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hatten die Bauern die aus dem Land erpreßten
Summen zu tragen und wurden von den Groß-
grundbesitzern und Würdenträgern, den Bojaren,
in Leibeigenschaft herabgedrückt oder flohen nach
Siebenbürgen oder auf türkisches Gebiet. Am trüb-
sten war die Zeit der fremdländischen Fanarioten-
fürsten (Maurokordatos, Ypsilanti, Sutsu usw.)
im 17. und 18. Jahrh., die mit ihrem griechischen
Anhang das Land plünderten. Seit dem 17. Jahrh.
richteten die Donaufürstentümer ihre Hoffnungen
auf Rußland, mit dem sie erstmals 1654 ein ge-
heimes Bündnis schlossen, und auf Osterreich,
wurden aber von beiden Mächten enttäuscht. Viel-
mehr annektierte Osterreich gemäß dem Frieden
vom 7. Mai 1775 die obere Moldau (Bukowina),
Rußland im Frieden von Bukarest 28. Mai 1812
den östlichen Teil derselben, Bessarabien. Die
Erleichterungen, die Rußland den Fürstentumern
in den Verträgen mit der Türkei von 1774, 1779,
1802 usw. hinsichtlich des Tributs und der Ab-
setzbarkeit der Fürsten verschaffte, blieben auf dem
Papier.
Eine Anderung trat erst ein nach dem Aufstand
Mpsilantis in der Moldau (1821). Die Fürsten-
tümer erhielten jetzt wieder einheimische Hospo-
dare (1822/28 Gregor Ghika in der Walachei,
Joan Alexander Sturdza in der Moldau). Im
Vertrag von Akkerman 1826 setzte Rußland die
Wahl der Fürsten durch die Bojaren auf 7 Jahre,
im Frieden von Adrianopel auf Lebenszeit durch;
außerdem wurde jetzt der Tribut für die Moldau
auf eine, für die Walachei auf zwei Mill. Piaster
beschränkt und eine neue Verwaltungs= und poli-
tische Ordnung vorgesehen. Diese kam zustande
im Organischen Reglement 1832 durch den Grafen
Kisselew, der die Fürstentümer 1828/34 an der
Spitze der russischen Besatzungstruppen regierte.
Den Fürsten wurde darin ein Bojarenrat und
eine Generalversammlung an die Seite gestellt,
Verwaltung und Steuerwesen neu organisiert, den
Bauern gegen Abgabe eines Teils der Ernte und
Pflicht zu Frondiensten Land zu Eigentum an-
gewiesen. Die beiden ersten lebenslänglichen Für-
sten wurden noch von Rußland ernannt, für die
Moldau Michael Sturdza (1834/49), in der
Walachei Alexander Ghika, dem 1843 ein anderer
Günstling des Zaren, Georg Bibescu, folgte.
Ülberhaupt waren die Fürstentümer damals weniger
Vassallenstaaten der Pforte als vielmehr Schutz=
staaten Rußlands, dessen Konsuln „wie Prokonsuln“
schalteten und die Annexion vorbereiteten. Durch
die Getreideausfuhr begann Rumänien damals
seinen wirtschaftlichen Aufschwung; er kam freilich
fast nur den Bojaren zugute, die sich jetzt im
Ausland, fast ausschließlich in Frankreich bildeten
und dort ein verschwenderisches Leben führten.
Auch das geistige Leben entwickelte sich unter fran-
zösischem Einfluß (Cogalniceanu, Eliade, Ale-
esandri, Hurmuzaki); die Philharmonische Gesell-
schaft (seit 1835) und Eliades Rumänischer
Kurier verbreiteten patriotische und liberale Ideen,
Rumänien.
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die Sehnsucht nach nationaler Einigung, Ab-
schaffung der Privilegien und freiheitlichen Ein-
richtungen. Die Revolution 1848, die Bibescu
zur Abdankung zwang, hatte aber nur den Erfolg,
daß Rußland und die Türkei das Land besetzten,
die am 21. Juni 1848 ausgerufene Verfassung
und die provisorische Regierung beseitigten und
im Vertrag von Balta Liman 1. Mai 1849 auch
die Generalversammlungen und die Wahl der
Fürsten auf Lebenszeit abschafften; erstere wurden
durch Räte (Diwane) von Bojaren und Prälaten,
letztere durch gemeinsame Ernennung durch beide
Mächte auf 7 Jahre ersetzt. Fürst wurde in der
Moldau (1849/53) der türkische Kandidat Gregor
Alexander Ghika, in der Walochei der russische,
Bibescus Bruder Barbu Stirbey. Während des
Krimkriegs waren die Fürstentümer zuerst von
russischen, dann von österreichischen Truppen be-
setzt. Der Pariser Friede vom 30. März 1856
gab auf Verlangen Osterreichs einen Teil Bessara-
biens, die Distrikte Cahul, Bolgrad und Ismail,
an die Moldau zurück und beseitigte die Schutz-
herrschaft Rußlands. Auch wurde der Vertrag
von Balta Liman außer Kraft gesetzt. Doch hielten
die Mächte hier wie in der Pariser Konvention
vom 19. Aug. 1858 an der Trennung der Fürsten-
tümer fest. Es sollten zwei Fürsten auf Lebens-
zeit gewählt werden, jeder Staat sein Ministerium
und seinen Gesetzgebenden Körper haben; Binde-
glieder, die auf die künftige, namentlich von Na-
poleon begünstigte Vereinigung hinwiesen, waren
das gemeinsame Bürgerrecht, der gemeinsame
Oberste Gerichtshof und die in Focsani, der alten
Grenzstadt zwischen beiden Staaten, tagende Kom-
mission für gemeinsame Gesetzgebung. Jedoch kam
bereits 1859 die Personalunion zustande, indem
am 17. Jan. in der Moldau, am 24. in der
Walachei Alexander Joan Cusa zum Fürsten ge-
wählt wurde. 1861 schuf er ein gemeinsames
Ministerium und eine gemeinsame Kammer und
1862 wurde die Union unter dem Namen „Fürsten-
tum Rumänien" verkündet. Sofort wurden Ar-
beiten von größter Wichtigkeit in Angriff ge-
nommen: die Gesetzeskodifikation auf Grund des
Code Napolcon, die Säkularisation der Kloster-
güter, die auswärtigen Klöstern gehörten, dorthin
ihre Einkünfte ablieserten und etlwa ½ des rumä-
nischen Bodens ausmachten (25. Dez. 1863; eine
Entschädigung kam nicht zustande), und eine
Agrarreform. Da die von den Bojaren beherrschte
Kammer sich derselben widersetzte, löste Cusa sie
am 14. Mai 1864 auf und gab gleichzeitig eine
neue Verfassung mit Zweikammersystem und er-
weitertem Wahlrecht; eine Volksabstimmung am
27. legitimierte den Staatsstreich, und am 14. Aug.
1864 wurde das Ruralgesetz (von Cogalniceanu)
veröffentlicht, das die Reste der Leibeigenschaft,
Zehnt-, Natural= und Fronleistungen aushob und
den Bauern neues Land, auf 30 Jahre unver-
äußerlich, anwies. Durch eine Reihe von Dekreten
führte Cusa die Gesetzeskodifikation, Schwur-