49
dürfte freilich durch richterliches Erkenntnis allein
kaum in einwandfreier Weise festzustellen sein.
Zur Durchführung der Kartellvereinbarungen
gehört es endlich, daß möglichst alle Konkur-
renten gezwungen werden, sich denselben anzu-
schließen. Die zu diesem Zweck dienlichen Mittel
sind von den Kartellen vielfach in rücksichts-
loser Weise angewendet worden. Dabei ist ander-
seits allerdings auch in Betracht zu ziehen, daß
die Outsiders manchmal sich den wirtschaft-
lichen Nutzen der Kartelle, besonders in der
Preispolitik, zu eigen machten, ohne an ihren
Lasten teilzunehmen.
IV. Die Arsachen und Beweggründe der
Kartellbildung sind bereits zu Anfang berührt
worden und teilweise auch in den Mitteln der
Kartellierung klar ausgesprochen. Einem Irrtum
muß hier vor allem vorgebeugt werden. Gewiß
besteht ein enger Zusammenhang zwischen un-
günstigen Konjunkturen und Kartellgründungen.
Aber diese werden doch keineswegs immer direkt
durch eine wirtschaftliche Notlage, Uberproduktion
infolge mangelnder Marktübersicht und niedrige
Preise, veranlaßt. Bereits oben ist der Satz
Pohles genannt worden: „Die Kartelle sind eine
Folge des allgemein menschlichen Strebens nach
höchstmöglichem Gewinn.“ Dieses Streben be-
tätigt sich aber bekanntlich nicht nur dann, wenn
der Gewinn heruntergeht, und die Unternehmer
erweisen sich im allgemeinen nicht als so uneigen-
nützig, nur im Notfalle zum Mittel der Kartel-
lierung zu greifen. Es ist eine Tatsache, „daß
mit weiterer Ausbildung des Kartellwesens die
Verbände aus Repressivmaßregeln immer mehr
zu Präventivmitteln werden, der Verhütung des
Konkurrenzkampfes und der Krisen, nicht der
Beseitigung derselben dienen“ (Liefmann, Unter-
nehmerverbände 53). Es kommt sogar häufig vor,
worauf Liefmann aufmerksam gemacht hat, daß
Kartelle geradezu behufs besserer Ausnutzung einer
günstigen Konjunktur gegründet werden, nicht nur,
weil etwa das gleichzeitige Steigen der Rohstoff-
preise darauf hindrängt, sondern ausdrücklich zu
dem Zweck, damit die betreffenden Unternehmer
ihre Preise erhöhen können, ohne befürchten zu
müssen, von Konkurrenten unterboten zu werden.
Hier tritt also der Beweggrund der Gewinn-
erhöhung kraß zu Tage. Liefmann weist zur Be-
kräftigung dieser Tatsache darauf hin, daß auch
in Zeiten des Aufschwungs, wie 1882, 1888 bis
1890 und während der 1900 zu Ende gegangenen
Hochkonjunktur viele Kartelle entstanden.
Trotzdem nun vielleicht in einem bestimmten
Produktionsgebiet Ursachen und Beweggründe zur
Kartellierung reichlich vorhanden sind, kommt den-
noch nicht immer ein Kartell oder wenigstens kein
solches höherer Ordnung zu stande, weil es an ge-
wissen Vorbedingungen fehlt. Erst wenn ein hoher
Prozentsatz (75—80 % ) der gesamten in Betracht
kommenden Produktion in einem Kartell vertreten
ist, wird es wirklich zu einem wirtschaftlichen
Kartelle.
50
Machtfaktor. Außerdem fällt die ausländische
Konkurrenz sehr ins Gewicht, die man deshalb
durch internationale Vereinbarungen möglichst
auszuschließen sucht, falls nicht Schutzzölle vor-
handen sind, deren Höhe die vom Kartell erstrebten
Preise garantiert. Jedenfalls sind Schutzzölle der
Machtentfaltung des Kartellwesens sehr günstig.
Begünstigt wird die Kartellbildung ferner da-
durch, daß eine geringe Zahl von Produzenten
einer ebenfalls geringen Zahl von Abnehmern
gegenübersteht, weiterhin durch eine gewisse Kon-
zentration der Betriebe, durch welche schon viele
weniger leistungsfähige Betriebe vorher aufgesaugt
worden sind. Die wichtigsten Vorbedingungen für
den dauernden Bestand eines Kartells höherer
Ordnung sind aber einmal eine hoch entwickelte
kapitalistische Produktionsweise in dem Sinne,
daß Kapitalgüter, wie Maschinen, Anlagen,
Apparate usw. bei Herstellung einer Ware in
großem Umfang Verwendung finden, daher neue
Konkurrenzanlagen erschweren, anderseits eine
Gleichförmigkeit der Produkte sowie des Produk-
tionsprozesses, welche die Waren als Erzeugnisse
einer Gesamtunternehmung gelten läßt. Von diesen
Grundbedingungen fehlt im allgemeinen die erste
sowohl in der Landwirtschaft — wo überdies die
Natur eine Produktionsregulierung durch mensch-
liche Vereinbarung kaum zuläßt — wie im hand-
werksmäßigen Kleinbetrieb, die zweile im Hand-
werk wie überhaupt in allen denjenigen Geschäfts-
zweigen, welche konsumfertige Waren herstellen
(vergebliche Kartellierungsversuche in der Wirk-
waren-, Schokoladen-, Glacéhandschuhindustrie
u. a.). Als das eigentliche Feld der Kartelle
höherer Ordnung bleibt daher neben dem Berg-
bau dasjenige Produktionsgebiet, welches zugleich
das Hauptgebiet der Großindustrie bildet, nämlich
die zwischen der landwirtschaftlichen Urproduktion
und der Herstellung konsumfertiger Waren liegende
Erzeugung sog. Halbfabrikate und Produktions-
hilfsstoffe. „In dieser Phase der Produktion ist
gewöhnlich die von uns als Voraussetzung der
Kartellierung hingestellte Stetigkeit des Produk=
tionsprozesses gegeben. Lier hat die kapitalistische
Produktionsweise, der Großbetrieb, die meisten
Fortschritte gemacht und das Handwerk fast ganz
aus dem Felde geschlagen. Hier besitzen die er-
zeugten Waren sozusagen keinen individuellen
Charakter mehr, sondern nur noch einen Gattungs-
charakter. Dieser Umstand erst ermöglicht die Er-
richtung einer gemeinsamen Verkaufsstelle, weil
nun die Waren nach außen hin als Erzeugnisse
des Kartells auftreten können“ (Pohle a. a. O.
77). Durch eine von Liefmann (a. a. O. 144)
aufgestellte Liste der hauptsächlichsten in Deutsch-
land kartellierten Artikel wird jene Tatsache voll-
auf bestätigt. Es seien aus dieser Liste beispiels-
halber nur genannt: Eisenstein, Walzprodukte,
Röhren, Weißblech, Draht, Träger, Kalifabrikate,
Zement, Ziegeleiprodukte, Kalk, Gips, alle Arten
Kohle und Holzstoff.