Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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politik; Meitzen, Der Boden u. die landw. Ver- 
hältnisse des preuß. Staates; Dünckelberg, Kultur- 
technik; Koppe, Ackerbau u. Viehzucht; Blomeyer, 
Die Kultur der landw. Nutzpflanzen; Kühn, Er- 
nährung des Rindviehs; Kellner, Die Ernährung 
der landw. Nutztiere. 
[Ramm, rev. Kellermann.] 
Landwirtschaftliches Bildungswe- 
sen. 1. Allgemeines und Geschicht- 
liches. Mit der auf Grundlage der Naturwissen- 
schaften ausgestalteten Landwirtschaftslehre ist 
das Bedürfnis nach Gründung von landwirtschaft- 
lichen Lehranstalten von selbst gegeben. Beide 
Vorgänge fallen daher zeitlich zusammen. Die an 
dem Prozeß der Hervorbringung landwirtschaft- 
licher Erzeugnisse als selbständige Gewerbetrei- 
bende beteiligten Personen haben aber nicht nur 
durch die von ihnen bei diesem Prozesse zu lösenden 
Aufgaben, sondern auch durch ihre Beziehungen 
zum Gesamtleben der Nation das Bedürfnis nach 
einer verschiedenartigen Bildung. Daher konnte es 
nicht ausbleiben, daß auf verschiedene Bildungs- 
grade berechnete Anstalten entstehen mußten. 
Weiter ergibt sich durch einfache vernunftgemäße 
Erwägung, daß zeitlich die höheren Lehranstalten 
zuerst entstehen mußten, da ohne diese nicht die für 
die niedrigen Lehranstalten nötigen Lehrkräfte be- 
schafft werden konnten. 
Bereits im Jahre 1727 wurde an der damaligen 
Universität Frankfurt a. d. O. eine landwirtschaft- 
liche Professur eingerichtet. Es handelte sich aber 
bei dieser, wie bei andern ähnlichen Professuren 
anderer Universitäten, um kameralistische Ausbil- 
dung von Verwaltungsbeamten. Der eigentliche 
Begründer eines systematisch durchgeführten land- 
wirtschaftlichen Bildungswesens ist Albrecht Thaer, 
von dem auch die wissenschaftliche Behandlung der 
Landwirtschaftslehre herzuleiten ist. Thaer war 
Leibmedikus des Kurfürsten von Hannover und 
machte 1802 in Celle in Hannover mit dem Apo- 
theker Einhoff zusammen bereits den Versuch zur 
Gründung landwirtschaftlicher Lehrkurse, welche 
aber noch sehr mangelhaft waren. Bald nachher 
siedelte Thaer nach Preußen über und gründete 
1806 das erste eigentliche landwirtschaftliche Lehr- 
institut in Deutschland, die später im Jahre 1819 
mit dem Namen, „Königliche Akademische Lehr- 
anstalt des Ackerbaues“ bezeichnete Anstalt zu 
Möglin, etwa 50 km östlich von Berlin gelegen. 
Im Jahre 1810 wurde Thaer auch zum Pro- 
fessor an der neugegründeten Universität Berlin 
ernannt. 
Ahnliche Anstalten wie in Möglin wurden 1818 
in Hohenheim (Württemberg), im selbigen Jahre 
in Idstein (Nassau), 1822 in Schleißheim 
(Bayern). 1829 in Tharandt (Sachsen), 1842 in 
Regenwalde (Pommern), 1847 in Proskau 
(Schlesien) und in Poppelsdorf-Bonn (Nhein- 
land), 1851 in Weende bei Göttingen, 1858 in 
Waldau bei Königsberg (Ostpreußen) gegründet. 
Diese Anstalten standen in keiner näheren Be- 
Landwirtschaftliches Bildungswesen. 
  
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ziehung zu den Universitäten. Es war F. G. 
Schulze, welcher zuerst in Jena 1826 und in 
Eldena bei Greifswalde 1835 landwirtschaftliche 
Institute in Angliederung an die betreffenden Uni- 
versitäten schuf. Liebig aber sprach sich im Jahre 
1861 in der Akademie der Wissenschaften in 
München grundsätzlich für die Vereinigung des 
Studiums der Landwirtschaftslehre mit den Uni- 
versitäten aus. Diese Liebigsche Rede hat den 
hauptsächlichsten Anteil daran, daß die landwirt- 
schaftlichen Akademien 1859 in Regenwalde, 1862 
in Möglin, 1868 in Waldau, 1869 in Tharandt, 
1871 in Hofgeismar, wohin die Idsteiner Anstalt 
1834 verlegt worden war, 1877 in Eldena, 1880 
in Proskau aufgelöst wurden. 
Durch Verlegung in der Nähe befindlicher land- 
wirtschaftlicher Akademien oder durch Neugrün- 
dung entstanden dann landwirtschaftliche Universi= 
tätsinstitute an einer Reihe von Universitäten. 
So besitzt Preußen gegenwärtig nur mehr zwei 
selbständige landwirtschaftliche Hochschulen, welche 
dem Landwirtschaftsministerium unmittelbar unter- 
stellt sind: in Berlin seit 1881 und in Poppels- 
dorf-Bonn seit 1847. Mit den Universitäten 
verbundene landwirtschaftliche Institute befinden 
sich für Preußen in Halle, Göttingen, Breslau, 
Königsberg und Kiel, für Hessen in Gleßen, für 
Sachsen in Leipzig, für Sachsen-Weimar in Jena, 
für Baden in Heidelberg, für Bayern in der land- 
wirtschaftlichen Abteilung der kgl. Technischen 
Hochschule in München. Außerdem bestehen noch 
als selbständige höhere landwirtschaftliche Lehr- 
anstalten in Deutschland die Akademie Hohenheim 
(Württemberg), verbunden mit Gutsbetrieb (ähn- 
lich wie in Poppelsdorf), und die ein Mittelding 
zwischen Hochschule und Mittelschule darstellende, 
1852 von Schleißheim nach Weihenstephan bei 
Freising verlegte Königlich-Bayrische Zentral- 
Landwirtschaftsschule. 
Die Bestrebungen zur Verbreitung landwirt- 
schaftlicher Kenntnisse in die breite Masse der Land- 
wirtschaft treibenden Bevölkerung sind auf den 
Pädagogen Pestalozzi und dessen Freunde Fel- 
lenberg und Wehrli zurückzuführen. Die von diesen 
in der Schweiz gegründeten landwirtschaftlichen 
Armenschulen lernte der bekannte Landwirtschafts- 
reformer Schwerz bei seinen Schweizerreisen 
kennen, und als er die Hohenheimer landwirtschaft- 
liche Akademie gründete, verband er mit dieser 
eine nach dem Muster der Wehrlischulen eingerich- 
tete niedere Lehranstalt. Es folgten weitere der- 
artige Anstalten 1822 in Schleißheim, 1832 in 
Spitzings bei Königsberg in Preußen, 1833 
in Lichtenhof bei Nürnberg, 1856 in Zwätzen bei 
Jena. Anfangs waren alle diese Schulen wie auch 
die Schweizer Anstalten nur Armenschulen für 
Jungen von 13 bis 16 Jahren. Allmählich ging 
man dazu über, diese Schulen in „theoretisch-prak- 
tische Ackerbauschulen" für Ausbildung von Bauern- 
söhnen im Alter von 16 bis 20 Jahren umzu- 
gestalten. Meistens waren diese Anstalten mit
	        
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