1269 Hof
V. Rechtsverhältnisse der Hofbeamten.
Die Scheidung von Staats= und Hofdienst hat
sich nur langsam vollzogen. Sie konnte überhaupt
solange nicht in Frage kommen, als die patri-
moniale Auffassung der landesherrlichen Gewalt
vorherrschte und daher die vermögensrechtlichen
und staatsrechtlichen Verhältnisse des Fürsten nicht
gesondert wurden. Obliegenheiten, die jetzt z. B.
in den Amtern des Obersthofmeisters und des
Staatsministers des Innern, des Oberstkämmerers
und des Finanzministers ziemlich weit ausein-
anderliegen, konnten damals zu einem Amte ver-
einigt sein. Mochte nun auch allmählich die Tren-
nung von Staats= und Hofdienst in Bezug auf
die sachlichen Aufgaben sich vollziehen, so gelangte
doch die innere Verschiedenheit derselben sehr spät
zur Anerkennung. Noch bis tief ins 19. Jahrh.
wurden vielfach die Hofdiener als Staatsdiener
behandelt. Heute aber sind weder die Hofämter
Staatsämter noch die Hofbediensteten Staats-
diener, noch ist der Hofrang Staatsrang. Offent-
lich-rechtlicher Natur ist nur der staatliche Schutz,
der die Einrichtungen umgibt, welche vom Mon-
archen für den Glanz seines Hofes getroffen sind,
das Verbot, die äußeren Abzeichen des Hofdienstes
unbefugt sich anzueignen oder nachzuahmen, das
in strafrechtlichen Bestimmungen ausgedrückt ist
(R. t.G.B. 8 360; vgl. auch G. Jellinek, System
der subjektiven öffentlichen Rechte 144, A. 1). In
den meisten deutschen Staaten sind die Dienst-
rechtsverhältnisse der besoldeten Hofbeamten und
der mit Gehalt angestellten Hofbediensteten nach
ähnlichen Grundsätzen geregelt wie jene der im
staatlichen Dienste angestellten Beamten und Be-
diensteten. Ihre Gehalte und Pensionen fallen
auf die Zivilliste des Monarchen, in einzelnen
Staaten trägt die Staatskasse die Pensionen (z. B.
in Baden).
Die Disziplinargewalt über die Hof-
beamten übt meist der jeweilige Chef eines Hof-
stabes über die ihm untergebenen Beamten und
Bediensteten aus.
VI. Einsluß der Höfe auf die Kulturelle
Entwicklung, insbesondere auf Kunst und
Wissenschaft. Die prinzipielle Fernhaltung des
höheren Bürgerstandes vom Hofe und von den
Hofämtern hat seit der französischen Revolution
aufgehört; wenigstens gewannen die bürgerlichen
Präsidenten der Landesdikasterien, die Wirklichen
Räte und die Offiziere der Armee die Hoffähig-
keit, wenn auch zunächst nur für ihre Person,
nicht für ihre Familien. Eine vollständige Ein-
setzung des gebildeten Bürger- und insbesondere
des Gelehrtenstandes in dieses ihnen zukommende
Recht erfolgte erst in unserer Zeit mit Umgestal-
tung des ganzen Verfassungswesens.
Noch weniger als die zu weit getriebene Aus-
schließlichkeit, die in manchen Staaten zu einer
vollständigen Absperrung des Monarchen vom
Kern des Volkes führte, war die Einführung
fremder Sitten und Umgangsformen und fremder
usw. 1270
Sprache zu rechtfertigen. Zur Zeit Ludwigs XIV.
wurde das Hofleben in Deutschland geradezu anti-
national und erzeugte anstatt Bildung und Ver-
seinerung der Sitten das Gegenteil: Hoffart mit
Kastenstolz und Frivolität, Ungeschmack in Lite-
ratur und Kunst, die wegen der Vernachlässigung,
ja Verhöhnung der national-deutschen Sprache und
Sitte, wovon der Hof des Philosophen von Sans-
souci am allerwenigsten freizusprechen ist, in leere,
hohle Nachahmung verfielen.
Es ist unzweifelhaft, daß unser geselliges Leben
wie Kunst und Wissenschaft den zahlreichen
Höfen viel zu danken haben. Die bildenden Künste
wie die Musik, das Theater und die Poesie sind
durch die Höfe von Weimar, Dresden, Wien,
München, Berlin, Kassel usw. mächtig gefördert
worden, und auch die Wissenschaft hat in vielen
Regenten zu allen Zeiten warme Förderer ge-
funden; es würden aber ungleich größere Resultate
erzielt worden sein, insbesondere würden Kunst
und Kunstgewerbe tiefere Verbreitung im Volke
gefunden haben, wenn eben nicht der französische
Hof und Hofton so maßgebend geblieben und
durch ihn die nationale Sprache, Auffassung und
Sitte so stark in den Hintergrund gedrängt wor-
den wären. Und die völlige Emanzipation davon
ist auch heute noch nicht vollzogen. Im ganzen
hat das deutsche Hofleben aber samt Zeremoniell
und Etikette viel gewonnen durch Vereinfachung
im Personal, durch Annahme natürlicherer Lebens-
formen in der Gesellschaft, durch Wegräumung
der die gebildeten Stände auseinander haltenden
Schranken, durch Entfernung viel hohlen Pompes
und Luxus, überhaupt durch Anerkennung des
Grundsatzes, daß die Form, wenn auch streng
und gemessen, doch nicht über das Wesen der
Sache gestellt werden, dieses in ihr erstarren
lassen darf.
Literatur. Stosch, Präzedenz (1679); Lünig,
Theatrum ceremoniale (1719); Stieve, H zere-
moniell (1723); Moser, Hofrecht (1754); Zeremo-
nialbuch für den preuß. Hof (1892); Waitz, Deutsche
Verfassungsgesch. VI (21896) 323 ff; Ficker, Reichs-
hofbeamte der staufischen Periode, Wiener Sitzungs-
berichte XI. 447 f; v. Malortie, Hofmarschall
(2 Bde, 21867); über das Haus= u. Hofzeremoniell
am preuß.-deutschen Hofe val. die Lit. in v. Kamptz,
Lit. der Verfassung des königl. Hauses § 8 (in
v. Kamptz Jahrbuch XXV 21); Hintze, Der österr.
Staatsrat im 16. u. 17. Jahrh., in Zeitschrift der
Savigny-Stiftung für Rechtsgesch. VIII (21. Bd
der Zeitschr. für Rechtsgesch.), 2. Hft, Germ. Abt.
(1887); Seeliger, Erzkanzler u. Reichskanzleien;
ein Beitrag zur Gesch. des deutschen Reiches
(1889); ders., Das deutsche Hofmeisteramt (1885);
Gaupp, Das Staatsrecht des Kar. Württemberg
III, 1, 2. Abt. (1888), S. 59); Engelmann, Das
Staatsrecht des Kaisertums Rußland IV, 2. Halbbd,
2. Abt. (1889); Schmoller u. Krauske, Die Be-
hördenorganisation u. die allgemeine Staatsver-
waltung Preußens im 18. Jahrh., in Acta Bo-
russica, Denkmäler der preuß. Staatsverwaltung
im 18. Jahrh., hrsg. von der königl. Akademie der