Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Glänzendes Elend? (1895); M. Zimmermann, 
Bosheit oder Unkenntnis? (gegen Krafft; 1896); 
A. Allgaier, Heer u. Volk (1896); Preuß, Die 
höheren Aufgaben des jungen Offiziers für Armee 
u. Volk (1906). — Hilder, Der Reserveoffizier als 
Kaufmann, Studierter u. Staatsbürger (1887). 
Über Unteroffizierstand: A. Hellhoff, Die Unter- 
offzierfrage als die wichtigste Militärfrage der 
Gegenwart (1874); A. v. Lattorff, Die Unteroffi- 
zierfrage u. die Sozialdemokratie in der Armee 
(1878); R. Krafft, Kasernenelend (1895); Gold- 
beck, Kasernenzucht (gegen Krafft; 1896). 
Über Militärversorgungswesen: Paalzow, In- 
validenversorgung u. Begutachtung beim Reichs- 
heer, bei der Marine u. bei den Schutztruppen 
(1906); Erzberger, Das neue Militärpensionsgesetz 
für Mannschaften u. Militäranwärter (1906); 
v. Düring, Kommentar zum Gesetz über die Pen- 
fionierung der Offiziere (71908). (Gröber.) 
Milliz s. Heerwesen (Bd II, Sp. 1140). 
Minister, Ministerverantwortlich- 
keit s. Staatsministerium, vgl. auch Garantien, 
staatsrechtliche (Bd II, Sp. 396 ff). 
Minorat s. Fideikommiß. 
Missio canonica s. Lehramt, kirchliches. 
Mission, innere, s. Innere Mission. 
Mittelamerika s. Zentralamerika. 
Mittelstand. I. Begriff. Der Mittel- 
standsbegriff ist in der staatswissenschaftlichen 
Literatur von jeher ein viel umstrittener gewesen. 
Über die Begriffsmerkmale des Mittelstandes und 
die Gesichtspunkte, von denen aus eine zutreffende 
Definition zu erzielen ist, gehen die Meinungen 
auseinander. Von vornherein hat sich das Kri- 
terium des Vermögens, d. h. des Kapitalbesitzes, 
als wenig brauchbar erwiesen. Desgleichen bietet 
auch eine Abgrenzung der Berufsgruppen nach 
dem Einkommen keine genügenden Anhaltspunkte 
für die Erfassung des Mittelstandsbegriffs. Besser 
vermag noch immer die ältere Auffassung zu be- 
friedigen, welche als Voraussetzung für den Mittel- 
stand die wirtschaftliche Stabilität, Seßhaftigkeit 
und Selbständigkeit bezeichnete, wobei freilich der 
Begriff „Mittelstand“ heute nach oben und nach 
unten viel weiter zu fassen ist als ehedem. Der 
Begriff des Mittelstandes läßt sich nicht mehr auf 
die alten Hauptgruppen beschränken, welche durch 
die Berufsstände der Bauern, der Handwerker und 
Kleingewerbetreibenden und der kleinen und mitt- 
leren Kaufleute gebildet wurden. Die großindu- 
strielle Entwicklung hat vielmehr in dem technischen 
und kaufmännischen Beamtenpersonal neue Grup- 
pen wirtschaftlicher Existenzen geschaffen, die be- 
rufen sein können, die Lücken auszufüllen, welche 
der alte Mittelstand aufweist. Daneben umfaßt 
heute der Mittelstand auch den größten Teil der 
sog. freien Berufe sowie der Rentner und Pen- 
sionäre (ogl. d. Art. Privatbeamtenbewegung). 
Im allgemeinen wird man sagen können, daß 
der Mittelstand alle Berufsschichten umfaßt, welche 
weder zu den Großkapitalisten, noch zum besitz- 
losen Proletariat gezählt werden können. Nach 
dem Gesagten dürfte etwa folgende Definition des 
Miliz — Mittelstand. 
  
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Mittelstandsbegriffes zutreffen: „Der Mittelstand 
besteht aus denjenigen Volksangehörigen, die durch 
ihre mehr oder weniger verantwortungsvolle Stel- 
lung, ihre Leistungen, ihre Bildung, ihren Besitz 
oder ihr Einkommen oder ihre soziale und gesell- 
schaftliche Stellung, durch den ganzen bürgerlichen 
Zuschnitt der Lebensführung über die großen 
Massen der arbeitenden Klassen hinausragen, ohne 
aber durch ein großes Einkommen zu den kapital- 
oder besitzreichen Klassen zu gehören."“ 
Die Verschiedenartigkeit der Berufsgruppen, 
aus denen sich jene so bedeutsame Mittelschicht 
zwischen den oberen Ständen und dem Prole- 
tariat zusammensetzt, läßt es begreiflich erscheinen, 
daß die Interessen innerhalb des Mittelstandes 
selbst sich vielfach widerstreiten. Die städtische und 
überhaupt die nicht bäuerliche Bevölkerung hat ein 
starkes Interesse an möglichst wohlfeilen Preisen 
der landwirtschaftlichen Produkte, während die 
Landwirtschaft alle Maßnahmen (Schutzzölle usw.) 
zur Steigerung dieser Preise ergreifen wird. Für 
den Handwerksmeister hängt die Leistungs= und 
Konkurrenzfähigkeit zum guten Teil von den Prei- 
sen der Rohstoffe ab. Die Preis= und Zollpolitik 
der Landwirtschaft verficht hingegen entgegen- 
gesetzte Interessen. Der Detailhandel sucht seine 
Waren möglichst billig einzukaufen. Das Hand- 
werk, welches in früheren Tagen den Vertrieb 
seiner Produkte selbst besorgte, wird in wohl- 
verstandenem Selbstinteresse darauf bedacht ssein, 
seine produzierten Waren zu möglichst hohen Prei- 
sen an den Handel weiterzubegeben. Jo selbst in 
ein und demselben Produktionszweige gehen die 
Interessen oft genug auseinander. Auch die Inter- 
essen des bäuerlichen und kleingewerblichen Mittel- 
standes und diejenigen des sog. neuen Mittel- 
standes der Privatbeamten und freien Berufe gehen 
in mancher Richtung stark auseinander. 
Indessen ist dem Mittelstande, vorab in der 
zunehmenden Übermacht des Großkapitals, ein 
Gegner erstanden, der trotz dieser Interessengegen- 
sätze in unsern Tagen zu einem engeren Zusammen- 
schluß der mittelständischen Berufe geführt hat. 
Die oft nur scheinbare Gegensätzlichkeit der Inter- 
essen vermag die Bedeutung und Durchschlags- 
kraft jener höheren sozialethischen Gesichtspunkte, 
von denen eine fortschrittliche und den neuen 
Zeitverhältnissen angepaßte Mittelstandsbewegung 
geleitet ist, nicht abzuschwächen. „Während die 
ungehemmte Entwicklung des Großkapitalismus 
unabweislich zu einer groben, materialistischen 
Lebensauffassung führt, in welcher die Selbstsucht 
die vorherrschende Triebkraft bildet, zielt ander- 
seits die proletarische Massenbewegung auf eine 
Gemeinwirtschaft hin, in der die Individualität 
des Menschen völlig untergehen müßte. Liegt dem 
ersteren ein übertriebener Individualismus zu- 
grunde, der sich zur rücksichtslosen Selbstsucht 
ausgestaltet, so muß in einem Kommunismus, der 
jeden Eigenbesitz und jede individuelle Entfaltung 
der Persönlichkeit unterbindet, das höhere Men- 
 
	        
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