Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Kranken und Verwundeten selbst übernehmen. Die 
dienstlich beorderte Begleit= oder Wachtmann- 
schaft ist (analog Art. 12) zurückzusenden, die 
Sanitätsausrüstung einschließlich der für Räu- 
mungszwecke besonders eingerichteten Eisenbahn- 
züge und Schiffsfahrzeuge und deren Ausstattung 
zurückzugeben (Art. 17). 
f)Zu Ehren der Schweiz wird als Kon- 
ventionszeichen das rote Kreuz auf weißem 
Felde auf den Flaggen der Sanitätsformationen 
und anstalten (auch der neutralen Hilfsgesell- 
schaften) neben der Flagge der betreffenden Kriegs- 
partei, auf den Armbinden des Personals und auf 
der gesamten, mit dem Sanitätsdienst in Verbin- 
dung stehenden Ausrüstung angebracht (Art. 18 
bis 22). 
8) Die Vertragsmächte verpflichten sich schließ- 
lich (Art. 27/28), den Mißbrauch des roten Kreuzes 
in Friedenszeiten (namentlich zu Handelszwecken), 
ferner in Kriegszeiten die Beraubung und schlechte 
Behandlung der Kranken und Verwundeten so- 
wie den unbefugten Gebrauch der Flagge oder 
Armbinden seitens der von der Konvention nicht 
geschützten Militär= oder Privatpersonen durch 
Strafbestimmungen zu verhindern. 
X. Die Kriegerische Besetzung feindlichen 
mitaatsgebietes. Gelingt es den fortschreitenden 
Slitärischen Operationen, einen Teil des feind- 
lichen Staatsgebiets zu besetzen, so entstehen be- 
stimmte Rechtsverhältnisse zwischen der besetzenden 
Staatsgewalt einerseits und dem okkupierten Lande 
und seinen Bewohnern anderseits. 
1. Begriff. Zur Besetzung eines Gebietes 
genügt nicht die bloße Erklärung, dasselbe sei 
okkupiert, auch nicht die vorübergehende Besetzung 
durch ein Streifkorps. Ein Gebiet ist vielmehr 
erst dann und nur soweit besetzt, als es sich in der 
tatsächlichen Gewalt des feindlichen Heeres be- 
findet und diese Gewalt auch effektiv ausgeübt 
werden kann (Art. 42 des Haager Reglements). 
Hierzu ist nicht erforderlich, daß jeder Punkt des 
okkupierten Gebietes gleichmäßig von Truppen 
oder Zivilorganen besetzt ist, es genügt vielmehr, 
daß der Okkupant mit seinen Machtmitteln die 
Herrschaft im Lande zu behaupten vermag. Der 
Unterschied zwischen Besetzung und Eroberung 
liegt darin, daß hier das betreffende Gebiet vom 
Sieger rechtlich erworben wird, dort nur soweit 
die tatsächliche Macht der besetzenden Truppen 
reicht, und zwar nur vorübergehend die Staats- 
gewalt des Okkupierenden an die Stelle der recht- 
mäßigen Staatsgewalt tritt. 
2. Die Verwaltung des Landes. So- 
bald die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die 
Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser 
alle von ihm abhängigen Vorkehrungen zu treffen, 
um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und 
das öffentliche Leben wiederherzustellen und auf- 
recht zu erhalten, und zwar, soweit kein zwingendes 
Hindernis besteht, unter Beachtung der Landes- 
gesetze (Art. 43). Somit sind also Gesetzgebung, 
Krieg usw. 
  
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Rechtspflege und Verwaltung nach Möglichkeit 
durch die bisherigen Organe fortzuführen. Ein 
Eingriff in die Rechtsordnung steht dem Okku- 
panten, von Kriegsnotwendigkeit abgesehen, nicht 
zu. Zur Sicherung der besetzenden Truppen und 
der Kriegszwecke können die erforderlichen Maß- 
regeln (Kriegsgerichte, erhöhte Strafen) getroffen 
werden. Doch dürfen nach Art. 50 für die Hand- 
lungen einzelner nicht Strafen über die ganze 
Bevölkerung verhängt werden. Das bewegliche 
Staatseigentum, wie Waffen, Pferde, Kriegs- 
material, Geld und Wertpapiere, kann eingezogen, 
Steuern und Abgaben in dem bisherigen Um- 
fange erhoben werden, wodurch aber die Pflicht 
entsteht, die Kosten der Verwaltung des Landes 
zu tragen (Art. 48). Unbewegliches Staatsgut, 
wie Domänen, Gebäude, Staatseisenbahnen, kann 
von dem Okkupanten nach den Regeln des Nieß- 
brauchs verwendet werden. Offentliche, aber auch 
private Anstalten, die dem Gottesdienst, der Wohl- 
tätigkeit, dem Unterricht, der Kunst und Wissen- 
schaft gewidmet sind, bleiben unverletzlich. Zer- 
störung oder Beschädigung von derartigen An- 
lagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von 
Werken der Kunst und Wissenschaft ist zu be- 
strafen. Die unterseeischen Kabel, die nach einem 
neutralen Gebiete laufen, dürfen nur im äußersten 
Notfall zerstört werden (Art. 53/560). 
3. Die Rechtsstellung der Bewohner. 
Die Bewohner des besetzten Gebietes schulden der 
besetzenden Staatsgewalt Gehorsam, nicht aber 
die Untertanentreue. Infolgedessen dürfen sie nicht 
gezwungen werden, den Treueid zu leisten oder 
Auskünfte über das Heer des andern Kriegführen- 
den oder dessen Verteidigungsmittel zu geben oder 
an den Kriegsunternehmungen gegen ihr eignes 
Land teilzunehmen (Art. 44/45). Die Ehre und 
die Rechte der Familie, das Leben der Bürger 
und das Privateigentum sowie die religiösen Über- 
zeugungen und gottesdienstlichen Handlungen sollen 
geachtet werden. Infolgedessen ist Einziehung, 
Beutemachen und Plünderung des Privateigen- 
tums völkerrechtswidrig (Art. 46/47). Doch können 
Gegenstände des Privateigentums, die unmittel- 
bar zur Kriegführung zu dienen geeignet sind, wie 
Waffen, Pferde, Kleidung, Nahrungsmittel, ferner 
das rollende Material der Eisenbahnen, Tele- 
graphen-und Telephonanlagen, Schiffeund Wagen 
vorläufig beschlagnahmt werden, sind aber nach 
Friedensschluß wenn möglich zurückzugeben oder 
wenigstens zu ersetzen (Art. 53). Rollendes Eisen- 
bahnmaterial, das aus neutralen Staaten kommt, 
muß nach Art. 19 des V. Abkommens von 1907 
so bald wie möglich, eventuell mit einer ent- 
sprechenden Entschädigung, restituiert werden. 
4. Die Requisitionen und Kontri- 
butionen stellen sich als eine durch die Kriegs- 
notwendigkeit diktierte, aber doch durch den Grund- 
satz der Unverletzlichkeit des Privateigentums 
beschränkte Heranziehung des Privateigentums der 
Bürger zu außerordentlichen Leistungen dar.
	        
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