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da keine andere Einrichtung diese Aufgabe so gut
wie die monogame Familie lösen könnte.
V. Familie und Wevölklerungspolitik.
Aus der fundamentalen Bedeutung der Familie
für alle Kreise des menschlichen Lebens erwächst
dem Staat die Aufgabe, in seinem Gebiet und
mit seinen Mitteln auf ein gesundes Familien-
leben hinzuarbeiten. Den Einfluß der christlichen
Religion auf die Familie darf er dabei nicht hin-
dern, sondern muß ihn womöglich noch in seinem
eigenen Interesse bestärken und unterstützen. Denn
einerseits ist es eine unumstößliche Tatsache der
Geschichte, daß die Religion die größten Wir-
kungen auf die Familie ausgeübt hat und noch
ständig ausübt. Und anderseits gründet sich ge-
rade die Monogamie, die anerkanntermaßen die
höchste Form der Familie hervorbringt, im wesent-
lichen auf die religiös-kirchliche Disziplin. Eine
vernünftige Bevölkerungspolitik wird daher das
innerste religiös-sittliche Wesen der Familie als
ein Heiligtum schützen und jene wirtschaftlichen
und politischen Maßnahmen treffen, die diesem
Wesen günstig sind. In erster Linie darf die
Gründung einer Familie nicht zu sehr erschwert
sein weder durch rechtliche Bestimmungen noch
durch wirtschaftliche Zustände, da sonst die äußer-
lich eingedämmte Leidenschaft mit Gewalt den
Zwang durchbricht und falsche unsittliche Bahnen
einschlägt. In dieser Weise haben z. B. die recht-
lich-wirtschaftlichen Zustände in einzelnen Teilen
Deutschlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.
verderblich gewirkt, indem nur die unehelichen
Geburten durch die Eheverbote und die schlechte
wirtschaftliche Verfassung gefördert wurde. In
neuerer Zeit hat sich infolge der weitgehenden
Entsittlichung und Disziplinlosigkeit die unsittliche
Beschränkung der Kinderzahl verbreitet. Viele
Eltern sind zu weichlich geworden, um die An-
strengung der Kinderzucht auf sich zu nehmen.
Eine starke relative Abnahme der Bevölkerung ist
die Folge davon und zugleich der Beweis, wie
wenig die Bevölkerungspolitik der religiös-sitt-
lichen Zucht entbehren kann.
Dafür die große Masse der Bevölkerung immer-
hin nicht der Zölibat, sondern die Ehe eine physi-
sche und sittliche Pflicht bleibt, so muß durch die
Wirtschaftspolitik dieser Masse auch die Versor-
gung in der Ehe möglich gemacht werden. Deckt
sich diese Forderung allerdings bereits mit der
allgemeinen Aufgabe der Volkswirtschaft, so stehen
doch noch einzelne sozialpolitische Maßregeln in
besonderer Beziehung zur Familie. So z. B. die
Maßregeln zur Ordnung und Einschränkung der
Arbeitszeit von Mann, Frau und Kindern, da-
mit bei unserer industriellen Entwicklung noch
einigermaßen ein Familienleben möglich ist. Wich-
tig wurde die dahingehende Gesetzgebung für die
Hausfrauen und Mütter, da ihr vollständiges
Aufgehen in der industriellen Beschäftigung der
Ruin des Familienlebens sein kann. Wenn je so
gilt für die Arbeiterfamilie der Grundsatz: Die
Familie.
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Frau gehört ins Haus. Mag auch in einzelnen
Fällen der Not die Frau durch ihre gewerbliche
Arbeit an der Seite des Mannes die Familie vor
Hunger und Elend schützen, im allgemeinen macht
man die Erfahrung, daß mehr verloren wird durch
falsche Haushaltungswirtschaft als gewonnen durch
die gleichzeitige Fabrikarbeit der Hausfrau. Da
nun die Fabrikarbeit der verheirateten Frau vor-
läufig nicht ausgeschaltet werden kann, muß dar-
auf geachtet werden, daß die Mutter in ihrer
wichtigsten Lebensaufgabe T die Arbeitsver-
hältnisse nicht verhindert oder geschädigt werde.
Auch für das kommende Geschlecht ist es notwen-
dig, der Mutter vor und nach der Niederkunft
Zeit und Ruhe zu geben, um das Kind zu schonen
und zu pflegen. Der Mutterschutz, der ja bereits
eingesetzt hat, muß noch weiter ausgebaut werden.
Bis jetzt ist in Deutschland nur verordnet, daß
Wöchnerinnen die ersten vier Wochen nach ihrer
Niederkunft nicht, und die beiden folgenden Wochen
nur nach ärztlichem Gutachten beschäftigt werden.
Den durch die Krankenversicherung obligatorisch
versicherten Wöchnerinnen wird für diese Zeit die
gesetzliche Krankenunterstützung zugesprochen. Als
Ergänzung und Ersatz für die weitere Mutter-
pflege der Kinder müssen notwendig Krippen,
Kinderbewahranstalten usw. eingerichtet werden,
wie es bereits an vielen Orten durch Private oder
auch seitens der Gemeinden geschehen ist.
Man hat die Befürchtung ausgesprochen, daß
eine weitere Ausdehnung des Mutterschutzes, statt
die Familie zu unterstützen, ihr direkt schaden
könnte durch Begünstigung der unehelichen Mutter,
denen ja dies alles erst recht zugute käme. Eine
Richtung hat sogar unumwunden einen weitgehen-
den Schutz für die unehelichen Mütter gefordert
und zugleich die christliche Sittlichkeit angegriffen,
die eine uneheliche Mutterschaft als etwas Unsitt-
liches verwirft. Nun ist gewiß, daß auch die un-
ehelichen Mütter einen Schutz bedürfen. Dieser
muß und kann aber so geartet sein, daß er die
Sittlichkeit nicht untergräbt, sondern hebt. Die
Bestrebungen des Mutterschutzes müssen hierbei
dahin gehen, für Mutter und Kind geordnete
Familienverhältnisse anzubahnen durch Fürsorge-
tätigkeit. Wo es nicht möglich ist, den außer-
ehelichen Vater zur nachträglichen Legitimation
des Kindes durch die Ehe zu bewegen, muß
Sorge getragen werden, Mutter und Kind nicht
voneinander zu reißen, sondern die Mutter zu
strenger, ernster Pflichterfüllung gegen ihr Kind
anzuhalten. So können dann durch die Mutter-
liebe in der unehelichen Mutter die guten sittlichen
Fähigkeiten genährt und gepflegt werden, statt daß
eine solche Person, wie es leider heutzutage noch
häufig geschieht, pflichtenlos für die Bahn des
Lasters wieder freigegeben wird, indem man ihr
die Sorge um das Kind abnimmt.
Außer den bereits genannten gesetzlichen Be-
schränkungen der Arbeitszeit für Mütter in Deutsch-
land sind hier noch die weiteren Bestimmungen