Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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oberste Leitung des Bußwesens bestimmt, erlangte 
sie allmählich auch eine nicht unbedeutende Juris- 
diktion pro foro externo. Pius V. unterzog sie 
dann 1569 einer gänzlichen Umgestaltung. Gleich- 
wohl erhielt sie seit der französischen Revolution 
wieder die Vollmacht, den kanonisch Armen auch 
in foro externo Ehedispensen zu erteilen. Nun- 
mehr ist ihre Jurisdiktion, nachdem die Vollmacht 
zur Dispensation von öffentlichen Ehehindernissen, 
unter Aufhebung der konkurrierenden Kompetenz 
des Brevensekretariats, der Propaganda, der Da- 
tarie und der Kongregation für außerordentliche 
Angelegenheiten, ausschließlich (von den erwähnten, 
dem S. Officium reservierten Fällen abgesehen) der 
Sakramentskongregation übertragen ist, wieder- 
um gänzlich auf das forum internum sowohl 
sacramentale (Beichtforum) wie nonsacramen- 
tale (Gewissensforum) beschränkt. Hier aber ist 
sie ausschließlich zuständig für alle Gnaden, Abso- 
lutionen (außer den wenigen dem Papste specia- 
lissimo modo reservierten Zensuren, wie z. B. 
bei Verletzung des secretum S. Officü), Dispen- 
sationen, Kommutationen von einfachen Gelübden, 
Kondonation für den unrechtmäßigen Erwerb von 
Kirchengut, Sanation ungültiger Ehen und un- 
gültiger Pfründenverleihung wie überhaupt für alle 
Gewissensfragen. — Die Pönitentiarie steht unter 
dem Kardinal-Großpönitentiar, dessen Vertreter 
und erster Gehilfe der regens poenitentiariae 
ist. Als Fachgelehrte dienen der theologus aus 
dem Jesuitenorden und der canonista. Ais# weitere 
Beamte kommen in Betracht der datarius, cor- 
rector, sigillator, ferner 2 Sekretäre und 5 Unter- 
beamte. — Sämtliche Materien sind secreto et 
gratis zu expedieren (Sap. Cons. II 1; Norm. 
pec. c. VIII, art. 1; Index a. a. O. 129 #). 
2. Die Sacra Romana Kote ist aus den 
auditores sacri palatü hervorgegangen, denen 
die Päpste die Instruktion oder auch die Entschei- 
dung der an sie gebrachten Rechtsstreitigkeiten 
übertrugen. Nachdem ihr Johann XXII. 1331 
eine feste Organisation gegeben hatte, bildete sie 
das ständige Tribunal in höchster Instanz für die 
kirchlichen Streitsachen aus der ganzen Christen- 
i wie für die weltlichen derselben Art aus dem 
irchenstaat. Gegenüber der wachsenden Gerichts- 
barkeit der Kongregationen sank die Bedeutung 
dieses ehrwürdigsten und angesehensten Gerichts- 
hofes der Welt mehr und mehr herab und ward 
seine Kompetenz, wenn er auch prinzipiell für Ehe- 
und Benefiziensachen zuständig blieb, doch auf die 
weltlichen Zivilprozesse des Kirchenstaates be- 
schränkt, bis ihm 1870 auch diese Wirksamkeit ge- 
nommen ward. Leo XIII. suchte die Rota insofern 
zu erhalten, als er ihre Mitglieder zu Richtern 
über die Gültigkeit der Prozesse in den Angelegen- 
heiten der Beatifikation und Kanonisation er- 
nannte. Außerdem wurden einzelne von ihnen in 
Richter= und Präsidentenstellen in der 1882 er- 
richteten Prälatenkommission zur Entscheidung von 
Rechtsstreitigkeiten zwischen den päpstlichen Palast- 
Kurie. 
  
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beamten und der Palastverwaltung verwendet. 
Nunmehr ist die Rota wiederum als Appellations- 
gerichtshof für alle kirchlichen Zivil-, aber auch 
Strafprozesse, die ein strenges Justizverfahren ver- 
langen, eingesetzt worden. Ausgenommen sind nur 
die dem Papste ausdrücklich reservierten causae 
maiores. — Grundsätzlich ist die Rota Gerichts- 
hof höherer Instanz. Nur ausnahmsweise kann sie 
in erster Instanz tätig werden, wenn ihr der Papst 
motu proprio oder auf Bitten der Parteien eine 
Sache überweist. Hier fällt sie dann gegebenenfalls 
auch in zweiter und dritter Instanz das Urteil, 
wobei naturgemäß das Richterkollegium (turnus) 
eine andere Zusammensetzung aufweist. Zweite 
Instanz ist sie für die Appellationen gegen erst- 
instanzliche Urteile des römischen Stadtvikariates 
oder der Ordinarien. Weitere Appellation geht 
gleichfalls an den nächstfolgenden Turnus. Als 
letzte Instanz ist sie zuständig, wenn der Prozeß 
schon zwei bischöfliche Instanzen durchlaufen hat. 
Der Rota steht ferner die Entscheidung über das 
außerordentliche Rechtsmittel der restitutio in 
integrum gegen ein rechtskräftig gewordenes 
Urteil der Ordinarien zu, für die Appellation 
gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen der 
Ordinarien ist dagegen nicht die Rota, sondern 
die betreffende Kongregation, für die restitutio 
gegen ein rechtskräftiges Rota-Urteil die Signatura 
kompetent. — Die Rota setzt sich zusammen aus 
10 Prälaten als Richtern, auditores genannt, von 
denen der älteste der Dekan als primus inter 
Pares ist, ferner aus gleichviel adiutores zur 
Unterstützung der Auditoren, dem promotor 
iustitiae und dem defensor vinculi, sowie 
schließlich 6 Offizialen. Als Gerichtshof fungiert 
die Rota entweder im Turnus von drei Auditoren, 
von denen der amtsälteste der jeweilige auditor 
ponens causae ist, oder aber in der Gesamtheit. 
Nur bei UÜberweisung einer Angelegenheit seitens 
des Papstes oder einer Kongregation kann ein 
Kollegium von fünf oder sieben Richtern angeord- 
net werden (Sap. Cons. II 2; Lex propria 
tit. I; Index a. a. O. 130 #) 
3. Die Signatura Apostolica geht 
zurück auf die päpstlichen referendarü#, welche 
Gutachten darüber anzufertigen hatten, ob sich eine 
Angelegenheit überhaupt zur Verhandlung vor den 
kirchlichen Gerichten eigne und welchem Richter sie 
gegebenenfalls zu überweisen sei, der erst auf 
Grund eines besondern, mit der päpstlichen Unter- 
schrift (signatura) versehenen Auftrages (com- 
missio) tätig werden konnte. Hiervon erhielt 
dann die Behörde, welche die Gutachten für die 
Unterschrift ausarbeitete, den Namen Signatura. 
Später wurden die Gesuche in Prozeßsachen in 
einem formellen Gerichtsverfahren entschieden 
(Signatura lustitiae), während die davon ab- 
gezweigte Signatura Gratiae den Charakter einer 
beratenden Behörde zur Vorbereitung der Ent- 
scheidung außerordentlicher Gnadenakte durch den 
Papst behielt. Gregor XVI. überwies dann 1834 
- 21ss
	        
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