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welche Kompetenzkonfliktgerichtshöfe nicht ge-
schaffen haben und nicht schaffen, verbleibt es
auch für die innerstaatlichen Verhältnisse bei dem
Grundsatz, daß die ordentlichen Gerichte selbstän-
dig und mit voller Rechtswirkung für Verwaltungs-
behörden und Verwaltungsgerichte über die Ab-
grenzung ihrer Kompetenz entscheiden. Die Nor-
matiobestimmungen des 8 17, Abs. 2 verlangen
Anstellung der Mitglieder der Kompetenzkonflikt=
gerichtshöfe für die Dauer des zur Zeit ihrer Er-
nennung von ihnen bekleideten Amtes oder andern-
falls auf Lebenszeit, Zulässigkeit der Enthebung
vom Amt nur unter denselben Voraussetzungen
wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts, Zu-
gehörigkeit mindestens der Hälfte der Mitglieder
zum Reichsgericht oder zu dem obersten Landes-
gericht bzw. einem Oberlandesgericht, gesetzliche
Reglung des Verfahrens und Unzulässigkeit des
Kompetenzkonflikts bei von den Gerichten rechts-
kräftig entschiedenen Sachen.
An Stelle der im § 17, Abs. 2 des G. V.G. er-
wähnten besondern Behörden kann gemäß § 17
des Einf. Ges. zum G.V.G. auf Antrag eines
Bundesstaats und mit Zustimmung des Bundes-
rats durch kaiserliche Verordnung die Verhand-
lung und Entscheidung der Kompetenzkonflikte
dem Reichsgericht zugewiesen werden. Von dieser
Vollmacht hat nur Bremen Gebrauch gemacht (vgl.
Gesetz vom 25. Juni 1879 in Verbindung mit
kaiserlicher Verordnung vom 26. Sept. 1879).
Gleichzeitig war im 817, Abs. 2 des Einf. Ges.
zum G.V.G. vorgesehen, daß für die Bundes-
staaten mit Kompetenzkonfliktgerichtshöfen die durch
das G.V.G. gebotene Veränderung ihrer Einrich-
tung und des Verfahrens durch landesherrliche
Verordnung eingeführt werden konnte, wenn sie
nicht bis zum 1. Okt. 1879 landesgesetzlich ge-
troffen war.
8) Landesrecht. Auf Grund dieser Bestim-
mungen erging in Preußen die noch heute
geltende königliche Verordnung vom 1. Aug. 1879
betr. die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten
und den Verwaltungsbehörden. Die wichtigsten,
vom Gesetz von 1847 abweichenden Vorschriften
sind folgende:
Von den Mitgliedern des Gerichtshofes zur Ent-
scheidung der Kompetenzkonflikte müssen sechs dem
Oberlandesgericht in Berlin (Kammergericht) an-
gehören; bei den andern fünf ist die Befähigung
für den höheren Verwaltungsdienst oder das Richter-
amt erforderlich. Zum Mitglied kann nur ernannt
werden, wer das 35. Lebensjahr vollendet hat. Die
Ernennung erfolgt für die Dauer des zur Zeit be-
kleideten Amtes oder, falls ohne Amt, auf Lebens-
zeit. Eine Enthebung vom Amt kann nur unter
denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern
des Reichsgerichts (G.V.G. 8§ 128 ff) stattfinden.
Der Gerichtshof entscheidet, wenn die Verwaltungs-
behörden den Rechtsweg in einem bei den Gerichten
anhängigen bürgerlichen Rechtsstreit für unzulässig
erachten und deshalb den Kompetenzkonflikt er-
heben. Durch die nach Beendigung einer münd-
lichen Verhandlung eintretende Unterbrechung des
Kompetenz usw.
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prozessualen Verfahrens wird auch die Verkündi-
gung einer Entscheidung gehindert. Die Zwangs-
vollstreckung auf Grund eines etwaigen, vorläufig
vollstreckbaren Urteils ist einzustellen. Der Ge-
richtshof entscheidet in öffentlicher Sitzung, zu
welcher die Parteien geladen werden. Ihr Er-
scheinen ist jedoch nicht erforderlich. Für das
Kompetenzkonfliktverfahren gilt grundsätzlich An-
waltszwang. Die Zustellung des Urteils an die
Parteien geschieht von Amts wegen durch das Ge-
richt, bei welchem die Sache anhängig war. Ist
der Rechtsweg für unzulässig erkannt, so werden
Gerichtskosten nicht erhoben und die bereits er-
hobenen zurückgezahlt. Dagegen werden die den
Parteien erwachsenen Kosten nicht erstattet. Die
Erhebung des Kompetenzkonflikts ist ausgeschlossen,
wenn das Gericht rechtskräftig den Rechtsweg für
zulässig erkannt hat. Auf Antrag einer bei der
Sache beteiligten Partei entscheidet der Kompetenz-
konfliktgerichtshof, wenn einerseits die Gerichte und
anderseits die Verwaltungsbehörden oder die Ver-
waltungsgerichte ihre Unzuständigkeit endgültig
ausgesprochen haben, weil von den Gerichten die
Verwaltungsbehörden oder die Verwaltungsgerichte
und von diesen die Gerichte für zuständig gehalten
werden. In dem Erkenntnis hat der Gerichtshof
die entgegenstehenden Urteile aufzuheben und die
Sache zur anderweiten Verhandlung und Entschei-
dung an die fragliche Instanz zu verweisen.
Eine wesentliche Ergänzung der Verordnung
von 1879 enthält das Gesetz vom 22. Mai 1902
betr. Anderung der Vorschriften über die Kom-
petenzkonflikte zwischen den Gerichten und den
Verwaltungsbehörden.
Ihm zufolge kann der Kompetenzkonflikt auch
dann nicht mehr erhoben werden, wenn ein mit der
Revision anfechtbares Urteil des Gerichts ergangen
ist. Hat das Reichsgericht im Falle des negativen
Kompetenzkonflikts die Unzuständigkeit der Ge-
richte ausgesprochen, so bedarf es der obigen Ent-
scheidung des Kompetenzkonfliktgerichtshofs über-
haupt nicht. Die Verwaltungsbehörden oder die
Verwaltungsgerichte können sich nicht deshalb für
unzuständig erklären, weil sie den Rechtsweg für
zulässig erachten. Haben vor der Entscheidung des
Reichsgerichts die Verwaltungsbehörden oder die
Verwaltungsgerichte sich aus dem erwähnten
Grunde endgültig für unzuständig erklärt, so muß
auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei
diejenige Instanz, von welcher die Unzuständigkeit
endgültig ausgesprochen worden ist, die frühere
Entscheidung aufheben und anderweitig entscheiden.
Zu dem letzteren Zweck kann die Sache an eine
Vorinstanz zurückverwiesen werden. Hat schließlich
der Kompetenzkonfliktgerichtshof in einer Sache
auf Grund der Verordnung von 1879 den Rechts-
weg für zulässig erklärt, so ist nunmehr die Zu-
ständigkeit der Verwaltungsbehörden oder der Ver-
waltungsgerichte ausgeschlossen.
Entsprechende Reglungen ergingen für eine
Reihe anderer Bundesstaaten, so für
Baden, Sachsen, Bayern, Württemberg, beide
Mecklenburg, Sachsen-Koburg und Gotha, Olden-
burg, Braunschweig.
B. Ausländische Gesetzgebung. In Öster-
reich werden die Kompetenzstreite zwischen ver-
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