Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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die Bedingungen aufstellen, unter welchen Ge- 
nossenschaften Korporationsrechte erlangen können, 
dergestalt, daß sie, wenn sie die Bedingungen er- 
füllen, ohne weiteres als Korporationen anerkannt 
werden. Es ist dieses ein bedeutsamer Fortschritt. 
Denn es hängt dann nicht mehr von dem will- 
kürlichen Ermessen der Staatsbehörden ab, in 
jedem einzelnen Falle die Korporationsrechte zu 
bewilligen oder zu versagen. Ferner sind auf ein- 
zelnen Gebieten Genossenschaftsbildungen für ganze 
Klassen von Staatsbürgern, die Zwangsge- 
nossenschaften (s. oben), gesetzlich vorgeschrie- 
ben. Wäre es auch an sich richtiger gewesen, den 
betreffenden Genossenschaften solche Rechte zu ver- 
leihen, welche es den einzelnen wünschenswert oder 
notwendig erscheinen lassen, der Genossenschaft 
beizutreten, so läßt sich doch nicht verkennen, 
daß die Bedeutung und der Wert der genossen- 
schaftlichen Vereinigung in den großen Massen 
nicht mehr klar erkannt werden. Soll also auf 
wirtschaftlichem, insbesondere auf sozialem Ge- 
biete das genossenschaftliche Leben wieder wach- 
gerufen werden, so läßt sich gesetzlicher Zwang 
wohl rechtfertigen. Dies gilt insbesondere von 
den Genossenschaften, deren Aufgabe die Unter- 
stützung der Armen und Arbeitsunfähigen ist. 
Soweit es sich um die privatrechtlichen Ver- 
hältnisse der Korporationen handelt, ist der Ein- 
fluß der Staatsgewalt auf das Vorgedachte zu 
beschränken. Ein Recht des Staates, im Verwal- 
tungswege die innern Verhältnisse derselben zu 
beaufsichtigen und sich in dieselben einzu- 
mischen, wie es in einer Reihe von Gesetzen be- 
stimmt ist, kann grundsätzlich nicht gebilligt wer- 
den. Die Korporation steht da dem Staat wie 
jede andere Privatperson gegenüber. Kommen 
Verstöße gegen das Statut oder gegen das Gesetz 
vor, so muß es den Verletzten oder den mit einer 
Verletzung Bedrohten überlassen bleiben, die Hilfe 
der Gerichte in Anspruch zu nehmen. Zulässig 
ist eine Aufsicht des Staates, wie oben bemerkt, 
nur da, wo es sich um Ausübung von öffentlich- 
rechtlichen Befugnissen der Korporationen handelt. 
Zum Schlusse dieses Abschnittes ist noch darauf 
hinzuweisen, daß der von einigen Rechtslehrern 
zwischen den universitates personarum des 
römischen Rechts — den Korporationen — und 
den mit Korporationsrechten versehenen Genossen- 
schaften gemachte Unterschied, wie aus obigem sich 
ergibt, völlig verwischt ist und nicht mehr besteht, 
seitdem der Staat den ehemaligen, aus deutscher 
und christlicher Rechtsanschauung hervorgegan- 
genen Genossenschaften ihre Selbständigkeit und 
Bedeutung verkümmert hat. 
III. Rechtsstellung bis zum Inkrafttreten 
des B.G. B. Man unterschied bis dahin in zivil- 
rechtlicher und staatsrechtlicher Beziehung die 
reinen Privatgesellschaften, die erlaubten Gesell- 
schaften, die anerkannten Gesellschaften. Zu be- 
merken ist jedoch schon hier, daß die charakteri- 
stischen Merkmale dieser drei Arten von Gesell- 
Juristische Personen. 
  
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schaften, wie sich unten ergeben wird, nicht abso- 
lute Bedeutung gehabt hatten und in der neueren 
Gesetzgebung nicht immer scharf festgehalten sind. 
1. Die reinen Privatgesellschaften 
entstehen, abgesehen von der communio incidens, 
immer durch Vertrag unter ganz bestimmten Per- 
sonen. Die Aufnahme neuer Mitglieder setzt jedes- 
mal einen besondern Vertrag unter allen Be- 
teiligten voraus. Ist die Gesellschaft eine Er- 
werbsgesellschaft, so erlischt sie der Regel nach mit 
dem Tode eines der Gesellschafter. Die Rechte und 
Pflichten der Gesellschafter untereinander werden 
durch den Gesellschaftsvertrag und nur subsidiär 
durch das bürgerliche Recht geregelt. An dem Ge- 
sellschaftsvermögen ist der Regel nach jeder zu einer 
gewissen Quote beteiligt; Regel bildet ferner, daß 
jeder Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft 
und die Ausfolgung seines Anteils am Gesell- 
schaftsvermögen beantragen kann. Nur durch den 
Vertrag können Abweichungen von diesen Regeln 
bestimmt werden. — Nach außen hin haben diese 
Gesellschaften als solche der Regel nach — aus- 
genommen die offene Handelzsgesellschaft und die 
Kommanditgesellschaft (s. unten) — gar keine recht- 
liche Bedeutung; dritten gegenüber haften — mit 
Ausnahme der Kommanditgesellschaft — für die 
rechtsgültig eingegangenen Verbindlichkeiten, außer 
dem Gesellschaftsvermögen, einer für alle und alle 
für einen. Sie unterliegen keinerlei staatlicher 
Beaufsichtigung. Eine staatsrechtliche Bedeutung 
kommt diesen Gesellschaften nicht zu. 
2. Die erlaubten Privatgesellschaf- 
ten — diese Art von Gesellschaften hat beson- 
ders im preußischen Recht ihre Ausbildung ge- 
funden — sind ebenfalls ursprünglich durch Ver- 
trag begründete Gesellschaften. Von den reinen 
Privatgesellschaften unterscheiden sie sich dadurch, 
daß der Zweck nicht auf Vermögenserwerb für die 
Mitglieder gerichtet sein darf, ferner daß ihr Be- 
stehen nicht an die Personen der Vertragschließen- 
den gebunden ist; vielmehr ist die Aufnahme neuer 
Mitglieder unter den im Statute der Gesellschaft 
— d. i. im Gründungsvertrag bzw. wie derselbe 
nach den späteren Beschlüssen der Gesellschaft sich 
gestaltet hat — enthaltenen Bedingungen nicht 
mur zulässig, sondern in der Regel durch den Ge- 
sellschaftszweck auch geboten. Die Gesellschaft bleibt 
bestehen, auch wenn sämtliche ursprünglichen Mit- 
glieder ihr nicht mehr angehören. Sie dauert fort, 
solange überhaupt auch nur eines ihrer Mitglieder 
noch vorhanden ist, sofern nicht ihre Auflösung 
auf statutenmäßigem Wege herbeigeführt ist. Ein 
weiterer Unterschied ist der, daß dasjenige Ver- 
mögen, welches zu Zwecken der Gesellschaft er- 
worben wird, zwar Eigentum der dermaligen 
Mitglieder wird, daß die einzelnen Mitglieder 
aber keinen Anspruch auf die Ausfolgung einer 
Ouote desselben haben, und daß ihr Anteilsrecht 
mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft zum 
Besten der darin verbleibenden Mitglieder erlischt. 
Nur im Falle der Auflösung der Gesellschaft wird
	        
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