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dinischen und selbst den französischen Hof der spa-
nische Hofstaat und das spanische Hofleben bis zu
Ludwigs XIV. Zeiten hin maßgebend gewesen.
Nur der Hofstaat der Päpste und jener der eng-
lischen Könige bildeten sich selbständig aus und
hielten, wenn auch nicht nach allen Seiten hin,
fremdes Zeremoniell und fremde Sprachen — den
diplomatischen Verkehr natürlich abgerechnet — der
Hauptsache nach fern.
6. Ludwig XIV., dessen Hof an Glanz und
Luxus mit dem spanischen wetteiferte, behielt den
überlieferten Hofstaat der alten Bourbonen schon
der historischen Weihe wegen in allen seinen Grund-
zügen bei, vermehrte ihn aber durch viele Neben-
ämter. Auch bei ihm war, nach dem Vorbilde
Spaniens, der erste (geistliche) Hofbeamte der
Großalmosenier, welcher die Aufsicht über die ganze
Hofgeistlichkeit führte und zugleich Kommandeur
des Ordens vom Heiligen Geiste war. Unter ihm
standen zwölf Hofmeister für den regulären Dienst
undein Oberhausmeister, premier maitred’hotel,
der über sieben Hofämter (das Mundschenkenamt,
die Mundküche, die Hofbäckerei, das Hofschenken-
amt, das Hofküchenamt, die Obstkammer und das
Holzamt)gesetztwar. Nebenihm fungierte der Ober-
kammerherr (grand chambellan) mit 4 Ober-
kammerjunkern und 26 niederen Kammerjunkern;
ferner der Oberstallmeister, der Oberjägermeister
mit dem Oberfalkenier und dem Oberwolfsjäger
(grand louvetier), der Oberzeremonienmeister mit
2 introducteurs des ambassadeurs. Außer-
dem schuf Ludwig XIV. ein ganz neues Zeremoniell.
Die Formen, welche es einführte, waren dem leicht
beweglichen französischen Naturell entsprechend un-
gleich leichter und gefälliger als die schwerfällige
Grandezza der spanischen Hofetikette, immerhin
jedoch noch beengend und gemessen genug. Der
Glanz des Hofes von Versailles übertraf damals
den Kaiserhof in Wien, und Ludwigs XIV. Resi-
denz und Hofhaltung wurde Vorbild und Muster
für die Mehrzahl der deutschen Höfe. -
7. Mit Aufrichtung seines Kaiserreiches war es
dann Napoleon I., der auch auf diesem Gebiete
erneuernd auftrat und einen glänzenden Hofstaat
wiederherstellte, dem er aber ein stark militärisches
Gepräge aufdrückte durch die Einreihung und Prä-
zedenz der Marschälle, der Generalkommandanten
der Garde und der Großoffiziere der Ehrenlegion.
Ludwig XVIII. teilte den Hofstaat in einen zivilen
und einen militärischen. Louis Philippe kehrte
dann, jedoch unter bedeutender Vereinfachung, zu
dem Napoleonischen Muster wieder zurück, welches
nach ihm bei Aufrichtung des zweiten Kaiserreiches
Napoleon III. ziemlich vollständig wiederherstellte.
Er führte folgende Oberchargen ein: einen Groß-
almosenier und einen ersten Almosenier, einen
Großmarschall des Palastes und einen General-
intendanten des Palastes, einen Oberkammerherrn
und einen ersten Kammerherrn, einen Kabinetts-
chef des Kaisers, Oberstallmeister und ersten Stall-
meister, Oberjägermeister und ersten Jägermeister,
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Oberzeremonienmeister und einen Gesandtenführer,
Unterzeremonienmeister und Generalschatzmeister.
Dazu kam der militärische Hofstaat mit einem
Chef und ersten Adjutanten, den zehn Marschällen,
dem Kommandanten der Hundertgarden und dem
Generalkommandanten der Garde.
III. Gegenwärtige Hofhaltungen. 1. Der
Hofstaat des Papstes ist sehr zahlreich, er-
scheint bei allen hohen Kirchenfesten und feierlichen
Repräsentationen des Heiligen Stuhles in glän-
zender Pracht und zerfällt in zwei Hauptstäbe. An
der Spitze derselben steht der maggior duomo
(Oberhofmeister und zugleich Präfekt der Aposto-
lischen Paläste) und der maestro di camera
(Oberkammerherr). Als die höheren Hofämter in
denselben werden vergeben die Stellen des maestro
del sacro ospizio, des geheimen Almoseniers (ele-
mosiniere segreto), bes cappellano segreto,
des Oberstallmeisters (cavallerizzo), der geheimen
Kämmerer, des Meisters der heiligen Garderobe,
des Großfouriers und mehrerer Hausprälaten des
Papstes. Im weiteren Sinne werden aber auch
zum päpstlichen Hofstaate (famiglia pontificia)
gerechnet: die Vorstände des geheimen Kabinetts,
welche aus dem Kardinalstande als cardinales
palatini den engeren Rat für alle Bitten, Be-
schwerden und Gnadensachen bilden und überhaupt
eine sehr wichtige politische Stellung haben; der
cardinal prodatario, gewöhnlich zugleich Dekan
des Kardinalkollegs; der Kardinalkämmerling; der
Kardinalstaatssekretär und der Kardinalbreven-
sekretär.
2. Wie der päpstliche, so hat auch der Hof-
staat der Könige von Großbritannien
und Irland seinen eigenen, selbständigen Ent-
wicklungsgang genommen, worauf die Ausbildung
der konstitutionellen Verfassung von wesentlichstem
Einflusse gewesen ist. Sie hat vor allem die Eigen-
tümlichkeit erzeugt, daß mehrere der wichtigsten
Hofämter mit dem Ministerium wechseln. Von
den alten, durch die normannischen Könige über-
lieferten Erbämtern sind nur folgende übrig ge-
blieben: 1) Der Earl marshal, bessen Amt in der
Familie des Herzogs von Norfolk sich forterbt.
Er hat bei allen großen Haupt= und Staats-
aktionen, Krönungen, Hochzeiten das Zeremoniell
zu ordnen, ist Chef des Herolds= und Wappen-
amtes und des Court of chivalry. 2) Das Amt
des Lord great chamberlain, erblich in den Fa-
milien Cholmondely und Willoughby, welches der
Hauptsache nach in der Oberaufsicht über das
Schloß zu Westminster besteht und mit welchem
gewisse Zeremonialrechte, selbst auf das Parla-
ment bezüglich, verknüpft sind. 3) Das Amt des
Great almoners (Großalmoseniers). 4) Das Amt
des Großfalkeniers (Hereditary great falconer
of England). — Den sonstigen, eigentlichen
Hosstaal bilden jetzt die Chefs der drei Ver-
waltungsdepartements: des Haushofmeisteramts
(Lord steward of the household); des Ober-
kammerherrnamts (Chamberlain of the house-