Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1493 
schulen und Kunststudien. — Lokale Unterrichts- 
behörden sind: der Präfekt, der die oberste Leitung 
des Schulwesens in der Provinz hat; an jedem 
Hauptorte der Provinz ist ferner ein Provisor 
(provveditore) für klassische und technische Se- 
kundärschulen und ein Schulrat, dessen Mitglieder 
zur Hälfte von der Regierung ernannt, zur Hälfte 
vom Provinzialrate und vom Gemeinderate des 
Provinzhauptortes gewählt werden. Eine Aus- 
nahmestellung genießen die Universitäten, deren 
Lokalbehörde der vom Könige auf Vorschlag des 
Professorenkollegiums ernannte Rektor im Vereine 
mit dem akademischen Rate ist. — Es gibt 21 Uni- 
versitäten, 17 staatliche und 4 freie, von Provinzen 
und Gemeinden erhaltene (Camerino, Urbino, 
Ferrara, Perugia), ferner 3 Universitätskurse an 
den Lyzeen von Aquila, Bari und Catanzaro. 
Universitäten ersten Ranges sind Neapel, Turin, 
Rom, Padua, Palermo, Pavia, Bologna und 
Pisfa. Nur die juristische Fakultät besteht an allen 
Universitäten, manche besitzen nur 3 oder 2, Ma- 
cerata nur 1 Fakultät. Dazu kommen zahlreiche, 
im Universitätsrange stehende Hochschulen, Fach- 
schulen und Institute: die kirchlichen Lehranstalten 
in Rom (Gregorianische Universität, Germani- 
kum, Accademia dei nobili ecclesiastici, Kol- 
legien verschiedener Orden usw.), die Priester- 
seminare der Diözesen, von denen die kleineren 
nach und nach zusammengelegt werden sollen, die 
Accademia scientifico-letteraria in Mailand, 
das Istituto di studii superiori in Florenz (für 
Philosophie, Literatur, Physikund Naturgeschichte), 
das Istituto tecnico superiore in Mailand, die 
2 Polytechniken von Turin und Neapel, die 2 In- 
genieurschulen von Rom und Bologna, das In- 
stitut für Sozialwissenschaften in Florenz, das 
italienische Industriemuseum in Turin, das orien- 
talische Institut in Neapel, die Seuola normale 
superiore in Pisa zur Heranbildung von Mittel- 
schullehrern, die 3 Veterinärschulen (Mailand, 
Neapel und Turin; außerdem an 6 Universitäten), 
die 2 Hochschulen für Ackerbau (in Mailand und 
Portici), das höhere Ackerbauversuchsinstitut in 
Perugia, die Hochschule für Forstwesen in Valom- 
brosa, die Hochschule für Schiffsbau in Genua, 
die Handelsuniversität Luigi Bocconi in Mailand, 
3 Handelshochschulen (Genua, Venedig, Bari) und 
2 Meisterschulen für Frauen (Florenz und Rom). 
Zur Vorbereitung für den Unterricht an Mittel- 
schulen bestehen an den meisten Universitäten sog. 
Meisterschulen in Verbindung mitderphilosophisch- 
literarischen und mit der mathematisch-naturwissen- 
schaftlichen Fakultät. — Der klassische Sekundär- 
unterricht ist in 2 Stufen geschieden; fünfklassige 
Gymnasien und dreiklassige Lyzeen (Obergymna- 
sien); so auch der technische Unterricht: technische 
Schulen (untere Stufe) und technische Institute 
-— Oberrealschulen (3 Jahre). Letztere Schulen 
sollen jene heranbilden, die sich der Industrie, dem 
Handel oder jenen (unteren) Zweigen der Staats- 
verwaltung widmen wollen, für welche keine juri- 
  
Italien. 
  
1494 
stischen Studien verlangt werden. Die Gymnasien 
und Lyzeen sind Staats--, Kommunal-, Stifts-oder 
bischöfliche Schulen. 1906 gab es: 284 staatliche 
und diesen gleichgestellte Gymnasien mit 34200 
Schülern (außerdem an 450 andere Gymnasien), 
159 staatliche Lyzeen mit 13 800 Schülern und 
etwa 280 private mit oder ohne Offentlichkeits- 
recht; 298 technische Schulen (— Unterrealschulen) 
mit 55 600 Schülern; 73 technische Institute mit 
13 800 Schülern. Dazu kommen 34 Ackerbau- 
schulen mit 1890 Schülern, 3 Bergbauschulen, 
737 Handels= und Gewerbeschulen (310 vom 
Staate unterhalten), 26 Kunstschulen und Institute 
(wovon die Hälfte staatlich), 53 Musikschulen und 
konservatorien (5 staatlich), 19 nautische Schulen, 
11 Militärschulen (2 Kollegien, 1 Akademie und 
Kriegsschule in Turin usw.), 1 Marineakademie 
in Livorno, 1 Schiffsmaschinistenschule in Venedig. 
Lehrer= und Lehrerinnenbildungsanstalten 
(scuole normali) bestanden 1902: 32 bzw. 117 
mit 1329 Schülern und 190040 Schülerinnen; 
an höheren Mädchenschulen 233 mit 9347 Schü- 
lerinnen. Mit zahlreichen Anstalten sind staatliche 
Konvikte verbunden, für deren Schüler Vorberei- 
tungsschulen bestehen. 1906 gab es 43 staatliche 
Knabenkonvikte (4200 Schüler) und 8 Mädchen- 
konvikte (600 Schülerinnen), ferner (1907) 1424 
nichtstaatliche, meist (zwei Drittel) von geistlichen 
Genossenschaften geleitete Mädchenkonvikte mit 
41 200 Schülerinnen. 
Der Unterricht in den Volksschulen, der unent- 
geltlich ist, dauert 3 bis 5 Jahre. Jede Gemeinde 
soll eine Volksschule von wenigstens 3 Jahrgängen, 
Gemeinden von mehr als 4000 Seelen eine von 
5 Jahrgängen erhalten (Gesetz von 1859). Nach 
diesem Gesetze sollen die Kinder vom 6. bis 12. Jahre 
die Schule besuchen. Da aber dieses Gesetz in den 
meisten Dorfgemeinden nicht durchgeführt wurde, 
so ordnete das Gesetz von 1877 an, daß die Kinder 
wenigstens vom 6. bis 9. Jahre die Schule be- 
suchen sollen. Die Anstellung der Lehrer ist ein 
Recht der Gemeindebehörden. Da die Ausführung 
der an sich guten Gesetze den Gemeindebehörden 
anvertraut ist, die dem Unterricht oftmals nicht 
günstig gesinnt sind, steht die Volksbildung in 
Italien noch immer auf einer ziemlich niedrigen 
Stufe, wenn auch auf diesem Gebiete seit 20 Jah- 
ren ein bedeutender Fortschritt zu verzeichnen 
ist. Im Jahre 1902 bestanden 61777 Volks- 
schulen (darunter 8518 private) mit 66 637 Lehr- 
kräften und 2 733 349 Schülern (im Jahre 
1881: 54 192 Schulen mit 55 967 Lehrkräften 
und 2279090 Schülern). Die Volksbildung 
nimmt von Norden nach Süden stetig ab. Günstig 
wirken auf die Bildung des Volkes die Regiments- 
chulen. Die Zahl der Analphabeten betrug 1872 
73% der Bevölkerung, 1882: 67,3%4, 1901 
noch 56 % Am größten ist sie in Kalabrien 
(78,7 %), Basilicata (75,4), Sizilien (70,9), 
Apulien (69,5), in den Abruzzen (69,8) und 
Kampanien (65,1), am geringsten in Piemont 
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