Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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lübde ab. Beide können unter vollständiger Ent- 
bindung von allen aus den Ordensgelübden ent- 
springenden Verbindlichkeiten von den Oberen aus 
dem Orden entlassen werden, aber nur aus sehr 
wichtigen Gründen und ohne ihre Einwilligung 
kaum jemals ohne ihre Schuld. Ihre Obliegen- 
heiten ergeben sich aus ihren bezüglichen Stellungen 
als Priester oder Laienbrüder (vgl. die Bulle Licet 
debitum vom 18. Okt. 1549). 
4. Die vierte und letzte Klasse bilden die sog. 
Professen der vier Gelübde, welche sämtlich 
Priester sind. Diese legen außer den drei gewöhn- 
lichen feierlichen Ordensgelübden ein viertes feier- 
liches Gelübde gegen den Papst in bezug auf 
Missionen ab. Durch dieses Gelübde sind sie ver- 
pflichtet, ohne Widerrede und Verzug und selbst 
ohne Reisegeld in alle Länder, zu Gläubigen und 
Ungläubigen zu gehen, sobald ihnen dieses der 
Papst zum Heile der Seelen befiehlt (Exam. gen. 
„c. 1, 9§ 5; Const. 5, c. 3, 8 3; 7, c. 1 usw.). 
Alle Professen legen auch noch einfache Gelübde 
ab, die darauf abzielen, die religiöse Armut in 
ihrer Vollkommenheit im Orden zu erhalten und 
alle ehrgeizigen Bestrebungen in und außer dem 
Orden abzuschneiden. Diese Klasse von Ordens- 
mitgliedern bildet nun den eigentlichen Kern des 
Ordens. Zu ihr verhalten sich die übrigen Klassen 
entweder nur wie Vorstufen (Novizen und Scho- 
lastiker) oder wie Erweiterungen (formierte Koad- 
jutoren). Trotzdem genießen die Mitglieder dieser 
Klasse keine besondern Vorrechte vor den formierten 
geistlichen Koadjutoren; jedoch kann nur aus ihnen 
der General, seine Assistenten und sein Admonitor 
sowie die Provinziale und die Vorstände der Profeß= 
häuser genommen werden. Rektoren von Kollegien 
und Noviziaten können auch Nichtprofessen, die 
Priester sind, sein, und dann haben ihnen auch 
die Professen, welche in den betreffenden Häusern 
wohnen, zu gehorchen. Ebenso können nur aus 
den der Provinz angehörigen Professen die zur 
General= oder Prokuratorenkongregation zu sen- 
denden Deputierten gewählt werden. Auch muß 
die Provinzialkongregation selbst zu zwei Dritteln 
aus diesen Professen bestehen. Ausnahmsweise 
kann der General aus bestimmten Gründen Mit- 
glieder zur feierlichen Profeß mit nur drei Ge- 
lübden zulassen. Diese sind natürlich unverbrüch- 
licher mit dem Orden verbunden als die gewöhn- 
lichen formierten Koadjutoren, sonst stehen ihnen 
aber keine andern Rechte zu als diesen. Wellliche 
Mitglieder hat der Orden keine. 
Die Häuser des Ordens zerfallen in Profeß- 
häuser, Kollegien, Noviziate und sog. Residenzen, 
d. h. kleinere Ordenshäuser und Missionsstationen. 
Die Profeßhäuser werden von den Ordensprofessen 
und ihren Gehilfen, den formierten Koadjutoren, 
bewohnt, um von dort aus unter Leitung und 
Überwachung der Oberen die dem Orden eigen- 
tümliche apostolische Wirksamkeit zuentfalten. Diese 
Häuser müssen von Almosen leben; gesicherte Ein- 
tünfte und bleibendes Eigentum dürfen sie, außer 
Jesuiten. 
  
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Kirche, Haus, Garten, nicht besitzen. Das Gegen- 
teil gilt von den Kollegien und Noviziaten. Das 
Vermögen gehört den einzelnen betreffenden Häu- 
sern, die unter diesem Gesichtspunkte selbständige 
Institute sind, ohne wechselseitige Haftbarkeit; die 
Aussicht und die Verwaltung des Vermögens ge- 
schieht durch die Oberen. Auch die Jesuiten dürfen 
nach allgemein kirchlichen Bestimmungen nirgend- 
wo ein Haus errichten ohne die vorherige Zu- 
stimmung des Diözesanbischofs. 
IV. Wirktsamkeit des Ordens nach außen. 
Nicht bloß zur Heiligung der eigenen Mitglieder 
ist die Gesellschaft Jesu gegründet: sie soll vor 
allem auch ein apostolischer Orden sein. Jesus 
Christus predigen und die Menschen für Jesus 
Christus, zur Befolgung seiner Lehre und seines 
Beispiels gewinnen, das ist nicht ein bloßer Neben- 
zweck des Ordens, sondern zugleich mit der eigenen 
Heiligung wesentlicher Hauptzweck. Hierfür soll 
aber an erster Stelle „das gute Beispiel eines mit 
allen Tugenden geziertenchristlichen Lebens wirken“ 
(Const. 4, prooem.; 7, c. 4, 5 2; Const. 3, c. 1, 
#§ 4). Weit wichtiger als Wissenschaft und andere 
natürliche Gaben ist zur Erreichung dieses Zweckes 
der Gewinnung der Seelen alles, was die eigene 
Seele vollkommener mit Gott vereint (Const. 10, 
§2), wobei indessen der hohe Wert gründlichen 
Wissens durchaus nicht verkannt wird (Const. 4, 
-. 5 ff). Darum soll außer solider Tugend vor 
allem eine reine Meinung, der Gebetsgeist, un- 
eigennütziger Seeleneifer der Anteil aller sein. 
Häufig sollen auch die Mitglieder Gebete und das 
heilige Meßopfer Gott darbringen für die Be- 
kehrung und Heiligung der Seelen (Const. 4, 
§*#§ 2—4; 6, c. 2, § 16). Auf diesen Grundlagen 
hat sich die äußere Wirksamkeit aufzubauen. Sie 
wird in Predigen, Beichthören, Abhalten der geist- 
lichen Ubungen und Volksmissionen, Missions- 
tätigkeit unter Heiden und Ungläubigen bestehen, 
wie das in den oben angeführten Bullen Pauls III. 
und Julius' III. und in der ihnen einverleibten 
Formula Instituti ausgesprochen ist. Vorzügliche 
Sorgfalt soll man dabei den Armen und der Ju- 
gend angedeihen lassen. Die Professen und for- 
mierten geistlichen Koadjutoren müssen das bei 
Ablegung ihrer Gelübde ausdrücklich versprechen 
(Const. 5, c. 3, § 3; c. 4, § 2). 
Während sich nun die Professen noch durch ein 
eigenes viertes feierliches Gelübde (s. oben) aus- 
drücklich verpflichten, auf Befehl des Papstes das 
Missionswerk überall, unter Heiden und Un- 
gläubigen, sogar mit eigener Lebensgefahr und 
ohne besondere Hilfsmittel, zu übernehmen, kann 
der Ordensgeneral doch auch die übrigen Mit- 
glieder, wenngleich nicht unter ebenso strenger 
Verpflichtung, zum Dienste der Mission heran- 
ziehen; dabei soll er sich aber der größten Umsicht 
befleißen (Const. 9, c. 2, § 9; 7, c. 2, § 1). 
Und daß dieses alles nicht bloße Theorie geblieben 
ist, bezeugen nicht allein die mehr als 800 Mär- 
tyrer des Ordens, sondern auch die vor aller Welt
	        
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