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Jesuitenschriften angeordnet (unter dem 6. Aug.
und dem 21. Okt. 1762). Die diesen Verurtei-
lungen vorausgehenden wiederholten Protesta-
tionen des Papstes und des gesamten französischen
Episkopates hatten nichts gefruchtet. Der König
widersetzte sich zwar anfangs, hauptsächlich vom
Dauphin getrieben, den Parlamentsbeschlüssen,
aber wie es bei einem solchen Manne natürlich
war, ohne nachhaltige Energie. Dem Pariser
Parlamente, welchem ein Drittel des damaligen
Frankreich gesetzlich unterstand, ahmten beinahe
alle andern Parlamente in den Provinzen, vom
selben Geiste beseelt, nach. Eine Ausnahme bil-
deten nur diejenigen der Franche-Comté, des
Elsasses, Lothringens, des Artois und des fran-
zösischen Flandern, die für die Jesuiten entschieden.
1764 wurde sämtlichen französischen Jesuiten vom
Pariser Parlamente, welches sich eine Art uni-
verseller Jurisdiktion über ganz Frankreich an-
maßte, zugemutet, sie sollten dem Institute des
Ordens und ihren Gelübden als gottlos und der
geheiligten Person des Monarchen gefährlich ab-
schwören. Am 26. Nov. desselben Jahres setzten
die Pompadour und Cheiseul die Sanktion die-
ser Dekrete beim Könige durch. Von ungefähr
4000 Jesuiten erwiesen sich nur wenige als schwach.
Papst Klemens XIII. protestierte zwar gegen diese
Gewaltakte der weltlichen Macht feierlich in der
Bulle Apostolicum (8. Jan. 1765); trotzdem
waren damit dem Orden die Fundamente weltlich
legaler Existenz im Königreiche entzogen, und da
den Mitgliedern jede geistliche Funktion vor ab-
gelegtem Eide untersagt war, blieb ihnen tatsäch-
lich bloß das Exil übrig. 1767 sprach das Pariser
Parlament dasselbe auch förmlich aus.
Auch in Spanien waren es Freigeister, die
den Untergang des Ordens betrieben. Dazu mußte
vor allem König Karl III., ein bisheran den
Jesuiten wohlgeneigter Monarch, der sie gegen
Pombals Verleumdungen in Schutz genommen
und sogar einige portugiesische Schmähschriften
gegen sie öffentlich hatte verbrennen lassen,
gründlich umgestimmt werden. Das zu Ver-
dacht und Mißtrauen geneigte Gemüt des
etwas beschränkten Fürsten bot die Gelegenheit
für die Ausführung der Pläne des freigeisti-
gen Herzogs Alba, des gleichgesinnten späteren
Ministers Aranda, des Jansenisten Roda und
anderer. Bei einem wegen Teuerung entstandenen
Aufstande der Madrider Bevölkerung hatten die
Jesuiten einen wirksamen beruhigenden Einfluß
auf die Volksmassen geübt. Das wurde von den
Feinden des Ordens dem Könige so dargestellt,
als ob dieselben Volkshaufen, welche den Jesuiten
gegenüber so fügsam sich bezeigt, nun auch, nur
von diesen aufgestachelt, die Demonstration könnten
unternommen haben. Aranda wurde Minister
und unbeschränkter Diktator. Als solcher führte er
eine sog. Untersuchung gegen die Jesuiten. Drei
Jesuiten wurden schuldig erklärt. Auf welche
Gründe sich dieses Verdikt stützte, erfuhr niemand.
Jefuiten.
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Bei der Umstimmung des Königs spielen auch ge-
fälschte Briefe des Jesuitengenerals eine Rolle;
das Nähere darüber ist noch nicht kritisch fest-
gestellt. Am Abend des 2. April 1767 wurden
plötzlich alle Häuser der Jesuiten in allen spanischen
Besitzungen überfallen, sämtliche 6000 Jesuiten
völlig bis auf die Kleider, die sie am Leibe trugen,
einige Wäsche und das Brevier ausgeplündert;
so brachte man sie auf die in den Häfen bereit
liegenden Schiffe und transportierte sie nach dem
Kirchenstaate. Ihre Papiere versiegelte man und
konfiszierte ihre Habe. Jeder Alkalde, welcher nach
dem festgesetzten Tage einen, wenn auch todkranken,
Jesuiten noch im Lande duldete, ward mit dem
Tode bedroht.
Was in Spanien geschehen, fand im Königreiche
Neapel, wo Karls III. Sohn Ferdinand IV.
herrschte, nur zu bald Nachahmung. Ferdinand
ward von Tanucci zu ganz denselben Maßregeln
wie Karl III. von Aranda veranlaßt. Am 3. Nov.
1767 überfiel man die Häuser des Ordens, und
dann geschah alles wie in Spanien. Den 5. Febr.
1768 verjagte man den Orden aus dem von spa-
nischen Bourbonen regierten Parma. Dasselbe
war kurz vorher auf dem von Neapel abhängigen
Maltoa geschehen.
Nun galt es, den Orden auch kirchlich zu ver-
nichten. Nach Pombals Vorschlag verlangten alle
bourbonischen Höse vom Papste Klemens XIII.
die völlige Unterdrückung der Gesellschaft (16.,
20., 24. Jan. 1769). Unter diesem neuen Schlage
brach der altersschwache, von Leiden und Arbeiten
erschöpfte Greis zusammen und starb am 2. Febr.
Am 15. desselben Monats trat das Heilige Kol-
legium zum Konklave zusammen. Aus ihm ging
nach dreimonatiger Dauer am 19. Mai der Kar-
dinal Laurentius Ganganelli unter dem Namen
Klemens XIV. als Papst hervor. An simoni-
stischen Versuchen hatte es seitens der Gesandten
Frankreichs und Spaniens nicht gefehlt; doch ist
sicher, daß sogar der französische Kronkardinal
de Bernis mit dergleichen nichts zu tun haben
wollte. Klemens XIV. hat, soviel man weiß, eine
bindende Zusicherung der Aufhebung des Ordens
vor der Wahl nicht gegeben. Bei einem der-
artigen Versprechen würde man ihm übrigens
später noch ganz anders zugesetzt haben. Denn
kaum saß Klemens XIV. auf dem Throne, als ein
neuer Sturm aller bourbonischen Höfe gegen den
verhaßten Orden losging. Klemens besaß nicht
die unüberwindliche Willensstärke seines Vor-
gängers; er war vielmehr furchtsamen Gemütes
und suchte entschiedenem Kampfe auszuweichen.
Darum folgten bald halbe Zugeständnisse, deren
Konsequenzen er durch Zögern entgehen zu können
wähnte (val. unter andern den Brief des Papstes
an Karl III. vom 30. Nov. 1769). Als aber der
bisherige spanische Gesandte Azpuru durch den
ebenso gewandten und schlauen als gewalttätigen
Monino (späteren Grafen von Florida-Blanca)
im Juli 1772 ersetzt worden war und dieser mit