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ein befriedigendes Gefühl von Freiheit und Un-
abhängigkeit, das zu einer allseitigen Entwicklung
und Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten bis
zu einem gewissen Grade notwendig ist. Das
Eigentum wurde darum auch mit Grund wohl
als eine notwendige Ergänzung der menschlichen
Persönlichkeit bezeichnet. Die Möglichkeit, Eigen-
tum zu erwerben oder zu vermehren, macht spar-
sam und fleißig und ist unter allen Motiven des
menschlichen Handelns in vielen Fällen das ge-
eignetste, zu angestrengter Tätigkeit anzuspornen.
Die Bindung des Erwerbsinteresses, die im Kom-
munismus eintreten müßte, würde eine Summe
wirtschaftlichen Strebens lahm legen und schlaffe,
träge Menschen schaffen. Zu dem rastlosen Ringen
und Streben, das den heutigen materiellen Fort-
schritt gezeitigt hat, würden die meisten Menschen
sich nicht aufraffen. Auch der geistige Fortschritt,
der zum guten Teil durch den materiellen Wohl-
stand des Volkes bedingt ist, würde gehemmt
werden. Ruhe und Ordnung in der Gesellschaft
würden schwieriger herzustellen sein als jetz.
Denken wir nur an die Verteilung der Berufe,
die sich in einer auf Privateigentum begründeten
Gesellschaft im Anschluß an die ererbten Verhält-
nisse relativ leicht, wenn auch nicht ohne Mängel,
vollzieht; in einer kommunistischen Gesellschaft
müßten die Berufe in autoritativer Weise verteilt
werden, was eine nie versiegende Quelle ewiger
Unzufriedenheit und Unordnung sein würde; keine
menschliche Autorität würde dieser Aufgabe ge-
recht werden können. Überhaupt werden im Kom-
munismus an die sittliche und geistige Qualität
der Autorität wie des Volkes Ansprüche gestellt,
denen bis jetzt die Menschheit nie gewachsen war.
Bezüglich näherer Begründung sei auf die Art.
Eigentum und Sozialismus verwiesen.
Literatur. G. Adler, Art. „Sozialismus u.
K.“, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften
VI; derf., Gesch, des Sozialismus u. K. 1 (1899);
R. Pöhlmann, Gesch. des antiken K. u. Sozialis-
mus (2 Rde, 1893/1901); L. v. Stein, Der So-
zialismus u. K. des heutigen Frankreich (2 Bde
21848); H. Pesch, Nationalökonomie I1 (1905);
V. Cathrein, Der Sozialismus (*1906); J. Seipel,
Die wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter
(1907); O. Schilling, Reichtum u. Eigentum in
der altkirchl. Literatur (1908); E. Baumgartner,
Der K. im Urchristentum, in Zeitschrift für kath.
Theologie XXXVIII (1909). H. Koch S. J.
Kompetenz, Kompetenzkonflikt.
I. Kompetenz. 1. Begriff. Unter Kompetenz
(Zaftändrgteig schlechthin versteht man denjenigen
sachlich und örtlich abgegrenzten Kreis von An-
gelegenheiten, die eine bestimmte Behörde aus-
schließlich zu erledigen befugt und verpflichtet ist.
Hiernach begreift die Kompetenz zwei verschiedene,
jedoch miteinander eng verbundene Arten, nämlich
die sachliche und die örtliche Kompetenz, in
sich. Sachlich kompetent ist unter mehreren ver-
schiedenartigen Behörden diejenige, deren Wir-
kungskreis sich gerade auf Angelegenheiten der
Kompetenz ufsw.
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fraglichen Gattung erstreckt. Befaßt sich dagegen
unter mehreren gleichartigen, für verschiedene
Sprengel errichteten Behörden diejenige eines be-
stimmten Sprengels mit dem betreffenden Fall, so
ist sie örtlich kompetent. Nicht selten erfordert die
Erledigung derselben Sache in ihren Einzelheiten
die Betätigung verschiedener Behörden. Dadurch
entsteht ein modifizierter Begriff der sachlichen
Kompetenz, dessen allgemeine Bezeichnung Kom-
petenz nach Geschäften ist. Ihm begegnet
man unter anderem bei dem Instanzenzug, dem
verwaltungsrechtlichen Beschluß= und Streitver-
fahren, dem amtsgerichtlichen Sühneversuch in
Ehesachen, der Rechtshilfe. Von der Kompetenz,
insbesondere der sachlichen, ist wohl zu unter-
scheiden die Verteilung der Geschäfte
innerhalb einer Behörde seitens des Vorstehers
an die Mitglieder derselben. Sie erfolgt nach
örtlichen Bezirken oder nach Gattungen oder nach
Gattungen und Bezirken, gegebenenfalls oder im
voraus, auf ein Geschäftsjahr oder kürzere Zeit,
und ist zum Teil rechtlich gewährleistet. Ihre
rechtliche Grundlage hat die Kompetenz im Gesetz;
die bezüglichen Bestimmungen sind grundsätzlich
der Abänderung durch Vereinbarung der Betei-
ligten entzogen. Regelmäßig haben die einzelnen
Behörden ihre Kompetenz von Amts wegen wahr-
zunehmen und zu prüfen. Stellt sich hierbei die
Inkompetenz der betreffenden Behörde heraus, so
darf sie die Sache nicht erledigen, sondern muß
sie wieder zurückreichen; der kompetenten Behörde
dieselbe zu unterbreiten, ist sie jedoch meist nicht
verpflichtet.
Für den prozessualen Kompetenzbegriff
gilt Entsprechendes wie für den Kompetenzbegriff
schlechthin. Näheres enthalten die Artikel Gerichts-
verfassung und Verwaltungsrecht.
2. Kompetenzstreit. Wo die Kompetenzen
von Behörden derselben Art sich berühren, kann
Streit oder Ungewißheit darüber entstehen, ob die
fragliche Sache vor die eine oder die andere Be-
hörde gehöre. Geraten nun mehrere gleichartige Be-
: hörden, seien es Rechtspflegebehörden oder Verwal-
tungsbehörden, untereinander in Meinungsverschie-
denheit über die Abgrenzung ihrer Kompetenz, so
liegt ein Kompetenzstreit (conflit de juri-
diction) vor. Er ist ein positiver, wenn jede
unter den mehreren gleichartigen Behörden sich
für kompetent erachtet, ein negativer dagegen,
falls sich alle unter ihnen für inkompetent erklären.
Die Entscheidung erfolgt in der Regel durch die
übergeordnete Behörde. So schlichtet den Kom-
petenzstreit unter mehreren Rechtspflegebehörden
beispielsweise bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
das im Instanzenzug zunächst höhere Gericht
(3.P.O. 8 36, Ziff. 5 u. 6), bei Strafsachen und
bei Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-
keit das gemeinschaftliche obere Geric (St. P.O.
§§ 14, 19; F.G.G. 88 5, 199, Abs. 2), bei
Militärstrassachen der den fnaren Gerichts-
herren gemeinsam vorgesetzte Gerichtsherr, ein-