Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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bezirke übertragen. Dabei wurde das abstrakte 
Universitätsschema vielfach überschritten und in die 
lebendige Wirklichkeit gebaut. Besonders trieb- 
kräftig entwickelten sich Heimatliche Arbeiterkurse 
in Anlehnung an den Arbeitsbereich der christlich- 
nationalen Arbeiterbewegung und die zu ihm ge- 
hörigen konfessionellen Vereine und christlichen 
Gewerkschaften. In den Osterferien 1911 gab es 
ihrer 58 mit 2384 Hörern. Durch diese Kurse 
sind, obwohl sie erst am Anfang ihrer Entwick- 
lung stehen, schon eine große Zahl von Aka- 
demikern, die früher der Innen= und Außenwelt 
der organisierten Handarbeitenden fernstanden, in 
diese hineingewachsen und zu ihnen in freund- 
schaftliche Beziehungen getreten. Niemand wird 
leugnen, wie wertvoll das für die spätere Rechts- 
praxis, für das Arztwesen, für die Erziehung und 
für die Verwaltung ist. 
9. Auf dem Weg zum Settlement entwickelte 
das Sekretariat seit 1908 eine eigenartige Arbeits- 
form unter dem Namen der sog. Gemein- 
schaftsarbeit. Im Gesellenhaus einer Groß- 
stadt sammelten sich für 10 bis 12 Tage 12 bis 
15 Universitätsstudenten. Sie zogen ins Gesellen- 
haus, schliefen dort, aßen und verkehrten mit den 
Gesellen, besuchten deren Veranstaltungen und 
lebten unter ihnen. Während letztere zur Arbeit 
gingen, wurde die Stadt und vielfach soziale Ein- 
richtungen derselben besichtigt, täglich Vinzenz- 
arbeit getrieben, mit den Gesellen am Sonntag 
das Museum besucht und gewandert. Soziale 
Praktiker hielten zwischendurch den Studenten 
orientierende Vorträge. 
10. Einen Schritt weiter machte die sog. Re- 
sidenzarbeit, die seit 1910 vom Sekretariat 
eingerichtet wurde. Ein einzelner Studierender 
verläßt für einen oder zwei Monate seine Heimat, 
um an Orten mit besonders reicher sozialer Be- 
obachtungs= und Arbeitsmöglichkeit Einblicke zu 
tun und mitzuhelsen. In Betracht kommen als 
Mittelpunkte, um welche sich derartige Tätigkeit 
gliedert: Gesellenhäuser, Industriepfarren, Ar- 
beitersekretariate, Landarbeit, Auswandererzentra- 
len, Gewerkschaftbureaus, Charitassekretariate, 
Volksbibliotheken, Arbeitsnachweise für Studenten, 
ländliche Krankenpflegestationen, Frauenwirt- 
schaftshäuser, Arbeiterinnenorganisationen, Für- 
sorgevereine für Studentinnen. Manchen in länd- 
lichen Verhältnissen und abseits der Betätigungs- 
möglichkeit Aufwachsenden wird dadurch kostbare 
Orientierungsmöglichkeit geboten. Manchen ist 
derartiges Hineintreten in soziale Arbeitsgebiete 
eine Entdeckungsfahrt in sernes Land. Der Besuch 
Kranker, die Mitarbeit im Fürsorgewesen, der 
Unterricht in heimatlichen Arbeiterkursen, die Teil- 
nahme am Vereinswesen, das Wandern mit jungen 
Leuten, der Aufenthalt im Gesellenhaus, der Ver- 
kehr mit Vereinsleitern und Vertrauenspersonen 
wirkt erziehlich. 
11. Der zukünftigen Entwicklung wird es ob- 
liegen, die bisher geschaffene lebendige Praxis 
Sueskanal — Syllabus. 
  
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durch vertiefendegeistige Arbeit zu unter- 
stützen. Noch fehlt mit wenigen Ausnahmen die 
direktiv gebende Literatur. Theater und Kunst, 
Gymnasium und Universität, Weltanschauung und 
Willensrichtung müssen erst erobert werden. So 
abgebraucht und vulgär das Wort „Sozial“ ge- 
worden ist, so wenig tief ist sein Begriff und In- 
halt noch in die Seele der Menschen eingedrungen. 
Die soziale Erziehung steht erst im Beginn. Daß 
derartige Erziehung mit Ethik und Weltanschauung 
in engster Fühlung steht, liegt im Wesen der Dinge. 
Lirraue, wie aus der Eigenart der von deutschen 
atholiken in ihrem Volkstum geleisteten sozialen 
Arbeit erklärt sich die besondere Fruchtbarkeit der 
sozialstudentischen Bewegung im katholischen Stu- 
dententum neben der vielfach gepflegten gemein- 
samen Arbeit aller Gruppen und neben der vielfach 
gegebenen Interessierung über jede Grenze hinweg. 
Zu weiterer Orientierung über soziale Bewegung 
u. soziales Studententum empfiehlt sich die vom 
„Sekretariat sozialer Studentenarbeit“ 
(M.-Gladbach) geschaffene Literatur. Seit 1909 
erscheinen die „Sozialen Studentenblätter“ (jähr- 
lich 8 Nummern). Außerdem eine Serie von Heften 
der „Studentenbibliothek“ sowie unentgeltliche 
„Flugblätter". Gelegentlich der Katholikenver= 
sammlung erscheint jährlich ein „Jahresbericht". 
Von statistischen Zahlen sind folgende zu nennen: 
Es wurden bis zum Ende der Osterferien 1911 ge- 
gründet 193 Ferienvereinigungen. Soziale Ferien- 
veranstaltungen, Besichtigungen u. Vorträge fanden 
bis zum gleichen Termin statt 623. Es gab an 
Vereine, die zur christlichnationalen Arbeitsge- 
meinschaft gehören, angelehnte Heimatliche Arbeiter- 
kurse bis zum gleichen Termin 53, in denen 2384 
Hörer unterrichtet wurden. lSonnenschein.) 
Sueskanal s. Kanäle. 
Euzeränität s. Souveränität, völkerrecht- 
iche. 
Syllabus. LInhalt; Autorität; Bedeutung; 
Wirkung; Der „neue Syllabus“.) 
I. Inhalt. Syllabus (?0)a#go = index, 
Verzeichnis) wird das auf Befehl des Papstes 
Pius IX. am 8. Dez. 1864 von Kardinal Anto- 
nelli an alle katholischen Bischöfe des Erdkreises 
versandte Verzeichnis der hauptsächlichsten Irr- 
tümer unserer Zeit genannt, welche in den Allo- 
kutionen, Enzykliken und andern Apostolischen 
Schriften Seiner Heiligkeit Paopst Pius' IX. ge- 
rügt werden. Syllabus complectens praecipuos 
nostrac aetatis errores, qui notantur in Al- 
locutionibus consistorialibus, in Encyclicis 
aliisquc Apostolicis litteris Sanctissimi Do- 
mini Nostri Pü Papae IX. Dieses Verzeichnis 
umsaßt 80 Sähe in 10 Paragraphen. Sie lauten: 
#s* 1. Pantheismus, Naturalismus 
und absoluter Rationalismus. 1) Es 
gibt kein höchstes, allweises und allvorsehendes, 
von dieser Gesamtheit der Dinge verschiedenes 
göttliches Wesen, und Gott ist eins mit der Natur 
und daher der Veränderung unterworfen; Gott 
wird wirklich im Menschen und in der Welt; das 
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