Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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exekutiert worden. Nachdem die spanische Inqui- 
sition von Joseph Bonaparte 1808 abgeschafft 
worden, führte sie Ferdinand VII. 1814 noch ein- 
mal ein, bis sie 1820 bzw. 1834 endgültig auf- 
gehoben wurde. 
In den Niederlanden wollte Karl V. bei dem 
Eindringen des Protestantismus 1522 eine reine 
Staatsinquisition einführen, mußte jedoch dem 
Papste nachgeben, der daselbst 1524 päpstliche, 
durch die Regierung vorgeschlagene Inquisitoren 
ernannte, die aber in der Hand der Regierung 
waren. In der Abfallsbewegung der Niederlande 
spielte die Forderung der Abschaffung der Inqui- 
sition und die Milderung der gegen die Ketzer ge- 
richteten „Plakate“ besonders am Anfang eine 
große Rolle. Auf sie einigten sich die Adligen im 
Kompromiß von Breda; sie bildete den Gegen- 
stand der 1566 in Brüssel von den Geusen über- 
reichten Denkschrift, und in der Folge mußte Spa- 
nien hier auf die Inquisition verzichten. — In 
Portugal wurde die Inquisition nach spanischem 
Vorbilde 1557 unter einem vom Könige ernann- 
ten, vom Papste bestätigten Großinquisitor orga- 
nisiert und kam von da aus auch nach Ostindien 
(Goa); aufgehoben wurde sie hier 1821. — In 
Frankreich kam die Inquisition unter Philipp dem 
Schönen besonders gegen die Templer in Anwen- 
dung, und im 16. Jahrh. gegen die Kalvinisten. 
Unter Franz II. erließ der Kanzler de L'Höpital 
das Edikt von Romorantin 1560, durch das 
die Inquisition wieder den Bischöfen übertragen 
wurde. Nur in Toulouse und Carcassonne be- 
standen Inquisitionstribunale noch eine Zeit weiter. 
Der letzte Häretiker wurde 1635 hingerichtet. — 
In England wurden für kurze Zeit die alten Ketzer- 
gesetze unter Maria der Katholischen 1554 gegen 
den Rat des Kardinals Pole und des Spaniers 
del Castro wieder eingeführt, doch sind die Hin- 
richtungen (288 Todesurteile) viel weniger zahl- 
reich gewesen als die der Katholiken unter Elisa- 
beth. Die protestantischen Glaubensneuerer haben 
auch prinzipiell die Todesstrafe für die Ketzer ver- 
treten, wobei ihnen besonders das Alte Testament 
maßgebend war, so Luther, Melanchthon und 
Butzer, Kalvin, der in Genf Servet verbrennen 
ließ, und Theodor von Beza. Gegen die Hin- 
richtung erhoben sich nur wenige Stimmen, nach 
Hus als einer der ersten Sebastian Castellio, der 
die Hinrichtung Servets in der Schrift De hae- 
reticis heftig tadelte (1554). 
An der Kurie wurde eine neue Zentralinstanz 
geschaffen durch die von Paul III. 21. Juli 1542 
ins Leben gerufene, von Sixtus V. 1587 reorga- 
nisierte Kardinalskonkregation der Inquisition: 
Sacra Congregatio Romanae et universalis 
inquisitionis seu Sancti Officli, die anfangs 
aus sechs Kardinälen bestand, während ihre Zahl 
jetzt wechselt. Sie ist das oberste Tribunal in 
Glaubenssachen, und ihre Tätigkeit erstreckt sich 
auf alle Glaubenssachen, bei denen Häresie, Apo- 
stasie, Zauberei, Mißbrauch der Sakramente u. dgl. 
Interdikt — Internationaler Arbeiterschutz. 
  
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in Betracht kommt. Ihre wichtigsten Offizialen 
sind der Commissarius s. officl, der, stets ein 
Dominikaner aus der lombardischen Provinz, den 
Prozeß bis zur endgültigen Entscheidung leitet, 
und der Assessor s. officü#, ein Weltgeistlicher, 
der in den Plenarsitzungen referiert. Consultores 
nati sind der Dominikanergeneral, der Magister 
sacri palatü und der Consultor s. offuicli, eben- 
falls Dominikaner. 
