weil damit zugleich ein politischer 
Nebenzweck verfolgt wurde. 
Die neueren Gesetzgebungen haben den er- 
wähnten Mängeln der früheren Hochverratsbe- 
stimmungen Abhilfe zu schaffen gesucht. Zuerst 
sind im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) 
die Verbrechen geregelt, die im heute geltenden 
deutschen Recht unter die Begriffe Hochverrat, 
Landesverrat und Mojestätsbeleidigung fallen. 
  
Hochverrat. 1252 
Nach ihm ist Hochverrat ein Unternehmen, welches 
auf eine gewaltsame Umwälzung der Verfassung 
des Staates oder gegen das Leben oder die Freiheit 
seines Oberhauptes abzielt. Unerwähnt ist der An- 
griff auf das Staatsgebiet. Nach den neueren deut- 
schen Strafgesetzbüchern ergab sich als Tatbestand 
des Hochverrats objektiv die Person des Regenten, 
der Staat nach seiner natürlichen Existenz und 
Selbständigkeit und die Staatsverfassung als 
Ganzes oder in mehreren wesentlichen Teilen. In 
Deutschland wurde durch den Bundesbeschluß vom 
18. Aug. 1836 die Zugehörigkeit des Staats- 
gebiets zum Deutschen Bunde gefordert. Als 
Handlung genügte jeder Angriff auf die vor- 
bezeichneten Objekte. Gegenüber dem Regenten 
war zur Unterscheidung von der Moajestätsbelei- 
digung ein Angriff auf seine Herrscherstellung, 
auf sein Leben, seine Freiheit oder seine Ge- 
fangennehmung, seine Auslieferung an den Feind, 
Unmöglichmachen der Regierung oder ein sonstiger 
Angriff auf seine Person gefordert, welcher geeignet 
war, ihn zur Regierung untauglich zu machen. 
Als Mittel kamen Gewalt und List in Betracht; 
die Erreichung eines politischen Zweckes war nicht 
nötig. Die auf rechtlichem Wege bewirkte Reform 
der Verfassung war nicht Hochverrat. Mit diesem 
waren auch nicht zu verwechseln bloße verfassungs- 
widrige Handlungen, bloße Übertretungen ein- 
zelner Verfassungsbestimmungen ohne die Absicht 
ihrer Anderung. Subjekt des Hochverrats konnte 
jeder sein, nicht bloß der Staatsuntertan. Voll- 
endet war der Hochpverrat nicht erst mit dem Ge- 
lingen des beabsichtigten Unternehmens, sondern 
mit dem Beginn derjenigen Handlung, durch 
welche das Verbrechen unmittelbar ausgeführt 
werden sollte, wenn somit der Angriff auf das 
Objekt wirklich angefangen hatte oder die Aus- 
führung des hochverräterischen Unternehmens voll- 
ständig verabredet, Art und Weise sowie Zeit der 
Ausführung festgesetzt und eine Tätigkeit in der 
Richtung der Ausführung erfolgt war. Das 
Reichsstrafgesetzbuch bezeichnet den Mord 
und den Versuch des Mordes an dem Reichsober- 
haupt, an dem eigenen Landesherrn oder, während 
des Aufenthaltes in einem andern Bundesstaate, 
an dem Landesherrn dieses Staates (jedoch nicht 
an dem Landesherrn eines andern Bundesstaates, 
§880), sowie das Unternehmen: 1) einen Bundes- 
fürsten zu töten, gefangen zu nehmen, in Feindes- 
gewalt zu bringen oder zur Regierung unfähig zu 
machen; 2) die Verfassung des Reiches, eines 
Bundesstaates oder der Thronfolge in demselben 
gewaltsam zu ändern; 3) das Gebiet des Reiches 
ganz oder teilweise einem fremden Staate gewalt- 
sam einzuverleiben oder einen Teil desselben vom 
Ganzen loszureißen; 4) das Gebiet eines Bundes- 
staates einem andern Bundesstaate ganz oder teil- 
weise gewaltsam einzuverleiben oder einen Teil 
desselben vom Ganzen loszureißen, als Hoch- 
verrat (§ 81). Das Attentat ist mit dem Tode, 
die in § 81 erwähnten Handlungen sind unter
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.