Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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dürfte freilich durch richterliches Erkenntnis allein 
kaum in einwandfreier Weise festzustellen sein. 
Zur Durchführung der Kartellvereinbarungen 
gehört es endlich, daß möglichst alle Konkur- 
renten gezwungen werden, sich denselben anzu- 
schließen. Die zu diesem Zweck dienlichen Mittel 
sind von den Kartellen vielfach in rücksichts- 
loser Weise angewendet worden. Dabei ist ander- 
seits allerdings auch in Betracht zu ziehen, daß 
die Outsiders manchmal sich den wirtschaft- 
lichen Nutzen der Kartelle, besonders in der 
Preispolitik, zu eigen machten, ohne an ihren 
Lasten teilzunehmen. 
IV. Die Arsachen und Beweggründe der 
Kartellbildung sind bereits zu Anfang berührt 
worden und teilweise auch in den Mitteln der 
Kartellierung klar ausgesprochen. Einem Irrtum 
muß hier vor allem vorgebeugt werden. Gewiß 
besteht ein enger Zusammenhang zwischen un- 
günstigen Konjunkturen und Kartellgründungen. 
Aber diese werden doch keineswegs immer direkt 
durch eine wirtschaftliche Notlage, Uberproduktion 
infolge mangelnder Marktübersicht und niedrige 
Preise, veranlaßt. Bereits oben ist der Satz 
Pohles genannt worden: „Die Kartelle sind eine 
Folge des allgemein menschlichen Strebens nach 
höchstmöglichem Gewinn.“ Dieses Streben be- 
tätigt sich aber bekanntlich nicht nur dann, wenn 
der Gewinn heruntergeht, und die Unternehmer 
erweisen sich im allgemeinen nicht als so uneigen- 
nützig, nur im Notfalle zum Mittel der Kartel- 
lierung zu greifen. Es ist eine Tatsache, „daß 
mit weiterer Ausbildung des Kartellwesens die 
Verbände aus Repressivmaßregeln immer mehr 
zu Präventivmitteln werden, der Verhütung des 
Konkurrenzkampfes und der Krisen, nicht der 
Beseitigung derselben dienen“ (Liefmann, Unter- 
nehmerverbände 53). Es kommt sogar häufig vor, 
worauf Liefmann aufmerksam gemacht hat, daß 
Kartelle geradezu behufs besserer Ausnutzung einer 
günstigen Konjunktur gegründet werden, nicht nur, 
weil etwa das gleichzeitige Steigen der Rohstoff- 
preise darauf hindrängt, sondern ausdrücklich zu 
dem Zweck, damit die betreffenden Unternehmer 
ihre Preise erhöhen können, ohne befürchten zu 
müssen, von Konkurrenten unterboten zu werden. 
Hier tritt also der Beweggrund der Gewinn- 
erhöhung kraß zu Tage. Liefmann weist zur Be- 
kräftigung dieser Tatsache darauf hin, daß auch 
in Zeiten des Aufschwungs, wie 1882, 1888 bis 
1890 und während der 1900 zu Ende gegangenen 
Hochkonjunktur viele Kartelle entstanden. 
Trotzdem nun vielleicht in einem bestimmten 
Produktionsgebiet Ursachen und Beweggründe zur 
Kartellierung reichlich vorhanden sind, kommt den- 
noch nicht immer ein Kartell oder wenigstens kein 
solches höherer Ordnung zu stande, weil es an ge- 
wissen Vorbedingungen fehlt. Erst wenn ein hoher 
Prozentsatz (75—80 % ) der gesamten in Betracht 
kommenden Produktion in einem Kartell vertreten 
ist, wird es wirklich zu einem wirtschaftlichen 
Kartelle. 
  
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Machtfaktor. Außerdem fällt die ausländische 
Konkurrenz sehr ins Gewicht, die man deshalb 
durch internationale Vereinbarungen möglichst 
auszuschließen sucht, falls nicht Schutzzölle vor- 
handen sind, deren Höhe die vom Kartell erstrebten 
Preise garantiert. Jedenfalls sind Schutzzölle der 
Machtentfaltung des Kartellwesens sehr günstig. 
Begünstigt wird die Kartellbildung ferner da- 
durch, daß eine geringe Zahl von Produzenten 
einer ebenfalls geringen Zahl von Abnehmern 
gegenübersteht, weiterhin durch eine gewisse Kon- 
zentration der Betriebe, durch welche schon viele 
weniger leistungsfähige Betriebe vorher aufgesaugt 
worden sind. Die wichtigsten Vorbedingungen für 
den dauernden Bestand eines Kartells höherer 
Ordnung sind aber einmal eine hoch entwickelte 
kapitalistische Produktionsweise in dem Sinne, 
daß Kapitalgüter, wie Maschinen, Anlagen, 
Apparate usw. bei Herstellung einer Ware in 
großem Umfang Verwendung finden, daher neue 
Konkurrenzanlagen erschweren, anderseits eine 
Gleichförmigkeit der Produkte sowie des Produk- 
tionsprozesses, welche die Waren als Erzeugnisse 
einer Gesamtunternehmung gelten läßt. Von diesen 
Grundbedingungen fehlt im allgemeinen die erste 
sowohl in der Landwirtschaft — wo überdies die 
Natur eine Produktionsregulierung durch mensch- 
liche Vereinbarung kaum zuläßt — wie im hand- 
werksmäßigen Kleinbetrieb, die zweile im Hand- 
werk wie überhaupt in allen denjenigen Geschäfts- 
zweigen, welche konsumfertige Waren herstellen 
(vergebliche Kartellierungsversuche in der Wirk- 
waren-, Schokoladen-, Glacéhandschuhindustrie 
u. a.). Als das eigentliche Feld der Kartelle 
höherer Ordnung bleibt daher neben dem Berg- 
bau dasjenige Produktionsgebiet, welches zugleich 
das Hauptgebiet der Großindustrie bildet, nämlich 
die zwischen der landwirtschaftlichen Urproduktion 
und der Herstellung konsumfertiger Waren liegende 
Erzeugung sog. Halbfabrikate und Produktions- 
hilfsstoffe. „In dieser Phase der Produktion ist 
gewöhnlich die von uns als Voraussetzung der 
Kartellierung hingestellte Stetigkeit des Produk= 
tionsprozesses gegeben. Lier hat die kapitalistische 
Produktionsweise, der Großbetrieb, die meisten 
Fortschritte gemacht und das Handwerk fast ganz 
aus dem Felde geschlagen. Hier besitzen die er- 
zeugten Waren sozusagen keinen individuellen 
Charakter mehr, sondern nur noch einen Gattungs- 
charakter. Dieser Umstand erst ermöglicht die Er- 
richtung einer gemeinsamen Verkaufsstelle, weil 
nun die Waren nach außen hin als Erzeugnisse 
des Kartells auftreten können“ (Pohle a. a. O. 
77). Durch eine von Liefmann (a. a. O. 144) 
aufgestellte Liste der hauptsächlichsten in Deutsch- 
land kartellierten Artikel wird jene Tatsache voll- 
auf bestätigt. Es seien aus dieser Liste beispiels- 
halber nur genannt: Eisenstein, Walzprodukte, 
Röhren, Weißblech, Draht, Träger, Kalifabrikate, 
Zement, Ziegeleiprodukte, Kalk, Gips, alle Arten 
Kohle und Holzstoff.
	        
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