Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

Hof 
monarchischen Nimbus, der die orientalischen Herr- 
scher kennzeichnete, während dem römischen Impera- 
torentum bis dahin noch immer sein halb bürger- 
licher halb soldatischer Ursprung und Charakter 
anhaftete. Er wollte die kaiserliche Gewalt als eine 
von der Gottheit selbst eingesetzte geehrt wissen, vor 
ihm, dem dominus sacratissimus, warf man sich 
auf die Knie, er trug das Stirnband der orien- 
talischen Monarchen, das in Rom so lange verpönt 
war. Die von ihm reorganisierten oder neu- 
geschaffenen Hofämter der neuen Residenz der spä- 
teren römischen Kaiser, Byzanz, bildeten die Grund- 
lage für den Hofstaat der byzantinischen Herrscher 
auch des Mittelalters, wie auch an sie die Hof- 
verfassung der westeuropäischen Fürstenhöfe sich 
angelehnt hat. Den höchsten Rang nahmen ein 
der praefectus praetorio und die späteren comi- 
tes domesticorum, die Anführer der kaiserlichen 
Leibgarden. Der comes rerum privatarum 
(sc. principis) war der Hausschatzmeister des Kai- 
sers im Unterschiede vom Finanzminister (comes 
sacrarum largitionum). Der magister ofti- 
ciorum, etwa Oberhofmarschall und zugleich Mi- 
nister des Innern und der Polizei, war später der 
Chef aller Hofämter (oflicia), hatte die Ober= 
aufsicht über die Staatskanzlei und übte die Ge- 
richtsbarkeit über die niederen Hofbeamten. Dem 
praepositus sacri cubiculi, etwa Oberkammer- 
herr, lag hauptsächlich die Sorge für die kaiserliche 
Person ob. Unter diesem stand der primicerius 
cubiculi, erster Kämmerling, und unter ihm eine 
große Anzahl von Kammerdienern (cubicularü) 
sowie viele andere Hofbeamte. Diese Hoscharge 
war die einflußreichste. Der castrensis sacri 
palatii hatte die Aussicht über den kaiserlichen 
Palast. Der comes stabuli war der Oberstall- 
meister, der Comes sacrae vestis Garderoben- 
meister. 
1. Der königliche Hof der fränkischen 
Zeit. Der ausgeprägt persönliche Charakter des 
fränkischen Königtums brachte es mit sich, daß 
Mitglieder des königlichen Hofstaates (palatini 
aulici), insbesondere die Beamten der Hofverwal- 
tung, vielfach auch in die Reichsverwaltung ein- 
griffen. Sie nahmen an den Reichstagen wie an 
den Hofgerichtssitzungen teil, wurden zu Missionen 
im In= und Ausland verwendet, und in wichtigeren 
Angelegenheiten bildeten sie die Ratgeber des 
Königs. 
Zu den wichtigsten Hofämtern der fränkischen 
Zeit zählte die königliche Kanzlei, die unter den 
Merowingern ein weltliches Hofamt, unter den 
Karolingern dagegen ausschließlich mit Geistlichen 
besetzt war. Unter den Merowingern hatte die 
Kanzlei nach dem Muster des byzantinischen Hofes 
einen Vorstand bestehend aus zwei bis fünf 
Referendaren; ihnen lag ob die Beglaubigung 
(recognitio) der königlichen Urkunden mit ihrer 
Namensunterschrift. Seit Pippin dem Jüngeren 
trat an die Stelle der Referendare ein einziger Be- 
amter, ein höherer Geistlicher, der seit Karl dem 
1255 
  
usw. 1256 
Großen den Titel Kanzler führte. Unter ihm 
standen mehrere Notare. Diese königliche Kanzlei 
wanderte mit dem Königshofe. 
Der schon unter den Merowingern amtierende 
Pfalzgraf (comes palatü) hatte den Ver- 
handlungen des Hofgerichts als Urkundsperson 
beizuwohnen. Unter den Karolingern wurde ihm 
die neu geschaffene Hofgerichtsschreiberei mit be- 
sonderem Hofgerichts= oder Pfalzsiegel und eigenen 
Notaren unterstellt. Durch seine Hände gingen 
alle für das Hofgericht bestimmten Einläufe, wor- 
über er dem König referierte; in minder wichtigen 
Sachen präsidierte er an Stelle des Königs den 
Hofgerichtssitzungen. Der Pfalzgraf war stets ein 
Laie, sein Schreiberpersonal meistens geistlichen 
Standes. 
Die Hosgeistlichkeit bildete die sog. Hofkapelle, 
deren Haupt der Hof= oder Erzkapellan (capel- 
lanus sacri palatif, archicapellanus, apo- 
crisiarius) war, der seit Ludwig dem Frommen 
auch den Vortrag in allen auf Geistliche bezüglichen 
Hofgerichtssachen hatte. Er hatte auch die Ober- 
4 der mit der Hofkapelle verbundenen Hof- 
ule. 
In allen germanischen Reichen gab es vier 
große Hofämter, neben denen noch einzelne 
von geringerer Bedeutung, wie das des Küchen- 
meisters (coquus), Waffenträgers (spatarius), 
Türwärters (scario, ostiarius), Quartier- 
meisters (mansionarius), bestand. Die hohen 
Hofämter wurden repräsentiert durch die Groß- 
würdenträger, denen mit demselben Titel aus- 
gestattete Unterhofbeamte unterstanden. Der un- 
mittelbare persönliche Dienst wurde vorzugsweise 
von unfreien Leibdienern (ministeriales, pueri 
regis) versehen (vgl. d. Art. Hörigkeit Sp. 271). 
Die Aufsicht über die Kellereien und Weinberge 
lag dem Schenk (pincerna, buticularius) ob, 
die über die Marställe dem Marschalk (d. h. ur- 
sprünglich Pferdeknecht) oder Stallgraf (comes 
stabuli), dem bei Hofreisen und Heerfahrten die 
Sorge für die Unterbringung der Pferde und die 
Herbeischaffung des Futters (socdrum) oblag. Die 
Verwaltung des Schatzes und des beweglichen 
Hausrates am Hofe und in den Pfalzen, die 
Wohnräume und das Bekleidungswesen unter- 
standen dem Schatzmeister (thesaurarius), der seit 
der Zeit der Karolinger den Namen Kämmerer 
(camerarius, cubicularius) führte. Das wich- 
tigste Amt aber war das des Seneschalk oder 
Truchseß. Der Seneschalk (seniskalk = Alt- 
knecht) oder Truchseß (mittelhochdeutsch truht- 
saeze) war der praeses familiae, der Vorsteher 
des königlichen Gefolges (der altsalischen druht, 
alt= und mittelhochdeutschen truht, altfränkischen 
trustis). In den romanischen Landesteilen hieß 
er maior domus, Hausmeier, der als Vorstand 
der gesamten Hofverwaltung so auch der geborene 
Reichsverweser bei Abwesenheit des Königs und 
der Erzieher der königlichen Prinzen war. Nach- 
dem das alte Amt des Hof-domesticus be-
	        
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