Über das Verfahren der mittelalterlichen J. 
wertvolle Quellen: Bernhard Gui, lat. Guidonis 
O. P. (Inquisitor in Toulouse 1307/23), Practica 
inqduisitionis heretice pravitatis, hrsg. von Douais 
(Par. 1886); Nikolaus Eymericus O. P. (General= 
inquisitor von Aragonien 1357 u. wieder 1366), 
Directorium inquisitorum (Rom 1578); David 
v. Augsburg O. Min., Tractatus de inquisitione 
haereticorum (verf. um 1256), hrsg. von Preger 
in Abhandl. der hist. Klasse der Münchener Aka- 
demie XIV (1878); Wattenbach, Handbuch eines 
Inquisitors in Greifswald (1888 f). — Vgl. ferner 
Döllinger zur Sektengeschichte des Mittelalters 
(2 Bde, 1890); Douais, Documents p. servir à 
Thist. de Inquisition dans le Languedoc au Xllle 
sièche (2 Bde, 1900); Fredericq, Corp. decumen- 
tor. inquisit. neerlandicae (5 Bde, Gent 1889 ff); 
Lea, A History of the Inquisition of the Middle 
Ages (3 Bde, Neuyork 1888, Titelauflage 1900 
u. 1906), ins Franzöfische übersetzt von S. Reinach 
(3 Bde, Par. 1900); von einer sehr mangelhaften 
deutschen übersetzung, bearbeitet von Wieck u. Ra- 
chel, hrsg. von I. Hansen, liegt erst der 1. Bd vor 
(1905); vgl. P. M. Baumgarten, Die Werke von 
Lea (1908); Lea, A History of the Inquisition in 
Spain (4 Bde, Neuyork 1906 f); Rodrigo, Hist. 
verdadera de la Inquisiciön (3 Bde, Madrid 
1876 f); Schäfer, Beiträge zur Gesch. des span. 
Protestantismus u. der J. des 16. Jahrh. (3 Bde, 
1902); derf., Die älteste Instruktionensammlung 
der J., im Archiv für Reformationsgesch. 1904/05; 
Fredericq, Gesch. der Inquisitie in de Nederlande 
(2 Bde, Gent 1892/98); J. T. Medina, Hist. del 
Tribunal del S. Oficio de la Inquisiciôn en Mé- 
rico (Santiago 1905); Ribbeck, Beiträge zur Ge- 
schichte der J. in Deutschland (1888); Haupt, 
Waldensertum u. J. (1890); Henner, Beiträge zur 
Organisation u. Kompetenz der päpstl. Ketzergerichte 
(1890); Molinier, L'Inquisition dans le midi de 
la France au XIIIe et XIVe siecles (Par. 1880); 
Tanon, Hist. des tribunaux de I’Inquisition en 
France (ebd. 1893); Douais, L'Inquisition, ses 
origines, sa procédure (ebd. (1906); Vacandard, 
L'Inquisition (ebd. 1907); Th. de Cauzons, Hist. 
de Plnquisition en France I1 (ebd. 1909). 
G. Schnürer.) 
Interdikt s. Kirchenstrafen. 
Internationaler Arbeiterschutz. Auf 
zwei Wegen kann der Arbeiterschutz eine inter- 
nationale Reglung (s. Arbeiterschutzgesetzgebung 
B-Bd I1, Sp.316) finden: durch Vertragsabschlüsse 
zwischen Staaten mit Industrien, die auf dem 
Weltmarkte konkurrieren, über ein gewisses Mini- 
mum von Arbeitergesetzgebung; sodann durch 
private Vereinigungen, die sich international zu- 
sammenschließen mit der Aufgabe, innerhalb der 
heimischen Länder in gleichmäßigem, energischem
	        
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