Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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sächlich seine Herrschaft verdankte, der in der Re- 
volution Arisugawas Generalstabschef und seitdem 
der zweite Mann im Staate gewesen war. Der 
Krieg dauerte acht Monate und endete mit der 
Niederlage der Aufständischen bei Kagoschima 
(24. Sept. 1877). 
Die Berührung mit der abendländischen Zivili- 
sation hatte auch in Japan eine politische Auf- 
klärung zur Folge, die sich im Verlangen nach 
Teilnahme des Volkes an der Regierung und 
Gesetzgebung äußerte. 1881 wurde vom Mikado 
eine konstitutionelle Verfassung versprochen, am 
11. Febr. 1889 eine solche publiziert. Am 18. Febr. 
1890 wurde das erste japanische Parlament er- 
öffnet; Präsident des Herrenhauses war Ito, 
dessen Entwurf der neuen Verfassung zugrunde 
lag, Präsidentdes Abgeordnetenhauses Nakaschima, 
Christ und nachmals Gesandter in Rom, ein Be- 
weis, welch überraschende Fortschritte die Toleranz 
in zwei Jahrzehnten gemacht hatte. Die Verwal- 
tung wurde 1885 durch Neueinteilung der Mini- 
sterien geregelt. Die Rechtsprechung wurde von 
der Verwaltung getrennt und in den 1890er Jah- 
ren neue Gesetzbücher veröffentlicht, ein Handels- 
recht nach deutschem, Zivilprozeß und Strafrecht 
nach französischem und italienischem, ein bürger- 
liches Gesetzbuch nach deutschem und napoleonischem 
Vorbild. Ein großer Erfolg war die Revision der 
alten Verträge mit dem Ausland, in denen Japan 
Meistbegünstigung ohne Gegenleistung und die 
Konsulargerichtsbarkeit gewährt hatte. Letztere 
wurde besonders als demütigend empfunden und 
in den neuen Verträgen (zuerst mit England 1894) 
aufgehoben, zugleich ein neuer Zolltarif zugrunde 
gelegt, der am 1. Jan. 1899 in Kraft trat. Da- 
für erhielten die Ausländer das Recht, sich im 
  
ganzen Reich niederzulassen, Handel zu treiben 
und Grundbesitz zu erwerben. Bereits 1886 war 
Japan dem Weltpostverein beigetreten, und 1897 
führte es die Goldwährung ein. 
Mit dem Eintritt in die Reihe der Kulturstaaten 
stieg das Selbstbewußtsein des japanischen Volkes, 
was sich nun auch in der äußern Politik zeigte. 
Die Übervölkerung, deren Abfluß auf den Inseln 
und an den Küsten des Stillen Ozeans nirgends 
gerne aufgenommen wurde, und die steigenden 
wirtschaftlichen Interessen drängten zu einer Ex- 
pansion in Ostasien. Aus Formosa war Japan 
Japan. 
1300 
Japaner von vornherein überlegen zeigten. Im 
Frieden von Schimonoseki, 17. April 1895, mußte 
China die Unabhängigkeit Koreas abermals an- 
erkennen, Formosa, die Pescadores und die Halb- 
insel Liautung (mit Port Arthur) abtreten und sich 
zur Zahlung von 200 Mill. Taels Kriegskosten 
verpflichten. Auf Einspruch Rußlands, Frankreichs 
und Deutschlands erhielt es 8. Nov. 1895 Liau- 
tung gegen Zahlung weiterer 30 Mill. zurück. 
Seitdem wurde der Ausbau der Kriegsflotte ge- 
fördert, zumal das Umsichgreifen Rußlands Be- 
sorgnisse wegen Koreas hervorrief. Das Heer er- 
wies seine Brauchbarkeit und Disziplin, als 1900 
neben den Kontingenten der europäischen Mächte 
auch eine japanische Division am Entsatz der Frem- 
den in Peking und der Unterdrückung des Boxer= 
aufstandes teilnahm. 
2. Die neueste Zeit. Bei dieser Gelegen- 
heit trat Japan nicht etwa schüchtern, im Schlepp- 
tau seiner europäischen Lehrmeister, sondern durch- 
aus selbständig auf, getragen nicht nur von politisch- 
militärischem Ehrgeiz, sondern auch von dem 
berechtigten Bewußtsein, einen vollwichtigen mili- 
tärischen Faktor darzustellen. Das wurde mit 
mehr oder weniger verlegener Überraschung von 
allen anerkannt, die bis dahin aus den leichten 
Siegen Japans über China auf die militärische 
Bedeutung des ersteren keine besondern Schlüsse 
glaubten ziehen zu müssen. An Leistungsfähig- 
keit zeigte sich das japanische Kontingent während 
der Boxerwirren den europäischen Truppen eben- 
bürtig, an praktischer Ausrüstung sogar zum 
Teil überlegen. Wer sehen wollte, wurde zum 
ernsten Nachdenken darüber angeregt, zu welchen 
Ereignissen der japanische Ehrgeiz in Verbindung 
mit seinem trefflich ausgebildeten Kriegsinstrument 
führen könne. Aber auch die Nachdenklichen und 
Aufmerksamen gewannen nicht entfernt einen Ein- 
blick in die Wirklichkeit. Von langer Hand war 
schon und mit Zähigkeit wurde in Japan weiter 
gearbeitet an der Organisation von Heer und 
Flotte, still und geräuschlos, ganz geheim, und 
nur gewisse finanzielle Maßnahmen in Verbin- 
dung mit den parlamentarischen Kämpfen über 
diese ließen einen Schimmer von dem nach außen 
fallen, was sich im Innern vollzog, und zwar im 
Hinblick auf das Ausdehnungsbedürfnis des auf 
eine schmale Scholle beschränkten Japanertums, 
  
1874 vor China zurückgewichen, den begründeten das auf dem asiatischen Festland unbedingt Boden 
Anspruch auf den südlichen Teil von Sachalin fassen wollte und fremden Wettbewerb dort nicht 
hatte es Rußland gegenüber 1875 aufgegeben und dulden konnte. Diesen aber machte Rußland, in- 
dafür die wertlose russische Hälfte der Kurilen ein= dem es, noch dazu entgegen feierlicher Versicherung 
getauscht. Jetzt richtete sich das Interesse Japans seiner Uneigennützigkeit, nicht aus der Mandschurei 
namentlich auf Korea, das 1876 zwei Häsen weichen wollte. Schon 1901 setzte deswegen eine 
öffnete. Im Vertrag von Tientsin, den Ito und starke Volksbewegung in Japan ein. Großes 
Li Hung-tschang am 18. April 1885 schlossen, Aufsehen erregte es, als Japan von der größten 
erkannten Japan und China die Souveränität Seemacht, England, als den Westmächten politisch 
Koreas an und versprachen, ohne Genehmigung des ebenbürtig anerkannt und eines Defensiv= und 
andern Teils keine Schutztruppen dorthin zu Offensivbündnisses für würdig erachtet wurde 
schicken. Der Bruch dieses Vertrags durch China (1902). Rußland ließ auch dies sich nicht zur 
führte Ende Juli 1894 zum Krieg, in dem sich die Lehre dienen; im Jahre 1903 schlug Japan in
	        
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