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schulen und Kunststudien. — Lokale Unterrichts-
behörden sind: der Präfekt, der die oberste Leitung
des Schulwesens in der Provinz hat; an jedem
Hauptorte der Provinz ist ferner ein Provisor
(provveditore) für klassische und technische Se-
kundärschulen und ein Schulrat, dessen Mitglieder
zur Hälfte von der Regierung ernannt, zur Hälfte
vom Provinzialrate und vom Gemeinderate des
Provinzhauptortes gewählt werden. Eine Aus-
nahmestellung genießen die Universitäten, deren
Lokalbehörde der vom Könige auf Vorschlag des
Professorenkollegiums ernannte Rektor im Vereine
mit dem akademischen Rate ist. — Es gibt 21 Uni-
versitäten, 17 staatliche und 4 freie, von Provinzen
und Gemeinden erhaltene (Camerino, Urbino,
Ferrara, Perugia), ferner 3 Universitätskurse an
den Lyzeen von Aquila, Bari und Catanzaro.
Universitäten ersten Ranges sind Neapel, Turin,
Rom, Padua, Palermo, Pavia, Bologna und
Pisfa. Nur die juristische Fakultät besteht an allen
Universitäten, manche besitzen nur 3 oder 2, Ma-
cerata nur 1 Fakultät. Dazu kommen zahlreiche,
im Universitätsrange stehende Hochschulen, Fach-
schulen und Institute: die kirchlichen Lehranstalten
in Rom (Gregorianische Universität, Germani-
kum, Accademia dei nobili ecclesiastici, Kol-
legien verschiedener Orden usw.), die Priester-
seminare der Diözesen, von denen die kleineren
nach und nach zusammengelegt werden sollen, die
Accademia scientifico-letteraria in Mailand,
das Istituto di studii superiori in Florenz (für
Philosophie, Literatur, Physikund Naturgeschichte),
das Istituto tecnico superiore in Mailand, die
2 Polytechniken von Turin und Neapel, die 2 In-
genieurschulen von Rom und Bologna, das In-
stitut für Sozialwissenschaften in Florenz, das
italienische Industriemuseum in Turin, das orien-
talische Institut in Neapel, die Seuola normale
superiore in Pisa zur Heranbildung von Mittel-
schullehrern, die 3 Veterinärschulen (Mailand,
Neapel und Turin; außerdem an 6 Universitäten),
die 2 Hochschulen für Ackerbau (in Mailand und
Portici), das höhere Ackerbauversuchsinstitut in
Perugia, die Hochschule für Forstwesen in Valom-
brosa, die Hochschule für Schiffsbau in Genua,
die Handelsuniversität Luigi Bocconi in Mailand,
3 Handelshochschulen (Genua, Venedig, Bari) und
2 Meisterschulen für Frauen (Florenz und Rom).
Zur Vorbereitung für den Unterricht an Mittel-
schulen bestehen an den meisten Universitäten sog.
Meisterschulen in Verbindung mitderphilosophisch-
literarischen und mit der mathematisch-naturwissen-
schaftlichen Fakultät. — Der klassische Sekundär-
unterricht ist in 2 Stufen geschieden; fünfklassige
Gymnasien und dreiklassige Lyzeen (Obergymna-
sien); so auch der technische Unterricht: technische
Schulen (untere Stufe) und technische Institute
-— Oberrealschulen (3 Jahre). Letztere Schulen
sollen jene heranbilden, die sich der Industrie, dem
Handel oder jenen (unteren) Zweigen der Staats-
verwaltung widmen wollen, für welche keine juri-
Italien.
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stischen Studien verlangt werden. Die Gymnasien
und Lyzeen sind Staats--, Kommunal-, Stifts-oder
bischöfliche Schulen. 1906 gab es: 284 staatliche
und diesen gleichgestellte Gymnasien mit 34200
Schülern (außerdem an 450 andere Gymnasien),
159 staatliche Lyzeen mit 13 800 Schülern und
etwa 280 private mit oder ohne Offentlichkeits-
recht; 298 technische Schulen (— Unterrealschulen)
mit 55 600 Schülern; 73 technische Institute mit
13 800 Schülern. Dazu kommen 34 Ackerbau-
schulen mit 1890 Schülern, 3 Bergbauschulen,
737 Handels= und Gewerbeschulen (310 vom
Staate unterhalten), 26 Kunstschulen und Institute
(wovon die Hälfte staatlich), 53 Musikschulen und
konservatorien (5 staatlich), 19 nautische Schulen,
11 Militärschulen (2 Kollegien, 1 Akademie und
Kriegsschule in Turin usw.), 1 Marineakademie
in Livorno, 1 Schiffsmaschinistenschule in Venedig.
Lehrer= und Lehrerinnenbildungsanstalten
(scuole normali) bestanden 1902: 32 bzw. 117
mit 1329 Schülern und 190040 Schülerinnen;
an höheren Mädchenschulen 233 mit 9347 Schü-
lerinnen. Mit zahlreichen Anstalten sind staatliche
Konvikte verbunden, für deren Schüler Vorberei-
tungsschulen bestehen. 1906 gab es 43 staatliche
Knabenkonvikte (4200 Schüler) und 8 Mädchen-
konvikte (600 Schülerinnen), ferner (1907) 1424
nichtstaatliche, meist (zwei Drittel) von geistlichen
Genossenschaften geleitete Mädchenkonvikte mit
41 200 Schülerinnen.
Der Unterricht in den Volksschulen, der unent-
geltlich ist, dauert 3 bis 5 Jahre. Jede Gemeinde
soll eine Volksschule von wenigstens 3 Jahrgängen,
Gemeinden von mehr als 4000 Seelen eine von
5 Jahrgängen erhalten (Gesetz von 1859). Nach
diesem Gesetze sollen die Kinder vom 6. bis 12. Jahre
die Schule besuchen. Da aber dieses Gesetz in den
meisten Dorfgemeinden nicht durchgeführt wurde,
so ordnete das Gesetz von 1877 an, daß die Kinder
wenigstens vom 6. bis 9. Jahre die Schule be-
suchen sollen. Die Anstellung der Lehrer ist ein
Recht der Gemeindebehörden. Da die Ausführung
der an sich guten Gesetze den Gemeindebehörden
anvertraut ist, die dem Unterricht oftmals nicht
günstig gesinnt sind, steht die Volksbildung in
Italien noch immer auf einer ziemlich niedrigen
Stufe, wenn auch auf diesem Gebiete seit 20 Jah-
ren ein bedeutender Fortschritt zu verzeichnen
ist. Im Jahre 1902 bestanden 61777 Volks-
schulen (darunter 8518 private) mit 66 637 Lehr-
kräften und 2 733 349 Schülern (im Jahre
1881: 54 192 Schulen mit 55 967 Lehrkräften
und 2279090 Schülern). Die Volksbildung
nimmt von Norden nach Süden stetig ab. Günstig
wirken auf die Bildung des Volkes die Regiments-
chulen. Die Zahl der Analphabeten betrug 1872
73% der Bevölkerung, 1882: 67,3%4, 1901
noch 56 % Am größten ist sie in Kalabrien
(78,7 %), Basilicata (75,4), Sizilien (70,9),
Apulien (69,5), in den Abruzzen (69,8) und
Kampanien (65,1), am geringsten in Piemont
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