Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

383 
ein befriedigendes Gefühl von Freiheit und Un- 
abhängigkeit, das zu einer allseitigen Entwicklung 
und Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten bis 
zu einem gewissen Grade notwendig ist. Das 
Eigentum wurde darum auch mit Grund wohl 
als eine notwendige Ergänzung der menschlichen 
Persönlichkeit bezeichnet. Die Möglichkeit, Eigen- 
tum zu erwerben oder zu vermehren, macht spar- 
sam und fleißig und ist unter allen Motiven des 
menschlichen Handelns in vielen Fällen das ge- 
eignetste, zu angestrengter Tätigkeit anzuspornen. 
Die Bindung des Erwerbsinteresses, die im Kom- 
munismus eintreten müßte, würde eine Summe 
wirtschaftlichen Strebens lahm legen und schlaffe, 
träge Menschen schaffen. Zu dem rastlosen Ringen 
und Streben, das den heutigen materiellen Fort- 
schritt gezeitigt hat, würden die meisten Menschen 
sich nicht aufraffen. Auch der geistige Fortschritt, 
der zum guten Teil durch den materiellen Wohl- 
stand des Volkes bedingt ist, würde gehemmt 
werden. Ruhe und Ordnung in der Gesellschaft 
würden schwieriger herzustellen sein als jetz. 
Denken wir nur an die Verteilung der Berufe, 
die sich in einer auf Privateigentum begründeten 
Gesellschaft im Anschluß an die ererbten Verhält- 
nisse relativ leicht, wenn auch nicht ohne Mängel, 
vollzieht; in einer kommunistischen Gesellschaft 
müßten die Berufe in autoritativer Weise verteilt 
werden, was eine nie versiegende Quelle ewiger 
Unzufriedenheit und Unordnung sein würde; keine 
menschliche Autorität würde dieser Aufgabe ge- 
recht werden können. Überhaupt werden im Kom- 
munismus an die sittliche und geistige Qualität 
der Autorität wie des Volkes Ansprüche gestellt, 
denen bis jetzt die Menschheit nie gewachsen war. 
Bezüglich näherer Begründung sei auf die Art. 
Eigentum und Sozialismus verwiesen. 
Literatur. G. Adler, Art. „Sozialismus u. 
K.“, im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 
VI; derf., Gesch, des Sozialismus u. K. 1 (1899); 
R. Pöhlmann, Gesch. des antiken K. u. Sozialis- 
mus (2 Rde, 1893/1901); L. v. Stein, Der So- 
zialismus u. K. des heutigen Frankreich (2 Bde 
21848); H. Pesch, Nationalökonomie I1 (1905); 
V. Cathrein, Der Sozialismus (*1906); J. Seipel, 
Die wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter 
(1907); O. Schilling, Reichtum u. Eigentum in 
der altkirchl. Literatur (1908); E. Baumgartner, 
Der K. im Urchristentum, in Zeitschrift für kath. 
Theologie XXXVIII (1909). H. Koch S. J. 
Kompetenz, Kompetenzkonflikt. 
I. Kompetenz. 1. Begriff. Unter Kompetenz 
(Zaftändrgteig schlechthin versteht man denjenigen 
sachlich und örtlich abgegrenzten Kreis von An- 
gelegenheiten, die eine bestimmte Behörde aus- 
schließlich zu erledigen befugt und verpflichtet ist. 
Hiernach begreift die Kompetenz zwei verschiedene, 
jedoch miteinander eng verbundene Arten, nämlich 
die sachliche und die örtliche Kompetenz, in 
sich. Sachlich kompetent ist unter mehreren ver- 
schiedenartigen Behörden diejenige, deren Wir- 
kungskreis sich gerade auf Angelegenheiten der 
Kompetenz ufsw. 
384 
fraglichen Gattung erstreckt. Befaßt sich dagegen 
unter mehreren gleichartigen, für verschiedene 
Sprengel errichteten Behörden diejenige eines be- 
stimmten Sprengels mit dem betreffenden Fall, so 
ist sie örtlich kompetent. Nicht selten erfordert die 
Erledigung derselben Sache in ihren Einzelheiten 
die Betätigung verschiedener Behörden. Dadurch 
entsteht ein modifizierter Begriff der sachlichen 
Kompetenz, dessen allgemeine Bezeichnung Kom- 
petenz nach Geschäften ist. Ihm begegnet 
man unter anderem bei dem Instanzenzug, dem 
verwaltungsrechtlichen Beschluß= und Streitver- 
fahren, dem amtsgerichtlichen Sühneversuch in 
Ehesachen, der Rechtshilfe. Von der Kompetenz, 
insbesondere der sachlichen, ist wohl zu unter- 
scheiden die Verteilung der Geschäfte 
innerhalb einer Behörde seitens des Vorstehers 
an die Mitglieder derselben. Sie erfolgt nach 
örtlichen Bezirken oder nach Gattungen oder nach 
Gattungen und Bezirken, gegebenenfalls oder im 
voraus, auf ein Geschäftsjahr oder kürzere Zeit, 
und ist zum Teil rechtlich gewährleistet. Ihre 
rechtliche Grundlage hat die Kompetenz im Gesetz; 
die bezüglichen Bestimmungen sind grundsätzlich 
der Abänderung durch Vereinbarung der Betei- 
ligten entzogen. Regelmäßig haben die einzelnen 
Behörden ihre Kompetenz von Amts wegen wahr- 
zunehmen und zu prüfen. Stellt sich hierbei die 
Inkompetenz der betreffenden Behörde heraus, so 
darf sie die Sache nicht erledigen, sondern muß 
sie wieder zurückreichen; der kompetenten Behörde 
dieselbe zu unterbreiten, ist sie jedoch meist nicht 
verpflichtet. 
Für den prozessualen Kompetenzbegriff 
gilt Entsprechendes wie für den Kompetenzbegriff 
schlechthin. Näheres enthalten die Artikel Gerichts- 
verfassung und Verwaltungsrecht. 
2. Kompetenzstreit. Wo die Kompetenzen 
von Behörden derselben Art sich berühren, kann 
Streit oder Ungewißheit darüber entstehen, ob die 
fragliche Sache vor die eine oder die andere Be- 
hörde gehöre. Geraten nun mehrere gleichartige Be- 
  
: hörden, seien es Rechtspflegebehörden oder Verwal- 
tungsbehörden, untereinander in Meinungsverschie- 
denheit über die Abgrenzung ihrer Kompetenz, so 
liegt ein Kompetenzstreit (conflit de juri- 
diction) vor. Er ist ein positiver, wenn jede 
unter den mehreren gleichartigen Behörden sich 
für kompetent erachtet, ein negativer dagegen, 
falls sich alle unter ihnen für inkompetent erklären. 
Die Entscheidung erfolgt in der Regel durch die 
übergeordnete Behörde. So schlichtet den Kom- 
petenzstreit unter mehreren Rechtspflegebehörden 
beispielsweise bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
das im Instanzenzug zunächst höhere Gericht 
(3.P.O. 8 36, Ziff. 5 u. 6), bei Strafsachen und 
bei Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar- 
keit das gemeinschaftliche obere Geric (St. P.O. 
§§ 14, 19; F.G.G. 88 5, 199, Abs. 2), bei 
Militärstrassachen der den fnaren Gerichts- 
herren gemeinsam vorgesetzte Gerichtsherr, ein- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.