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aus dieser Kategorie ernannt), aus den Mitgliedern
der Deputiertenkammer nach sechsjähriger Mit-
gliedschaft, aus den Ministern und höheren Be-
amten, den Mitgliedern der Akademie der Wissen-
schaften (und anderer Akademien), den Generalen
des Heeres und der Marine nach einer bestimmten
Zahl von Dienstjahren, endlich aus sonstigen, durch
hervorragende Dienste um das Vaterland Ver-
dienten und den höchsten Steuerträgern. In
Wirklichkeit besteht der Senat gegenwärtig nur
aus hohen Zivil= und Militärbeamten, aus frühe-
ren Deputierten und aus Universitätsprofesso-
ren. Die Zahl der Senatoren ist unbeschränkt
(Juli 1908: 318). Der vom Könige ernannte
Senator wird erst durch die Zustimmung des
Senates wirkliches Mitglied der Körperschaft;
tatsächlich hat der Senat schon zu wiederholten
Malen diese Zustimmung versagt. — Die Depu-
tiertenkammer zählt 508 Abgeordnete, welche in
ebensoviel Wahlkollegien durch das Listenskrutinium
auf die Dauer von 5 Jahren gewählt werden. Das
aktive Wahlrecht hat jeder männliche italienische
Staatsangehörige, der bürgerliche Rechte besitzt,
das 21. Lebensjahr zurückgelegt hat, schreiben und
lesen kann, eine gewisse Bildung oder ein bestimmtes
Vermögen bzw. Einkommen nachweist. Bei Per-
sonen italienischer Nationalität genügt für die Er-
werbung der Naturalisation ein königliches Dekret,
während bei Personen anderer Nationalität ein
Gesetz erforderlich ist. Als Bildungsnachweis ge-
nügt die erfolgreich bestandene, vorgeschriebene
Prüfung über die Gegenstände des obligatorischen
Elementarunterrichts. Befreit davon sind Per-
sonen auf Grund der von ihnen bekleideten Amter
und Stellungen oder des von ihnen durchgemachten
Bildungsgrades. Dazu gehören alle jene, welche
eine Hochschule oder eine Mittelschule absolviert
oder mindestens die erste Klasse einer solchen mit
Erfolg besucht haben, ferner solche, die mindestens
zwei Jahre im Heere gedient und mit gutem Er-
folge die Regimentsschule besucht haben; ferner die
miteiner Verdienstmedaille Dekorierten, die um das
öffentliche Wohl besonders verdienten Personen, alle
aktiven und quieszierten Staats-, Provinzial= und
Gemeindebeamten, Mitglieder von Akademien und
Handelskammern, alle Lehrer öffentlicher oder mit
dem Offentlichkeitsrecht ausgestatteter Bildungs-
anstalten, die Beamten der öffentlichen Geld= und
Gewerbeinstitute, der Eisenbahnen, Schiffahrts-
und Versicherungsanstalten. Auf Grund von Ver-
mögen oder Einkommen haben auch ohne diesen
Bildungsnachweis das aktive Wahlrecht alle die-
jenigen, welche jährlich an direkten Staatssteuern
19,8 Lire zahlen, die Pächter ländlicher Grund-
stücke, die diese selbst bewirtschaften und 500 Lire
Pachtzins zahlen, die Pächter, welche ein mit
mindestens 80 Lire jährlicher direkter Staatssteuer
belastetes Grundstück bearbeiten, endlich jene,
welche eine für die einzelnen Gemeinden nach der
Einwohnerzahl verschieden normierte Summe
(150—400 Kire) für ihre Wohnung oder für
Italien.
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Arbeits= und Verkaufslokalitäten zahlen. Die
Wahllisten sind permanent und werden alle Jahre
revidiert. Der Wähler kann sein Wahlrecht nur
in seinem politischen Domizil, d. h. an dem Orte,
wo er mindestens sechs Monate gewohnt hat, aus-
üben. Die Abstimmung ist geheim und persönlich.
Die Anteilnahme an den Wahlen ist den Katho-
liken durch Verbot des Papstes Pius IX. vom
29. Febr. 1868 (Non expedit) untersagt. Das
Verbotsteht noch in Kraft, wenn auch unter Pius X.
in bestimmten Fällen (bei den Wahlen 1904 und
1909) davon dispensiert wurde; die Beteiligung
an den Stadtverordneten= und Provinzialrats-
wahlen ist dagegen den Katholiken freigestellt und
von Pius IX. 1876 ausdrücklich gutgeheißen
worden (ogl. den Art. Kirchenstaat).
Wählbar sind mit den unten angeführten
Beschränkungen alle Wähler, welche das 30. Lebens-
jahr zurückgelegt haben. Diejenigen Personen,
die wegen strafgerichtlicher Verurteilung, Ent-
mündigung, Konkurs oder Genuß von Armenunter-
stützung nicht das aktive Wahlrecht haben, sind auch
nicht wählbar. Von der Wählbarkeit ausgeschlossen
sind ferner die Seelsorgsgeistlichen und im all-
gemeinen die Angestellten und Funktionäre des
Staates, der Zivilliste, der Großmeisterei des
hl. Mauritius, der vom Staate unterstützten höheren
Schulen; doch sind wählbar Minister, Unterstaats-
sekretäre, Staatsräte, höhere Offiziere, Hochschul-
professoren und einige andere höhere Beamte. Die
Staatsfunktionäre und Beamten dürfen in der
Kammer die Zahl 40 nicht überschreiten; ist dies
der Fall, so tritt Auslosung ein. Nicht wählbar
sind ferner die sindaci (Bürgermeister), die Pro-
vinzialdeputierten und Beamten von staatlich sub-
ventionierten Gesellschaften. Die Folge dieser
Ausschließungsbestimmungen ist eine unverhältnis-
mäßig starke Vertretung des Advokatenstandes in
der Kammer (meist ein Drittel aller Abgeordneten).
Die Prüfung der Gültigkeit der Wahl wird von
der Kammer selbst vorgenommen. Der König ruft
die Kammern jedes Jahr zusammen. Der Präsident
der Deputiertenkammer wird von dieser selbst ge-
wählt, jener des Senates vom Könige ernannt.
Die Initiative in den Gesetzesvorschlägen haben
sowohl der König als die beiden Kammern selbst;
ein von einer dieser drei Autoritäten verworfener
Vorschlag kann in derselben Session nicht wieder-
holt werden. Senatoren und Deputierte sind für
ihre Außerungen und Abstimmungen in der
Kammer nicht verantwortlich; weder Senatoren
noch Deputierte erhalten für die Ausübung ihres
Mandates eine Entschädigung (außer der faktisch
bestehenden Reisefreiheit), wodurch die Wählbarkeit
tatsächlich an einen ziemlich hohen Zensus geknüpft
ist; dazu treten noch die Wahlauslagen der Kandi-
daten, die 20—25.000 Lire, bei heftigen Wahl-
kämpfen noch mehr betragen. Die Deputierten-
kammer kann die Minister in den Anklagezustand
versetzen, in welchem Falle der Senat als Staats-
gerichtshof das Urteil fällt. Ein schwerer Übelstand