Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1579 
dessen Kosten mit Vorleistungen heranzu- 
ziehen, „zumal“, wie es in der Begründung der 
preußischen Kanalvorlage hieß, „hierdurch eine 
große Gewähr gewonnen wird, daß das Unter- 
nehmen wirklich den vorausgesetzten wirtschaftlichen 
Wert hat“. Nach dem preußischen Kanalgesetze vom 
1. April 1906 z. B. müssen die Interessenten eines 
Teiles der zu erbauenden Kanäle in fixiertem Be- 
trage die Betriebs- und Unterhaltungskosten und 
außerdem eine 3½ /ige Verzinsung und Amor= 
tisation eines Drittels des veranschlagten Bau- 
kapitals garantieren. 
2. Der Betrieb auf den Kanälen wurde 
früher fast allgemein dem Publikum überlassen, 
nur ausnahmsweise wurde er einheitlich vom 
Kanaleigentümer ausgeübt. Zweifellos aber wird 
durch einen einheitlich organisierten Betrieb die 
Leistungsfähigkeit eines Kanals erhöht; auch er- 
hält durch ihn der Befrachter, was für diesen sehr 
wichtig ist, feste Lieferzeiten. Ist der Staat Eigen- 
tümer des Schleppmonopols, so ist ein weiterer 
Vorteil der, daß die Konkurrenz zwischen Kanal 
und staatlichen Eisenbahnen beseitigt ist. Dann 
fehlt für die Eisenbahnen jeglicher Anlaß, dem 
Kanal die Frachten zu entziehen, dann werden sie 
vielmehr geneigt sein, durch Verbesserung der vor- 
handenen und Anlage neuer Umschlagsgelegen- 
heiten, durch den Bau von Kranen, Schuppen usw. 
den Ubergang von dem einen Verkehrsmittel auf 
das andere zu erleichtern. Hinzu kommt, daß der 
Staat als Inhaber des Schleppmonopols (das 
ihm zu zwei Dritteln die Herrschaft über die 
Frachten gibt) in der Lage ist, seine Tarifpolitik 
auf die Wasserstraßen auszudehnen und durch 
regulierende Tarifgestaltung wirtschaftlichen Ver- 
schiebungen vorzubeugen. In Würdigung dieser 
Vorteile des staatlichen Schleppmonopols ist durch 
§ 18 des erwähnten preußischen Kanalgesetzes be- 
stimmt, daß „auf dem Kanale vom Rhein zur 
Weser, auf dem Anschlusse nach Hannover, auf 
dem Lippe-Kanal und auf den Zweigkanälen 
dieser Schiffahrtstraßen ein einheitlicher staatlicher 
Schleppbetrieb einzurichten ist. Privaten ist auf 
diesen Schiffahrtstraßen die mechanische Schlep- 
perei untersagt. Zum Befahren dieser Schiffahrt- 
straßen durch Schiffe mit eigener Kraft bedarf es 
besonderer Genehmigung“. 
Die Fortbewegung der Kanalschiffe, das Trei- 
deln, wird gewöhnlich durch Pferde oder Dampf- 
kraft (besondere Art ist die Tauerei oder Warp- 
schiffahrt) bewirkt. In den letzten Jahren ist man 
indessen stellenweise zum elektrischen Betrieb über- 
gegangen, z. B. auf dem Kanal d'Aire und de la 
Deule in Frankreich, wo schon 100 elektrische 
Schlepplokomotiven verkehren. 
Von den Siemens-Schuckert-Werken angestellte 
Versuche haben ergeben, daß sich auf dem Kanale 
vom Rhein nach Hannover die Betriebskosten für 
den elektrischen Schiffszug pro Nutztonnenkilometer 
beim erstmaligen Verkehre ungefähr auf ¼ Pfen- 
Kanäle. 
  
1580 
als ½ Pfennig stellen würden. Es würden hier- 
nach bei dem erstmaligen Verkehre die Kosten des 
elektrischen Schleppens etwas höher sein als die 
des Schleppens durch Dampfer, während sich bei 
stärker werdendem Verkehre ein etwa gleicher Be- 
trag ergibt. Die Selbstkosten des Eisenbahn- 
betriebes sind unbedingt bedeutend höher. Der 
elektrische Kanalbetrieb hat aber auch noch große 
indirekte Vorteile. In dieser Beziehung ist in erster 
Linie darauf hinzuweisen, daß bei Wegfall der 
Wasserbewegungen und Wellen, die die Dampfer- 
schrauben hervorrufen, die Kanalböschungen und 
die Kanalsohle geschont werden, weshalb die lau- 
fenden Unterhaltungskosten erheblich geringer sind. 
Beim elektrischen Schleppzuge kann sodann die 
Geschwindigkeit, die sonst 5 km/Stunde nicht 
übersteigen darf, selbst über 6 km Stunde gestei- 
gert werden; die Kanalbeleuchtung ist gesichert; 
es kann ferner auf 5/10 km weit in das Land 
hinein elektrische Energie für Kraft= und Beleuch- 
tungszwecke abgegeben werden. Der größte in- 
direkte Vorteil aber liegt darin, daß eine Ordnung 
in den Kanalbetrieb gebracht wird, durch den er 
Ahnlichkeit mit dem Eisenbahnbetrieb erhält. 
Die Frage, ob und eventuell in welchem Um- 
fange für die Benutzung der Kanäle Abgaben 
zu entrichten seien, wird verschieden beantwortet. 
In Frankreich z. B. ist die Benutzung unentgeltlich. 
Aber auch da, wo Abgaben erhoben werden, 
bringen dieselben nur selten die für Kanäle ver- 
ausgabten Kosten vollständig auf. Eine größere 
Höhe, als zur Deckung dieser Kosten ausreicht, 
dürfen die Abgaben nach Art. 54, Abs. 4 der 
deutschen Reichsverfassung überhaupt nicht haben. 
Auf den preußischen Kanälen ist die Höhe der 
Kanalabgaben verschieden, sie schwankt zwischen 
0,16 bzw. 0,32 Pfennig und 0,85 bzw. 1,7 
Pfennig pro Tonnenkilometer. Auf dem Rhein- 
Herne-Kanal sollen die Abgaben 2, 1,50 und 
1 Pfennig und auf dem Kanal von Bevergern 
nach Hannover 1, 0,75 und 0.50 Pfennig pro 
Tonnenkilometer je nach den verschiedenen Güter- 
klassen betragen. 
Die Höhe der jährlichen Unterhaltungs-, Ver- 
waltungs= und Betriebskosten der Kanäle wird 
von neueren Kanalschriftstellern auf 1 1/2 % des 
Baukapitals angegeben. Das ist aber nicht richtig. 
Ein bestimmtes Verhältnis besteht zwischen den 
genannten Kosten und dem Baukapital überhaupt 
nicht. Im sandigen Terrain z. B. ist der Bau 
verhältnismäßig billig, die Unterhaltung aber 
teuer, umgekehrt im Felseinschnitt der Bau teuer, 
die Unterhaltung aber billig. Es ist auch zu be- 
achten, daß das Vorhandensein von Schleusen die 
Unterhaltungskosten vergrößert, und daß die Ver- 
waltungskosten bei einem kleinen Unternehmen 
verhältnismäßig größer sind als bei einem großen. 
So betragen z. B. die genannten Kosten beim 
Main-Kanal 1,5% , beim Rhein-Rhone-Kanal 
3 % und beim Rhein-Marne-Kanal 0,9% der 
nig, beim entwickelten Verkehre aber auf weniger Baukosten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.