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dessen Kosten mit Vorleistungen heranzu-
ziehen, „zumal“, wie es in der Begründung der
preußischen Kanalvorlage hieß, „hierdurch eine
große Gewähr gewonnen wird, daß das Unter-
nehmen wirklich den vorausgesetzten wirtschaftlichen
Wert hat“. Nach dem preußischen Kanalgesetze vom
1. April 1906 z. B. müssen die Interessenten eines
Teiles der zu erbauenden Kanäle in fixiertem Be-
trage die Betriebs- und Unterhaltungskosten und
außerdem eine 3½ /ige Verzinsung und Amor=
tisation eines Drittels des veranschlagten Bau-
kapitals garantieren.
2. Der Betrieb auf den Kanälen wurde
früher fast allgemein dem Publikum überlassen,
nur ausnahmsweise wurde er einheitlich vom
Kanaleigentümer ausgeübt. Zweifellos aber wird
durch einen einheitlich organisierten Betrieb die
Leistungsfähigkeit eines Kanals erhöht; auch er-
hält durch ihn der Befrachter, was für diesen sehr
wichtig ist, feste Lieferzeiten. Ist der Staat Eigen-
tümer des Schleppmonopols, so ist ein weiterer
Vorteil der, daß die Konkurrenz zwischen Kanal
und staatlichen Eisenbahnen beseitigt ist. Dann
fehlt für die Eisenbahnen jeglicher Anlaß, dem
Kanal die Frachten zu entziehen, dann werden sie
vielmehr geneigt sein, durch Verbesserung der vor-
handenen und Anlage neuer Umschlagsgelegen-
heiten, durch den Bau von Kranen, Schuppen usw.
den Ubergang von dem einen Verkehrsmittel auf
das andere zu erleichtern. Hinzu kommt, daß der
Staat als Inhaber des Schleppmonopols (das
ihm zu zwei Dritteln die Herrschaft über die
Frachten gibt) in der Lage ist, seine Tarifpolitik
auf die Wasserstraßen auszudehnen und durch
regulierende Tarifgestaltung wirtschaftlichen Ver-
schiebungen vorzubeugen. In Würdigung dieser
Vorteile des staatlichen Schleppmonopols ist durch
§ 18 des erwähnten preußischen Kanalgesetzes be-
stimmt, daß „auf dem Kanale vom Rhein zur
Weser, auf dem Anschlusse nach Hannover, auf
dem Lippe-Kanal und auf den Zweigkanälen
dieser Schiffahrtstraßen ein einheitlicher staatlicher
Schleppbetrieb einzurichten ist. Privaten ist auf
diesen Schiffahrtstraßen die mechanische Schlep-
perei untersagt. Zum Befahren dieser Schiffahrt-
straßen durch Schiffe mit eigener Kraft bedarf es
besonderer Genehmigung“.
Die Fortbewegung der Kanalschiffe, das Trei-
deln, wird gewöhnlich durch Pferde oder Dampf-
kraft (besondere Art ist die Tauerei oder Warp-
schiffahrt) bewirkt. In den letzten Jahren ist man
indessen stellenweise zum elektrischen Betrieb über-
gegangen, z. B. auf dem Kanal d'Aire und de la
Deule in Frankreich, wo schon 100 elektrische
Schlepplokomotiven verkehren.
Von den Siemens-Schuckert-Werken angestellte
Versuche haben ergeben, daß sich auf dem Kanale
vom Rhein nach Hannover die Betriebskosten für
den elektrischen Schiffszug pro Nutztonnenkilometer
beim erstmaligen Verkehre ungefähr auf ¼ Pfen-
Kanäle.
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als ½ Pfennig stellen würden. Es würden hier-
nach bei dem erstmaligen Verkehre die Kosten des
elektrischen Schleppens etwas höher sein als die
des Schleppens durch Dampfer, während sich bei
stärker werdendem Verkehre ein etwa gleicher Be-
trag ergibt. Die Selbstkosten des Eisenbahn-
betriebes sind unbedingt bedeutend höher. Der
elektrische Kanalbetrieb hat aber auch noch große
indirekte Vorteile. In dieser Beziehung ist in erster
Linie darauf hinzuweisen, daß bei Wegfall der
Wasserbewegungen und Wellen, die die Dampfer-
schrauben hervorrufen, die Kanalböschungen und
die Kanalsohle geschont werden, weshalb die lau-
fenden Unterhaltungskosten erheblich geringer sind.
Beim elektrischen Schleppzuge kann sodann die
Geschwindigkeit, die sonst 5 km/Stunde nicht
übersteigen darf, selbst über 6 km Stunde gestei-
gert werden; die Kanalbeleuchtung ist gesichert;
es kann ferner auf 5/10 km weit in das Land
hinein elektrische Energie für Kraft= und Beleuch-
tungszwecke abgegeben werden. Der größte in-
direkte Vorteil aber liegt darin, daß eine Ordnung
in den Kanalbetrieb gebracht wird, durch den er
Ahnlichkeit mit dem Eisenbahnbetrieb erhält.
Die Frage, ob und eventuell in welchem Um-
fange für die Benutzung der Kanäle Abgaben
zu entrichten seien, wird verschieden beantwortet.
In Frankreich z. B. ist die Benutzung unentgeltlich.
Aber auch da, wo Abgaben erhoben werden,
bringen dieselben nur selten die für Kanäle ver-
ausgabten Kosten vollständig auf. Eine größere
Höhe, als zur Deckung dieser Kosten ausreicht,
dürfen die Abgaben nach Art. 54, Abs. 4 der
deutschen Reichsverfassung überhaupt nicht haben.
Auf den preußischen Kanälen ist die Höhe der
Kanalabgaben verschieden, sie schwankt zwischen
0,16 bzw. 0,32 Pfennig und 0,85 bzw. 1,7
Pfennig pro Tonnenkilometer. Auf dem Rhein-
Herne-Kanal sollen die Abgaben 2, 1,50 und
1 Pfennig und auf dem Kanal von Bevergern
nach Hannover 1, 0,75 und 0.50 Pfennig pro
Tonnenkilometer je nach den verschiedenen Güter-
klassen betragen.
Die Höhe der jährlichen Unterhaltungs-, Ver-
waltungs= und Betriebskosten der Kanäle wird
von neueren Kanalschriftstellern auf 1 1/2 % des
Baukapitals angegeben. Das ist aber nicht richtig.
Ein bestimmtes Verhältnis besteht zwischen den
genannten Kosten und dem Baukapital überhaupt
nicht. Im sandigen Terrain z. B. ist der Bau
verhältnismäßig billig, die Unterhaltung aber
teuer, umgekehrt im Felseinschnitt der Bau teuer,
die Unterhaltung aber billig. Es ist auch zu be-
achten, daß das Vorhandensein von Schleusen die
Unterhaltungskosten vergrößert, und daß die Ver-
waltungskosten bei einem kleinen Unternehmen
verhältnismäßig größer sind als bei einem großen.
So betragen z. B. die genannten Kosten beim
Main-Kanal 1,5% , beim Rhein-Rhone-Kanal
3 % und beim Rhein-Marne-Kanal 0,9% der
nig, beim entwickelten Verkehre aber auf weniger Baukosten.