515
Kranken und Verwundeten selbst übernehmen. Die
dienstlich beorderte Begleit= oder Wachtmann-
schaft ist (analog Art. 12) zurückzusenden, die
Sanitätsausrüstung einschließlich der für Räu-
mungszwecke besonders eingerichteten Eisenbahn-
züge und Schiffsfahrzeuge und deren Ausstattung
zurückzugeben (Art. 17).
f)Zu Ehren der Schweiz wird als Kon-
ventionszeichen das rote Kreuz auf weißem
Felde auf den Flaggen der Sanitätsformationen
und anstalten (auch der neutralen Hilfsgesell-
schaften) neben der Flagge der betreffenden Kriegs-
partei, auf den Armbinden des Personals und auf
der gesamten, mit dem Sanitätsdienst in Verbin-
dung stehenden Ausrüstung angebracht (Art. 18
bis 22).
8) Die Vertragsmächte verpflichten sich schließ-
lich (Art. 27/28), den Mißbrauch des roten Kreuzes
in Friedenszeiten (namentlich zu Handelszwecken),
ferner in Kriegszeiten die Beraubung und schlechte
Behandlung der Kranken und Verwundeten so-
wie den unbefugten Gebrauch der Flagge oder
Armbinden seitens der von der Konvention nicht
geschützten Militär= oder Privatpersonen durch
Strafbestimmungen zu verhindern.
X. Die Kriegerische Besetzung feindlichen
mitaatsgebietes. Gelingt es den fortschreitenden
Slitärischen Operationen, einen Teil des feind-
lichen Staatsgebiets zu besetzen, so entstehen be-
stimmte Rechtsverhältnisse zwischen der besetzenden
Staatsgewalt einerseits und dem okkupierten Lande
und seinen Bewohnern anderseits.
1. Begriff. Zur Besetzung eines Gebietes
genügt nicht die bloße Erklärung, dasselbe sei
okkupiert, auch nicht die vorübergehende Besetzung
durch ein Streifkorps. Ein Gebiet ist vielmehr
erst dann und nur soweit besetzt, als es sich in der
tatsächlichen Gewalt des feindlichen Heeres be-
findet und diese Gewalt auch effektiv ausgeübt
werden kann (Art. 42 des Haager Reglements).
Hierzu ist nicht erforderlich, daß jeder Punkt des
okkupierten Gebietes gleichmäßig von Truppen
oder Zivilorganen besetzt ist, es genügt vielmehr,
daß der Okkupant mit seinen Machtmitteln die
Herrschaft im Lande zu behaupten vermag. Der
Unterschied zwischen Besetzung und Eroberung
liegt darin, daß hier das betreffende Gebiet vom
Sieger rechtlich erworben wird, dort nur soweit
die tatsächliche Macht der besetzenden Truppen
reicht, und zwar nur vorübergehend die Staats-
gewalt des Okkupierenden an die Stelle der recht-
mäßigen Staatsgewalt tritt.
2. Die Verwaltung des Landes. So-
bald die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die
Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser
alle von ihm abhängigen Vorkehrungen zu treffen,
um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und
das öffentliche Leben wiederherzustellen und auf-
recht zu erhalten, und zwar, soweit kein zwingendes
Hindernis besteht, unter Beachtung der Landes-
gesetze (Art. 43). Somit sind also Gesetzgebung,
Krieg usw.
516
Rechtspflege und Verwaltung nach Möglichkeit
durch die bisherigen Organe fortzuführen. Ein
Eingriff in die Rechtsordnung steht dem Okku-
panten, von Kriegsnotwendigkeit abgesehen, nicht
zu. Zur Sicherung der besetzenden Truppen und
der Kriegszwecke können die erforderlichen Maß-
regeln (Kriegsgerichte, erhöhte Strafen) getroffen
werden. Doch dürfen nach Art. 50 für die Hand-
lungen einzelner nicht Strafen über die ganze
Bevölkerung verhängt werden. Das bewegliche
Staatseigentum, wie Waffen, Pferde, Kriegs-
material, Geld und Wertpapiere, kann eingezogen,
Steuern und Abgaben in dem bisherigen Um-
fange erhoben werden, wodurch aber die Pflicht
entsteht, die Kosten der Verwaltung des Landes
zu tragen (Art. 48). Unbewegliches Staatsgut,
wie Domänen, Gebäude, Staatseisenbahnen, kann
von dem Okkupanten nach den Regeln des Nieß-
brauchs verwendet werden. Offentliche, aber auch
private Anstalten, die dem Gottesdienst, der Wohl-
tätigkeit, dem Unterricht, der Kunst und Wissen-
schaft gewidmet sind, bleiben unverletzlich. Zer-
störung oder Beschädigung von derartigen An-
lagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von
Werken der Kunst und Wissenschaft ist zu be-
strafen. Die unterseeischen Kabel, die nach einem
neutralen Gebiete laufen, dürfen nur im äußersten
Notfall zerstört werden (Art. 53/560).
3. Die Rechtsstellung der Bewohner.
Die Bewohner des besetzten Gebietes schulden der
besetzenden Staatsgewalt Gehorsam, nicht aber
die Untertanentreue. Infolgedessen dürfen sie nicht
gezwungen werden, den Treueid zu leisten oder
Auskünfte über das Heer des andern Kriegführen-
den oder dessen Verteidigungsmittel zu geben oder
an den Kriegsunternehmungen gegen ihr eignes
Land teilzunehmen (Art. 44/45). Die Ehre und
die Rechte der Familie, das Leben der Bürger
und das Privateigentum sowie die religiösen Über-
zeugungen und gottesdienstlichen Handlungen sollen
geachtet werden. Infolgedessen ist Einziehung,
Beutemachen und Plünderung des Privateigen-
tums völkerrechtswidrig (Art. 46/47). Doch können
Gegenstände des Privateigentums, die unmittel-
bar zur Kriegführung zu dienen geeignet sind, wie
Waffen, Pferde, Kleidung, Nahrungsmittel, ferner
das rollende Material der Eisenbahnen, Tele-
graphen-und Telephonanlagen, Schiffeund Wagen
vorläufig beschlagnahmt werden, sind aber nach
Friedensschluß wenn möglich zurückzugeben oder
wenigstens zu ersetzen (Art. 53). Rollendes Eisen-
bahnmaterial, das aus neutralen Staaten kommt,
muß nach Art. 19 des V. Abkommens von 1907
so bald wie möglich, eventuell mit einer ent-
sprechenden Entschädigung, restituiert werden.
4. Die Requisitionen und Kontri-
butionen stellen sich als eine durch die Kriegs-
notwendigkeit diktierte, aber doch durch den Grund-
satz der Unverletzlichkeit des Privateigentums
beschränkte Heranziehung des Privateigentums der
Bürger zu außerordentlichen Leistungen dar.