Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Niederlanden, Portugal, Rumänien, Schweden, 
der Schweiz und teilweise von Spanien, aber 
nur für die europäischen Gebiete dieser Länder. 
Eine Reihe von noch nicht für spruchreif erachteten 
Fragen wurde einer späteren Konferenz über- 
wiesen. — Daß in derartigen Staatsverträgen 
nur das durch Konzessionen und Kompromisse 
zwischen den vertragschließenden Staaten praktisch 
Erreichbare niedergelegt werden kann, ist selbst- 
verständlich. Theoretisch sind daher ihre Ergebnisse 
auch wohl nicht selten sehr anfechtbar. Gerade 
deshalb bleibt auch für die Zukunft die Rechts- 
wissenschaft die wichtigste Erkenntnisquelle des 
internationalen Privatrechts, welche auf einen 
allmählichen Ausbau des positiven internationalen 
Privatrechts Bedacht zu nehmen und denselben 
möglichst zu beeinflussen hat. 
Hervorzuheben sind hier die Verdienste des In- 
stitut de droit international, einer privaten 
Vereinigung, um die theoretische Entwicklung des 
internationalen Rechts. Eine wesentliche Stütze 
findet die Lehre in der vergleichenden Rechtswissen- 
schaft, welche die statistische Grundlage für die 
Entscheidung darbietet. Ein „Weltrecht“ würde 
für das internationale Privatrecht keinen Raum 
lassen; aber wenn auch auf vielfachen Gebieten 
des Rechts, besonders im Handels-, Wechsel= und 
Konkursrecht (man denke an das Frachtrecht, die 
Konventionen über den Schut des geistigen Eigen- 
tums, über Firmen= und Markenschutz), bis zu 
einem gewissen Grade für weite Staatengebiete 
Rechtsgleichheit herbeigeführt wird, so bleibt ein 
Weltrecht dennoch eine Utopie, welche nicht einmal 
ein anzustrebendes Ziel bietet, da Freiheit der Be- 
wegung, namentlich Berücksichtigung seiner eigen- 
artigen Verhältnisse, für jeden Staat eine not- 
wendige Bedingung des Kulturfortschrittes bildet. 
Was die Stellung des internationalen Pri- 
vatrechts im Systeme der Rechtswissenschaft be- 
trifft, so erscheint dasselbe nach den von ihm be- 
handelten Materien zumeist als ein Teil des posi- 
tiven Privatrechts der einzelnen Staaten; seine 
Grundlagen aber liegen im Völkerrechte, da es sich 
um Auffindung der Grenzen der einzelnen Souve- 
ränitäten im völkerrechtlichen Verkehre des Privat= 
rechts handelt. Daß auch staatsrechtliche Fragen, 
insbesondere die Staatsangehörigkeit, eine große 
Rolle spielen, ist an sich klar. So bildet das inter- 
nationale Privatrecht nach richtiger Anschauung 
ob seiner Eigenart eine Disziplin für sich. Mit 
dem internationalen Verkehre wächst auch seine Be- 
deutung, welche nunmehr auch in Deutschland und 
Osterreich immer mehr anerkannt wird. 
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen über inter- 
nationales Privatrecht finden auf jene Fälle keine 
Anwendung, welche sich vor ihrem Erlaß zuge- 
tragen haben; denn jeglicher Tatbestand muß be- 
reits bei seinem Entstehen vom materiellen Rechte 
erfaßt sein, zu dessen Bestimmung aber die Aus- 
wahl des anzuwendenden Rechts gleichfalls nach 
dem zur Zeit der Entstehung des Tatbestandes 
Internationales Privatrecht. 
  
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geltenden Rechte erfolgt sein muß. Daher hat das 
Folgende, welches als Ergebnis der Wissenschaft 
und Praxis zur Beleuchtung des Voraufgeführten 
hier Erwähnung finden soll, auch jetzt noch nach 
der teilweise erfolgten gesetzlichen Reglung nicht 
bloß theoretische Bedeutung. Bemerkt sei hierbei, 
daß für das Personalstatut nach Savigny das 
Recht des Wohnsitzes, nach der neueren Theorie 
der italienisch-französischen Schule das Recht der 
Staatsangehörigkeit entscheiden soll, eventuell das 
Recht der Heimatgemeinde. 
Das Personalstatut wird als maßgebend er- 
achtet für die Frage der Rechtsfähigkeit und Hand- 
lungsfähigkeit einer Person, sodann nach einer 
ansicht auch für die Rechtsverhältnisse an beweg- 
lichen Sachen; die Wechselfähigkeit des Auslän- 
ders richtet sich nach der deutschen Wechselordnung 
nach dem Rechte des Heimatstaates. Die Form 
der Eheschließung wird bemessen nach den Nor- 
men des Eheschließungsortes; die Ehehindernisse 
regelt das Personalstatut der beiden Verlobten. 
Für die Wirkungen der abgeschlossenen Ehe ist hin- 
sichtlich der persönlichen Fragen zu sehen auf das 
Personalstatut des Mannes als des Hauptes der 
Ehe;z hinsichtlich des ehelichen Güterrechts findet 
das Recht des ersten Ehedomizils Anwendung. 
Die Ehescheidung wird beurteilt nach dem Gesetze 
des Gerichtes der Klage oder nach dem Personal- 
statut der Ehe. Das Personalstatut des Vaters 
bzw. der unehelichen Mutter entscheidet für das 
Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, das 
des Mündels für das Recht der Vormundschaft. 
Für die Erbfolge gilt das Personalstatut des Erb- 
lassers. Für Rechtsverhältnisse an unbeweglichen 
Sachen ist das Recht des Ortes, an welchem die 
Sache liege, unbestritten zuständig; für bewegliche 
Sachen ist dies bestritten. Bei den Obligationen 
ist die alte Streitfrage noch ungelöst, ob dem Rechte 
am Orte der Erfüllung der Vorzug zu geben sei 
vor dem Rechte am Orte des Vertragsschlusses; 
einig ist man darüber, daß bei Deliktsobligationen 
der Ort des Deliktes den Ausschlag gibt. Die 
Form der Rechtsgeschäfte richtet sich nach dem 
Rechte des Errichtungsortes (locus regit actum); 
als genügend gilt auch die Wahrung der Formen 
desjenigen Rechtsgebietes, für welches das Rechts- 
geschäft zu wirken bestimmt ist. 
Literatur. Stoerk, Lit. des internat. Rechts; 
Neumann, Literaturbericht, in Beiträgen zur Er- 
läuterung des deutschen Rechts, 1898, 189fs; 
v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts 
VIII (1849); Gierke, Deutsches Privatrecht 1 209f; 
Laurent, Le droit international privé (8 Bde, 
1880/82); Asser, Das internat. Privatrecht, deutsch 
von Cohn (1880), französ. von Rivier (1884); 
Westlake, A Treatise on Private InternationalLaw 
(31890), deutsch von Holtzendorff (1884); ders., 
International Law 1 (Lond. 1904); Brocher, Cours 
de droit international privé (1882/85); Fiore, 
Diritto internazionale privato (21884), franzöfs. 
übersetzt von Pradier-Fodere (1875); Contuzzi, 
Diritto internazionale privato (1890); Calvo,
	        
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