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kann z. B. eine Veräußerung erfolgen. Das In-
stitut, dessen landesrechtliche Reglung das B.G.B.
beibehält (Art. 59 des Einf. Ges.), ist im Schwin-
den begriffen; es findet sich vorwiegend noch in
Hannover. Beim hohen Adel sind die meisten
Stammgüter in Hausgüter, beim niedern Adel
in Fideikommisse umgewandelt worden. — In
Baden werden Stammgüter und Fideikommisse
(Ausf. Ges. zum B. G.B. Art. 36 rechtlich nicht
auseinander gehalten. Das badische Recht gilt
für den hohen („Herrenstand“") und niedern Adel
(„Ritterstand“). Der hohe Adel ist hier also hin-
sichtlich autonomer Satzungen beschränkter als
anderwärts; nichtadlige Familien sind von der
Stammgutsbildung ausgeschlossen.
3. Würdigung; Reformbestrebungen.
Das Fideikommiß soll den Zusammenhang ver-
gangener und künftiger Geschlechter in sichtbarer
Weise vermitteln und den Vermögensstand in einer
Familie sichern. Es soll reiche, vorwiegend alt-
eingesessene, mit den Interessen einer Gegend ver-
wachsene Familien zu Bewahrerinnen gesunder
Überlieferungen machen und geeignete Pflanz-
stätten schaffen für wirtschaftlich unabhängige
Männer, die berufen sind zur selbstlosen Über-
nahme öffentlicher Funktionen, zur Ubernahme von
Pflichten und Aufgaben im Interesse sozialen und
nationalen Wirkens. Die Fideikommisse bilden ein
gewisses Gegengewicht gegen die aus der zunehmen-
den Mobilisierung des Grundbesitzes und der groß-
kapitalistischen Machtentfaltung doch unverkennbar
erwachsenen Schäden, sie sind ein konservatives
Moment in unserer alles nivellierenden, mit alter
Sitte und Tradition brechenden Zeit. Aus rein
wirtschaftlichen Gründen kann man eine Berech-
tigung der Fideikommisse wohl nur insoweit be-
gründen, als es sich um großen Waldbesitz handelt.
Weil die Früchte der Arbeit des Forstmanns erst
spätere Generationen ernten, kommt die Forstwirt-
schaft außer für den Staats= und Kommunalbesitz
vorwiegend für den gebundenen Privatbesitz in
Betracht. Der landwirtschaftliche Großgrundbesitz
kann seine Vorzüge gegenüber dem Mittel= und
Kleinbetrieb, seine ökonomisch-technische Uberlegen-
heit, seine Aufgabe als Bahnbrecher für rationellere
Betriebsweisen auch ohne fideikommissarische Bin-
dung zur Geltung bringen.
Die Nachteile der Fideikommisse liegen vor
allem darin, daß sie der Latifundienbildung Vor-
schub leisten und das Emporkommen eines gesunden,
selbständigen Bauernstandes hintanhalten kön-
nen. Gerade in unserer Zeit treten diese Schäden
deutlich zutage. Heute schreiten nicht so sehr Fami-
lien von nationalem und sozialem Verdienst zur
Fideikommißgründung, sondern vorwiegend groß-
kapitalistische Kreise wollen durch den Aufkauf
von Grundbesitz und die Bildung von Rittergütern,
die nur zu oft den Charakter von Luxusgütern an-
nehmen, ihrer sozialen Stellung mehr Glanz ver-
leihen, ihrer Familie einen altaristokratischen Nim-
bus geben. Wie die Statistik zeigt, ist in Preußen
Familienfideikommiß.
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erst seit 1850 die Hälfte der heute bestehenden
Fideikommißfläche gebunden worden; seit etwa
1900 hat die Zunahme einen fast beängstigenden
Umfang angenommen. Eine solche Ausdehnung
der Fideikommißgüter beschränkt aber nicht allein
die Gelegenheit zum Erwerb von Grundbesitz sei-
tens tüchtiger Landwirte, sie kann auch die Inter-
essen des Gemeinwohles sehr gefährden, besonders
wenn mit dem Grundbesitz noch große Geldkapi-
talien verbunden sind, die stiftungsgemäß immer
wieder in Grundbesitz angelegt sind.
Eine Umgestaltung derbestehenden Gesetzgebung
wird deshalb schon lange erstrebt. In dem von
der preußischen Regierung im Jahre 1903 ver-
öffentlichten Gesetzentwurf haben jedoch nicht alle
Reformideen Berücksichtigung gefunden.
Um eine zu weite Ausbreitung des gebundenen
Grundbesitzes zu verhindern, will der Entwurf die
Güter mittleren Umfangs von der Fideikommiß-
bildung möglichst ausschließen; er bestimmt des-
halb, daß ein Fideikommiß einen Mindestrein-
gewinn von 10 000 M aus land= und forstwirt-
schaftlichem Grundbesitz nach Abzug aller Jahres-
leistungen (auch die zugunsten der Familienmitglie-
der) aufweisen müsse. Bei voller Schuldenfreiheit
des Besitzes würde dies etwa einem Reinertrag von
12.000 M entsprechen, während derselbe nach dem
geltenden Recht sich nur auf 7500 M zu belaufen
braucht. Was aber nicht minder wichtig wäre,
eine Beschränkung nach oben, die Festsetzung eines
Maximalumfangs, sieht der Entwurf nicht vor.
Weil die Bestimmung einer für alle Landesteile
passenden Höchstfläche mit großen Schwierigkeiten
verbunden wäre, will der Entwurf die Errichtung
eines Fideikommisses von der königlichen Genehmi-
gung abhängig machen. Dabei wird aber über-
sehen, daß der König im Einzelfall der Infor-
mierung seiner Ratgeber bedarf und allzuleicht
parteipolitische und persönliche Rücksichten, nicht
volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, den Ausschlag
geben können. Teils wird nur für die Genehmigung
eine besondere etwa für jede Provinz geschaffene
Fideikommißbehörde in Vorschlag gebracht, teils
tritt man dafür ein, daß für die einzelnen Bezirke
(Provinzen, Kreise) eine gesetzliche Festlegung des
Höchstumfangs für das dem Verkehr entzogene
landwirtschaftliche Areal (nicht auch die Forstfläche)
erfolgen soll.
Die günstige Beurteilung der Fideikommisse
trifft nur auf die land= und forstwirtschaftlichen
Bindungen zu. Die städtischen Grund= und
Hausfideikommisse sollen nicht von Grund aus
bekämpft werden, die oben erwähnten nationalen
und sozialen Gesichtspunkte können ebenso die
Bildung eines städtischen Patriziats wie einer
Landaristokratie erheischen; doch wird im Interesse
einer gesunden städtischen Bodenpolitik der in
privaten Händen befindliche gebundene städtische
Grund= und Hausbesitz auf ein Minimum zu be-
schränken sein. Nach dem preußischen Entwurf
kann die Bindung städtischen Besitzes nur in Ver-