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des römischen Stuhles nicht mit Krieg überziehen
durfte. Auf Erfüllung seiner Pflicht hatte der
Kaiser bei seiner Krönung dem Papste einen Treu-
eid zu schwören, nicht einen Lehnseid (nomagium).
Das Kaisertum war kein päpstliches Lehen, der
Kaiser als solcher nicht päpstlicher Vasall, wenn
er auch „Streiter des hl. Petrus“ (miles Petri)
genannt wurde; auch die Ehrfurchtsbezeigungen,
die das Herkommen forderte und die nach der Sitte
des Zeitalters nichts Erniedrigendes hatten, z. B.
das vielbesprochene Stegreifhalten, sind von der
Lehnsinvestitur ganz verschieden und waren teil-
weise, wie die später außer Gebrauch gekommene
Adoration, wechselseitig. Nur bei der Belehnung
mit dem Königreich Sizilien fand eine wirkliche
Lehnsinvestitur statt. Der eidlich übernommenen
Verpflichtung konnte sich der Kaiser nicht einseitig
entledigen; eine Abdankung des Kaisers ohne Zu-
stimmung des Papstes war daher rechtlich un-
gültig. — Dem ehrenamtlichen Charakter des
Kaisertums entsprach es, daß die Kaiserwürde dem
Kaiser nur Ehrenvorrechte einbrachte. Der
Kaiser übertraf als Anwalt und Schirmherr der
Kirche alle übrigen Fürsten der Christenheit an
Ansehen. Sein Vorrang als erster weltlicher
Monarch der Christenheit war anerkannt; lange
Zeit führte er allein den Titel „Majestät“, und
noch gegen Ende des Mittelalters galt er allein
für befugt, die Königswürde zu verleihen. Aus
der Aufgabe des Kaisers, Beschützer der gesamten
Christenheit zu sein, ergab sich auch die Unteil-
barkeit dieses Kaisertums: wie die Christenheit
als die eine katholische Kirche nur ein geistliches
Oberhaupt haben konnte, so konnte sie auch nur
einen für die Gesamtheit aufgestellten Beschützer,
ein weltliches Oberhaupt haben; zwei Kaiser
waren so undenkbar wie zwei Sonnen an einer
Hemisphäre, und wenn es auch Gegenkaiser wie
Gegenpäpste geben konnte, so gab es doch nie-
mals zwei sich gegenseitig anerkennende Kaiser der
Christenheit. Als daher im Jahre 1053 König
Ferdinand von Kastilien den Titel Hispaniae
Imperator annahm, bewirkte Kaiser Heinrich III.
bei Papst Viktor II., daß derselbe dem spanischen
Könige die Fortführung des Kaisertitels unter
Androhung des Bannes untersagte, worauf Fer-
dinand den Titel aufgab. Erst gegen Ende der
Kaiserzeit begegnen wir der erzwungenen An-
erkennung kaiserlichen Ranges gegenüber dem
Sultan (1718) und gegenüber der französischen
Republik (im Frieden von Campo Formio 1797).
Außer dem Vorrang findet sich noch als Recht
des Kaisers anerkannt das ius precum prima-
rum, d. h. die Befugnis, an jedem reichsunmittel-
baren Stifte auf die erste nach der Thronbestei-
gung erledigte Pfründe einen Kandidaten zu
präsentieren; andere dem Kaiser zugeschriebene
Befugnisse, wie ius spolü, jus regaliae, das
Recht der Erteilung von Paniebriefen usw.,
beruhen teils auf Mißbräuchen, teils auf be-
sondern, mit der Kaiserwürde nicht zusammen-
Kaiser. 1548
hängenden Rechtstiteln. Endlich hat das nahe
Verhältnis zwischen Papst und Kaiser zu einer
gegenseitigen Einräumung eines Einflusses auf
die Wahl geführt. Solange bei der deutschen
Königswahl die Geltung der Stimmenmehrheit
nicht feststand (bis 1338 bzw. 1356), hatte der
Papst beim Auseinandergehen der Stimmen nach
altem Herkommen die Entscheidung. Anderseits
wurde bis Gregor VII. dem Kaiser die Befugnis
zugestanden, die Rechtmäßigkeit der Papstwahl zu
prüfen und zu bestätigen, auch wohl Wahl-
streitigkeiten zu schlichten. Seit dem 15. Jahrh.
ist dem Kaiser wie einigen andern hervorragenden
katholischen Fürsten das Recht der Exklusive bei
der Papstwahl eingeräumt worden, d. h. die Be-
fugnis, vor Abschluß der Wahl durch einen eigens
damit beauftragten Kardinal einen Kandidaten
als mißliebig zu bezeichnen, wodurch übrigens
die Wahl des Bezeichneten keineswegs ungültig
wurde.
III. Das Wesen des römischen Kaisertums
deutscher Nation ist ferner charakterisiert durch
seine Verbindung mit dem deutschen Königtume,
und hierin liegt die staatsrechtliche Bedeutung des
Kaiserbegriffes. Dem Rechte des deutschen Volkes,
durch seine Fürsten in dem deutschen Könige den
künftigen römischen Kaiser zu wählen, entsprach
die Pflicht, dem gewählten Könige zu leisten, was
zur Erlangung der Kaiserkrone notwendig war,
nämlich den Römerzug. Durch die Zusammen-
fassung der Deutschen im Auslande haben die
Römerzüge das deutsche Nationalbewußtsein
wesentlich entwickelt und gekräftigt, das Reich hat
es zu einer Gesamtbewaffnung und lange Zeit zu
einer Gesamtleistung überhaupt nur unter dem
Namen des Römerzuges und der Römermonate
gebracht. Noch wichtiger als diese äußere Rechts-
folge ist die in dem neuen Kaisertume eingetretene
Vereinigung der christlichen Uberzeugung von dem
weltumfassenden Beruf der Kirche mit der christlich-
germanischen Auffassung des Königtums. Die
Rechtsstellung des deutschen Königs war folgende:
1) Der König hat eine monarchische, aber nicht
eine unbeschränkte Gewalt; er allein ist in dem
deutschen Einheitsstaate, dem Reiche, souverän,
während alle übrigen Reichsfürsten und sonstigen
Reichsstände ihm untertan und nach Lehnsrecht
seine Vasallen sind. Dies Verhältnis ist de iure
bis zum Schluß des Reichs geblieben und hat
seinen Ausdruck darin gefunden, daß die Reichs-
fürsten wie andere Untertanen die Reichssteuer
des gemeinen Pfennigs zu entrichten hatten. Der
König hatte seine Gewalt, obgleich von den
Fürsten gewählt, doch nicht als Beauftragter der
Fürsten oder des Volkes, sondern zu eigenem
Recht, aber als eine von Gott verliehene und
daher nicht willkürlich, sondern pflichtgemäß zum
Wohle der Untertanen zu handhabende Macht. —
Zur Stärkung in der Erfüllung seiner wesentlich
in dem Schutze des Friedens und des Rechts be-
stehenden Regentenpflicht wurde der König vom