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verliehene Würde des Sei i tai Schogun („Großer
Generalissimus zur Unterwerfung der Barbaren“)
blieb in seiner Familie erblich; der Schogun war
dem Namen nach der erste Vasall, tatsächlich der
wahre Herr des Reiches.
Unter Joritomos Nachfolgern regierten 1199
bis 1333 die Hodscho, Nachkommen der Taira, als
Regenten (Sikken) neben den Schogunen, wie
früher die Fudschiwara neben den Mikados. Unter
ihnen hatte sich Japan 1275/81 der Angriffe der
Mongolen unter Kublai Chan zu erwehren. Durch
Kublais Berater Marco Polo drang damals die
erste Kunde vom Lande „Zipangu“ (chinesisch
Dschih-Pen-Kuo, „Sonnenaufgangsland“") nach
Europa. 1333 wurden die verhaßten Hodscho durch
die Partei des Mikado Go Daigo Tenno und
die Aschikaga gestürzt. Doch gelang es dem Mi-
kado nicht, die Schogunwürde, die er seinem Sohne
verliehen hatte, in seinem Hause festzuhalten.
1335 rissen die Aschikaga das Amt an sich und
behaupteten es bis 1572. Sie residierten mit
den von ihnen eingesetzten Mikados in Kioto.
Go Daigo war nach Joschino geflüchtet, und hier
erhielt sich seine (von den Japanern als die legi-
time betrachtete) Dynastie bis 1392. Während
dieser Kämpfe waren die Vasallen übermächtig
geworden. Namentlich legten damals die hohen
Lehnsherren (Daimio) den Grund zu ihrer Herr-
schaft; ihre Vasallen (Samurai) kannten nur noch
Verpflichtungen gegen die Daimio, nicht mehr
gegen den Mikado oder Schogun, und die Händel
der Daimio unter sich verlängerten den Bürger-
krieg. Die verarmte Bevölkerung ergab sich teil-
weise dem Seeraub an den chinesischen und
koreanischen Küsten.
In diese trübe Zeit fiel die Entdeckung Japans
durch den Portugiesen Mendes Pinto um 1542.
Der portugiesische Handel von Ningpo und Macao
nach dem südlichen Japan wurde von den dortigen
Daimio begünstigt, weil er ihnen Bundesgenossen,
Geld und Feuerwaffen verschaffte. 1549/51 pre-
digte der hl. Franziskus Kaverius das Evangelium
in Japan. Entsprach auch zunächst der Erfolg
seinen hohen Erwartungen nicht, so ging doch der
von ihm gestreute Same bald auf, als 1572 die
Aschikaga, unter denen das Land nicht zur Ruhe
kam, im Auftrage des Mikado durch Nobunaga
gestürzt wurden. Aus Haß gegen die buddhistischen
Priester und Klöster, deren politischer Einfluß die
Ordnung im Staate störte, begünstigte Nobunaga
das Christentum. 1581 zählten die Jesuiten
150 000 Gläubige, darunter mehrere Daimio
auf Kiuschiu und Schikoku, die 1585/86 dem
Papst und Philipp II. durch eine Gesandtschaft
ihre Aufwartung machen ließen. Auch Hidejoschi,
ein populärer und glücklicher General, der nach
Nobunagas Ermordung die Regierung übernahm
(1582/98), 1586 zum Kwampaku ernannt wurde
und seinen Nachruhm vor allem den Siegen in
Korea verdankt, war anfangs der Mission freund-
lich gesinnt. Jedoch die Furcht, der neuen Religion
Japan.
1296
könnte bald die Herrschaft der Abendländer fol-
gen, führten schon unter ihm zu einem Umschwung
(1587 Ausweisung der Jesuiten), der unter seinen
nächsten Nachfolgern vollständig wurde.
Für Hidejoschis unmündigen Sohn regierte
Ijejasu, der mächtige Herr des Kwanto, der mit
Hilfe der nördlichen Provinzen seinen Mündel
und seine Rivalen verdrängte und 1608 das seit
30 Jahren erledigte Schogunamt erneuerte. Sein
Geschlecht, die Tokugawa, die in Jedo residierten,
behaupteten es bis 1867 und sicherten dem Lande
endlich für 250 Jahre den Frieden. Die Grund-
züge des von Jjejasu (dessen Gesetzessammlung
oder „Testament“ noch erhalten ist) stammenden,
von seinem Sohne Hidetada (1616/23) und
seinem Enkel Ijemitsu (1623/51) ausgebauten
Regierungssystems waren: strenge Durchführung
des Feudalsystems, Reglung der Beziehungen
zwischen den Untertanen durch ein strenges Ka-
stensystem, Absperrung gegen das Ausland und
Ausrottung des Christentums. Die Christenver-
folgung, an der übrigens der Handelsneid der
Holländer gegen die Portugiesen nicht unschuldig
war, begann 1614 mit der Ausweisung der Missio-
näre, die gewaltsam nach Macao gebracht wur-
den. Tausende von Christen wurden ertränkt,
verbrannt oder gekreuzigt. 1638 wurden die
letzten 30 000—40 000, bie sich in Schimabara ge-
sammelt und verbarrikadiert hatten, getötet. Trotz-
dem man zur Entdeckung der Christen alle Mittel,
z. B. das Fumi-ie („das Kreuz mit Füßen treten")
und die Dienste der Holländer, verwendete, er-
hielten sich einzelne Gemeinden im geheimen bis
zur neuesten Zeit. — Die Absperrung gegen das
Ausland hatte ihren Grund nicht wie in China
in hochmütiger Verachtung der abendländischen
Kultur, sondern nur in politischer Berechnung, da
man für die Unabhängigkeit des Reiches fürchtete.
1621 wurde den Japanern verboten, ins Aus-
land zu reisen. 1624 wurden alle Fremden mit
Ausnahme der Chinesen und Holländer ausge-
wiesen, und deren Handel wurde 1641 auf Naga-
saki beschränkt. Die Holländer mußten ihren Vor-
zug vor den übrigen Europäern mit schweren
Demütigungen erkaufen. Von deutschen Arzten
im Dienste der Niederländisch-Ostindischen Kom-
panie, besonders E. Kämpfer (1690/92) und
v. Siebold (1823/29), stammte unsere frühere
Kenntnis vom Mikadoreich. — Das japanische
Volk zerfiel in drei scharf getrennte Gruppen: den
Hofadel, die Soldatenkaste oder Schwertadel und
das arbeitende Volk (Heimin: Bauern, Hand-
werker und Kaufleute; Parias waren die Leder-
arbeiter, Geishas usw.). Der Hofadel (die Kuge),
meist von früheren Mikados stammend, wohnte
rings um das Kaiserschloß in Kioto und hatte
erbliche Hofämter mit geringer Bezahlung und Be-
schäftigung. Auf seine Kosten blühte der Schwert-
adel (Buke), von den Vasallen Joritomos stam-
mend, eine privilegierte, nach Rang und Einkommen
(ein Landlehen oder Reisdeputat) genau abgestufte