Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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und wenigstens 3 Jahre im Bezirke gewohnt haben; 
ausgenommen sind außer denen, welche des Wahl- 
rechts entbehren, auch die Staatsbeamten, Priester 
und (seit 1882) Militärpersonen. Die Wahl er- 
folgt auf 4 Jahre so, daß alle 2 Jahre die Hälfte 
ausscheidet. Die Bezirkstage, welche ihre Präsi- 
denten selbst wählen und zur Besorgung der laufen- 
den Geschäfte und Vorbereitung der Beratungen 
ständige Ausschüsse ernennen, sollten jährlich den 
Etat des Bezirks feststellen, soweit er sich auf die 
Bezirkssteuern und die daraus zu bestreitenden 
Ausgaben bezog, haben aber allmählich die ge- 
samte Verwaltung der Bezirke unter ihre Aufsicht 
gebracht. Die Dauer der jährlichen, meist im 
November stattfindenden Sitzungsperiode soll 30 
Tage nicht überschreiten; Spezialsessionen können 
durch den Bezirkshauptmann einberufen werden. 
In den Gemeinden sind seit 1876 Gemeinde- 
versammlungen eingerichtet, die den Gemeinde- 
haushalt festsetzen. Die Polizei ist reines Staats- 
institut. 
Im Ausland ist Japan durch dauernde Ver- 
tretungen erst seit der staatlichen Neuordnung ver- 
treten, während vorher nur Spezialgesandtschaften 
abgeordnet wurden. Gegenwärtig unterhält Japan 
7 Botschaften (Berlin, Wien, London, Paris, 
St Petersburg, Rom, Washington), 9 außer- 
ordentliche Gesandtschaften, 1 Generalresidenten 
(in Söul) und 94 konsularische Vertretungen. 
Das Gesundheitswesen wird von der unter 
dem Ministerium des Innern stehenden Zentral- 
gesundheitsabteilung überwacht; diese stützt sich in 
ihren Maßnahmen auf die ihr beratend zur Seite 
stehende Zentraldeputation für das Gesundheits- 
wesen und die drei hygienischen Laboratorien des 
Landes. Die Landesorgane schließen sich eng an 
die politische Einteilung an. Die Ausgaben fallen 
wesentlich den Bezirken und Gemeinden zur Last. 
Staatlicher Impfzwang besteht seit 1886. Das 
öffentliche AUrmenwesen erfordert in Japan im 
allgemeinen nur geringe Aufwendungen (1905 an 
0,8 Mill. Jen), da Familie und Nachbarschaft sich 
der Dürftigen eifrig annehmen. Nur Irr= und 
Blödsinnige, Krüppel, Greise und kleine Kinder, 
welche keine Angehörigen haben, fallen der staat- 
lichen Fürsorge anheim. Zur Unterstützung der 
landwirtschaftlichen Bevölkerung im Falle von Not- 
ständen, welche durch die in Japan häufigen Ele- 
mentarereignisse herbeigeführt werden, besteht ein 
besonderer landwirtschaftlicher Hilfssonds, für 
Armenunterstützungen Fonds in den Bezirken. 
Eine größere Notwendigkeit öffentlicher Armen- 
unterstützung tritt in den großen Städten (na- 
mentlich in Tokio) mit ihrer stark wechselnden 
Bevölkerung ein; vorläufig hilft man sich noch 
durch Wohltätigkeitsspitäler, deren es in Tokio 
mehrere gibt, darunter auch große christliche 
Waisenhäuser. 
Durch Schaffung eines obersten Gerichtshofes 
(Daischinin) wurde 1875 eine Trennung zwischen 
Rechtspflege und Verwaltung begonnen 
  
Japan. 
  
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und seitdem weiter durchgeführt. Außer dem Dai- 
schinin als Kassationshof gibt es 7 Appellhöfe 
(Kosoin), 49 Gerichte erster Instanz (Landgerichte 
und Zweiggerichte derselben), 310 Friedensgerichte 
(Amtsgerichte; außerdem 9 in Formosa); der 
Strafvollstreckung dienen (1905) 148 Gefängnisse. 
Die Ausländer, die nach der Eröffnung Japans 
zunächst noch der Gerichtsbarkeit der Konsuln ihrer 
Heimatländer unterstellt blieben, sind seit dem 
Abschluß der neuen Verträge (von 1894, in Kraft 
getreten 1899) den japanischen Gerichten unter- 
stellt. Für die neuere japanische Gesetzgebung, 
insbesondere für das Strafgesetzbuch und das 1898 
eingeführte bürgerliche Gesetzbuch, sind zum Teil 
die englischen und französischen, zum guten Teil 
aber auch die deutschen Gesetze vorbildlich und 
maßgebend gewesen. 
IV. Religion und Anterricht. Die älteste 
und ursprünglichste Religion der Japaner ist der 
Schintoismus, der in einem primitiven Kultus 
der personifizierten Naturkräfte und der Ahnen (der 
ersten kaiserlichen Ahnen beim ganzen Volke, des 
Schutzheiligen des Ortes und der Familienahnen 
durch die Glieder ihres Hauses) besteht und sich in 
Opferspenden (besonders Speiseopfern) und in der 
Rezitation altertümlicher Gebete und Lobgesänge, 
in Tänzen usw. äußert. Hauptgottheit ist die Son- 
nengöttin Amaterasu (Tendscho Daidschin), deren 
Tempel zu Jamada in Ise das größte Heiligtum 
des Landes ist; außerdem werden vom Volke die 
Geister berühmter Fürsten, Helden, Gelehrten und 
eine Legion untergeordneter Götter verehrt. Da- 
neben besteht der im 6. Jahrh. v. Chr. von Korea 
aus eingeführte Buddhismus, der allmählich in 
vielen Dingen mit der Schintoreligion verschmolz 
und großen Einfluß auf Bau und Einrichtung der 
Tempel, auf Gewänder und Zeremonien ausübte, 
auch zur Einführung der Wallfahrten beitrug. 
In neuerer Zeit ist das Bestreben nach Wieder- 
herstellung der ältesten Religion mächtig erwacht 
und hat auch eine politische Bedeutung gewonnen, 
insofern es eng zusammenhing mit dem Sturze des 
Schogunats und der Wiedererrichtung der Mikado- 
herrschaft. Die Restauration hat nach der Redu- 
zierung der früheren Einkünfte der alten Feudal- 
herren und der Samurai sich anfänglich auch 
gegen zahlreiche buddhistische Tempel und Klöster 
gewandt und deren Einkünfte beschnitten und viele 
Buddhatempel zu Schintotempeln umgewandelt. 
Der Inbegriff der ethischen Ideen, der mora- 
lischen Instinkte Japans wird als Buschido (Lehre 
vom ritterlichen Benehmen) zusammengefaßt. Im 
3. Jahrh. u. Chr. gesellte sich dazu die Philosophie 
des Konfutse, die mit großem Enthusiasmus auf- 
genommen wurde, aber nie tief in das Volk ein- 
gedrungen ist, wohl aber auf die Denk= und 
Lebensweise der Samurai einen mächtigen Ein- 
fluß ausgeübt hat. Die gebildeten Stände der 
Japaner huldigen teils der Ethik teils dem Skep- 
tizismus des Konfutse und seiner Schüler, find 
vielfach religiös indifferent oder völlige Atheisten;
	        
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