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Knipschild in seinem Tractatus de fideicommis-
sis familiarum nobilium sive de bonis, quae
pro familiarum nobilium conservatione con-
stituuntur (Straßburg 1626, verbessert Ulm
1654). Man begann in der Praxis Familien=
fideikommisse zu errichten, für welche sich ein all-
gemeines Gewohnheitsrecht bildete, und es kam
dann auch bald zu gesetzlichen Verordnungen be-
züglich dieses Instituts. Während sich aber die
Fideikommißerrichtungen erst seit der Mitte des
17. Jahrh. mehrten, wurde das erste Gesetz über
diese Materie im Jahr 1672 erlassen, nämlich das
Mandatum des Kurfürsten Ferdinand Maria von
Bayern (Lünig, Corpus jur. feudal. 1 523 ff.
Spätere gesetzliche Anordnungen finden sich dann
im bayr. Landrecht TI III, Kap. 10; im preuß.
Allg. Landrecht TI II, Tit. 4, §§ 47/226; im
österreich. Allg. B.G.B. 8§ 618/646; im sächs.
Gesetzbuch §§ 2527/2541; im bad. Landrecht Art.
577; im bayr. Edikt über Familienfideikommisse
vom 26. Mai 1818. Das deutsche B.G.B. be-
rührt die landesgesetzlichen Vorschriften über das
Fideikommißwesen nicht (Art. 59 des Einf.Ges.).
Im Anschluß an das B.G. B. und unter An-
passung an die veränderten wirtschaftlichen Ver-
hältnisse erfolgte jedoch eine Neureglung des Fidei-
kommißrechts in Hessen durch Gesetz vom 30. Sept.
1899, in Baden durch das Ausführungsgesetz zum
B.G.B. vom 17. Juni 1899 (Art. 36, §§ 1/17;
handelt allerdings „Vom Stammgut“), in Sachsen
durch das Gesetz über Familienanwartschaften
vom 7. Juli 1900. In Preußen wurde 1903
ein Entwurf für die rechtliche Umgestaltung ver-
8 weitere Schritte sind seitdem aber nicht
erfolgt.
Ein Fideikommiß wird dadurch errichtet,
daß gewisse Güter in einer Familie ausdrücklich
für unveräußerlich erklärt werden und nur inner-
halb derselben vererbt werden können. Nach ge-
meinem Recht bedarf die Errichtung keiner landes-
herrlichen Bestätigung. Nach österreichischem
Recht (Allg. B.G. B. 8 627) „kann ohne be-
sondere Einwilligung der gesetzgebenden Gewalt
kein Fideikommiß errichtet werden“. Nach dem
preußischen Allg. Landrecht bedürfen solche, deren
jährliche Revenuen über 30 000 M betragen, der
landesherrlichen Bestätigung. Die durch das bay-
rische Edikt vom Jahr 1818 (§8 22 f#) angeordnete
richterliche Bestätigung ist nur im Interesse der
Rechtssicherheit vorgeschrieben.
Den Gegenstand des Fideikommisses bilden in
der Regel Grundstücke; bewegliche Gegenstände
außer dem Zubehör von Grundstücken nur, wenn
sie dinglich gesichert find. Partikularrechtlich, z. B.
nach dem bayrischen Landrecht, können auch Ju-
welen mit dem Fideikommißbande behaftet wer-
den. Weiter ist partikularrechtlich die Rechtsbe-
ständigkeit eines Fideikommisses von einem be-
stimmten Ertrag desselben abhängig gemacht
(bayr. Edikt § 2; preuß. Allg. Landrecht TI II,
Tit. 4, 88 51/55). Nach diesem Recht kann nur
Familienfideikommiß.
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ein freies Landgut, das einen Reinertrag von
mindestens 7500 M gewährt, den Gegenstand
eines Fideikommisses bilden, oder ein Kapital im
Betrag von mindestens 30 000 M. Reine Geld-
fideikommisse sind verboten in Bayern, Sachsen,
Baden, Hessen und Braunschweig. In Preußen
muß sich der Mindestbetrag eines solchen auf
30000 M belaufen. Der Gesetzentwurf von
1903 will die reinen Geldfideikommisee beseitigen.
Überbauter Grundbesitz allein kann nach dem
geltenden Recht nicht gebunden werden.
Das Fideikommiß hat, wenn nicht ausdrücklich
andere Verfügung getroffen, Bestand, solange die
Familie nicht erloschen ist, für die es bestimmt
wurde. Es wird demnach erst in den Händen des-
jenigen, mit dem die Familie erlischt, freies Eigen-
tum. Im Zweifel ist übrigens anzunehmen, daß
dasselbe nur zugunsten des Mannesstammes er-
richtet ist, da hauptsächlich dieser die Familien=
tradition fortpflanzt und die Stellung derselben
im öffentlichen Leben zum Ausdruck bringt.
Was die rechtliche Konstruktion des Fidei-
kommißinstituts anlangt, so besteht darüber keine
Übereinstimmung. Das bayrische Landrecht (TIIII,
Kap. 10, § 13), das preußische Allg. Landrecht
TI II. Tit. 4, § 72) und das österreichische Allg.
B. G. B. (8 629) sprechen dem jeweiligen Fidei-
kommißinhaber das Nutzungseigentum (dominium
utile), den Anwärtern hingegen das Obereigen-
tum (dominium directum) zu. Wie man aber
auch das Fideikommiß auffaßt, ob man dieser
Unterscheidung der soeben zitierten Rechte bei-
pflichtet oder ein Gesamteigentum des Besitzers
und der Familie annimmt und dem ersteren da-
neben nur noch die Nutznießung zuerkennt oder
das Verhältnis der Berechtigten sich noch anders
juristisch zurechtlegt — in der Praxis gestaltet sich
die Sache doch immer so, daß der jeweilige In-=
haber die Benutzung und Vertretung der Sache
hat, ohne über die Substanz derselben verfügen
oder sie veräußern zu können. Er vermag sie
denn auch nicht über den Betrag der ihm gebüh-
renden Früchte hinaus zu verschulden. Doch
finden sich partikularrechtlich Abweichungen von
diesem Grundsatze. Es muß diesbezüglich auf
diese Rechte verwiesen werden. So handelt z. B.
das preußische Allg. Landrecht (Tl II, Tit. 4,
88 78 ff), das österreichische Allg. B.G. B. (§8 630
bis 642) von den Befugnissen des Fideikommiß-
inhabers und der Anwärter; s. auch bayrisches
Edikt vom Jahr 1818 8§ 42/76.
Was nun die Sukzession in das Fidei-
kommiß weiter betrifft, so ist gewöhnlich dafür
Sorge getragen, daß dasselbe sich in einer Hand
befindet. So kommen denn je nach dem Willen
des Stifters die Sukzessionsordnungen des hohen
Adels, die Primogenitur, das Majorat und das
Seniorat, zur Anwendung, ohne daß aber andere
Formen der Nachfolge ausgeschlossen wären. Das
österreichische Allg. B.G. B. (§ 622) spricht aus-
drücklich diese Freiheit aus, während sich in andern