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steuer) und bezüglich des Diensteinkommens da,
wo dies vor dem 11. März 1850 bestand (Ges.
vom 21. Mai 1861, 83, 4; 8 61 der Land-
gemeindeordnungen vom 30. Mai 1853 und
19. März 1856; § 10 des Ges. vom 11. Juli 1822;
8 4 der Städteordnung vom selben Tage). Nach-
dem durch Gesetz vom 14. Juli 1893 der preußische
Staat die Realsteuer den Gemeinden überlassen
hat, genießen die Geistlichen auch diesen gegen-
über dieselbe Steuerfreiheit. Diese Befreiungen
kommen auch den emeritierten Geistlichen zu (Entsch.
des Oberverwaltungsgerichtshofs vom 14. März
1885). In Bayern sind die Pfründe-Inhaber
von Grund= und Haussteuer sowie von Ge-
meinde-, Distrikts= und Kreisumlagen insoweit
befreit, als ihr Einkommen die Congrua nicht er-
reicht (s. Näheres bei Silbernagl, Verfassungl19001
124 f). Ahnliche Bestimmungen bestehen in den
übrigen Staaten des Deutschen Reichs.
Auch in Österreich können Geistliche nicht
zur Übernahme einer Vormundschaft gezwungen
werden (Allgem. B.G.B. 88 195, 281). Dasselbe
gilt bezüglich der Gemeindevertretung und des Ge-
schworenenamtes (Ges. vom 23. Mai 1873, § 3).
Bezüglich der Militärpflicht genießen alle Priester
sowie die Kandidaten des geistlichen Standes und
die Novizen eines geistlichen Ordens weitgehende
Begünstigungen (Wehrges. vom 11. April 1889,
Nr 41, § 31). Ebenso bestehen bezüglich der
Steuern Befreiungen. So sind von der Gebäude=
steuer befreit die Kirchen, die Pfarrgebäude, die
Wohngebäude der Bischöfe, die Klostergebäude der
Mendikanten (Hofdekrete vom 24. Juli 1820, vom
18. Sept. 1827, vom 20. Mai 1835, vom 27.Okt.
1829, vom 13. Mai 1830). Von der Einkommen-
steuer blieben frei die den Mendikantenklöstern,
den Orden, welche dem Unterrichte, der Erziehung
oder Krankenpflege obliegen, den Schulen und
Wohltätigkeitsanstalten aus dem Staatsschatze,
öffentlichen Fonden oder von Gemeinden gewährten
Bezüge (s. Näheres bei Mayrhofer, Handbuch für
den polit. Verwaltungsdienst II (5. Aufl., besorgt
von Graf A. Pace, Wien 1895/19011 496 ff,
825, 826; VII 788, 789; Groß, Kirchenrecht
15. Aufl., besorgt von P. A. Leder, 1907)).
Literatur. Kolb, Aquila certans pro im-
munitate (1687); Fattoli, Theatrum immunitatis
et libert. eccl. (1714); Mascambrone, Degli asili
de’ cristiani (1731); Bulmerincq, Das Asylrecht
u. die Auslieferung flüchtiger Verbrecher (1853);
Dann, über den Ursprung des Asylrechts u. dessen
Schicksale u. überreste in Europa, in Zeitschrift für
deutsches Recht III (1840) 327; Grashof im Archiv
für Kirchenrecht XXXVII (1877); Widder, ebd.
I.XXVIII 24 ff; Löning, Gesch. des Kirchenrechts
1317; II 535; Proost, Du droit d’asile religieux
en Belgique; Bindschedler, Kirchl. Asylrecht u.
Freistätten in der Schweiz (1906); Hinschius,
Kirchenrecht I 26, 124, 470; IV 165, 167, 388;
v. Scherer, Kirchenrecht I, §71; Mayrhofer, Hand-
buch für den politischen österr. Verwaltungsdienst
II 61895/1891, bes. von Graf A. Pace); Hollweck,
Die kirchlichen Strafgesetze (1899). Nähere Lite-
Imperialismus.
1364
ratur s. bei Schulte, Gesch, der Quellen u. Litera-
tur III, 2. u. 3. Tl, 3. Kap., wo die Monographien
unter Immunität, Asylrecht usw. zusammengestellt
find. (Heiner.)
Imperialismus. 1. Allgemeine Be-
griffsbestimmung und geschichtliche
Entwicklung. So viel gebraucht dieses Wort
auch ist, so wenig klar und sicher ist die Bestimmung
seines Begriffes. Der Begriff „Imperialismus“
wird in durchaus wechselndem Sinne gebraucht.
Gemeinhin definiert man den Imperialismus als
das Streben nach dem Einfluß auf die Geschicke der
gesamten Kulturwelt, nach Weltherrschaft. Das
typische Beispiel für ein solches imperium war
das römische Reich des Altertums und das heilige
römische Reich deutscher Nation, das sich als
Rechtsnachfolger des ersteren betrachtete. Hierher
gehört auch das empire, das Napoleon I. vor
100 Jahren aufgerichtet. — Der Begriff Impe-
rialismus beruht auf einer Umgestaltung des
Nationalbewußtseins, auf dem Streben, an Stelle
der Nationalität etwas anderes, Weiteres und Un-
bestimmteres zu setzen. Dieses Neue, Weitere, das
an die Stelle des Alten treten soll, ist bei den
einen die Rasse. Das mittelalterliche Kaisertum
hatte an die Traditionen des antiken römischen
Weltreiches angeknüpft. Der Gedanke des Im-
periums ist seit Karl dem Großen herrschend ge-
blieben. Das Kaisertum, das seit Otto I. mit dem
deutschen Königtum verbunden war, hatte einen
internationalen Charakter angenommen, die Kaiser-
politik eine internationale Richtung eingeschlagen;
und wenn auch diese auf Italien gerichtete Politik
der Hohenstaufen eine dauernde Schwächung der
deutschen Königsmacht bedingte, so dürfen wir
doch vom Standpunkt der abendländischen Kultur-
entwicklung diese Verbindung Deutschlands mit
Italien als segensreich bezeichnen für die Förde-
rung des Gemeinsamkeitsbewußtseins in der abend-
ländischen Gesellschaft. Dante wie der hl. Thomas
von Aquin verlangen beide den Weltstaat, die
„Monarchie“, und sie sehen im Kaisertum die
Erfüllung dieses Postulates. Dante stellt im-
perium und sacerdotium als gleichberechtigte
Mächte einander gegenüber, Thomas ordnet da-
gegen das imperium dem sacerdotium unter.
Die weltliche Rechtslehre hat dann Marsilius von
Padua bis zur äußersten Folgerung staatlicher
Omnipotenz gesteigert. Daß das Abendland die
Führung der Weltkultur erhielt, verdankt es dem
Christentum. So erklärt es sich auch, daß die
Kulturgemeinschaft bestehen blieb, als die einzelnen
Nationen sich selbständig entfalteten. Diese Ent-
wicklung, die zur Bildung einer Reihe von Na-
tionalstaaten führte, setzt schon im 13. Jahrh.
ein. Besonders gelingt den französischen Königen
eine feste Zentralisation, die schließlich zum abso-
luten Staate sich entwickelte. Auch in England
führte die Entwicklung im 16. Jahrh. zur ab-
soluten Monarchie. In der gleichen Richtung voll-
zog sich die Bildung des Staates in Spanien. —