689
brochenen Beziehungen zum Pöäpstlichen Stuhl
wieder angeknüpft. Fast alle Bewohner des Lan-
des gehören der katholischen Religion an, außer
einigen Fremden (Engländer und Deutsche) und
einer waldensischen, italienischen Ackerbaukolonie
östlich von Colonia. Es gibt an 50 Pfarreien,
120 Priester, 100 Kirchen und Kapellen; von
Orden sind Jesuiten, Kapuziner, Redemptoristen,
Salesianer usw. vertreten. Ein Teil des Klerus
empfängt seine Ausbildung im Südamerikanischen
Kolleg in Rom.
Das Unterrichtswesen ist trotz des 1884
für alle 6/12 Jahre alten Kinder angeordneten
obligatorischen Volksschulunterrichts noch mangel-
haft; 1900 konnte von den über sechs Jahre alten
Einwohnern (754 503) fast die Hälfte (350 547)
nicht lesen und schreiben. Die Leitung des Schul-
wesens liegt in den Händen eines vom Ministerium
für Ackerbau, Industrie und Unterricht ressortieren-
den Consejo Superior de Ensefanza Primaria
Normal, von denen die Schulräte in den De-
partements und Distrikten abhängig sind. 1908
gab es 1781 Volksschulen (1588 auf dem
Land). Für den mittleren und höheren Unterricht
bestehen Mittelschulen (darunter mehrere französische
Collèges), ein Lehrer= und ein Lehrerinnenseminar,
eine Kriegs= und Marineschule, Handels= und Ge-
werbeschulen, eine Universität in Montevideo mit
vier Fakultäten und einer Vorbereitungsschule.
Armee und Marine. Nach dem Budget
1910/11 setzt sich die bewaffnete Macht zusammen
aus dem Generalstab, der Militärverwaltung,
2 Feldartillerieregimentern, 10 Kavallerieregi-
mentern, 8 Schwadronen Kavallerie, 8 Batail-
lonen und 9 Kompagnien Infanterie, 1 Batterie
Festungeartillerie, 1 Mitrailleusenkompagnie,
3 Abteilungen Artillerie, 1 Park Genie, der Es-
korte des Präsidenten usw., zusammen an 690 Of-
fiziere und 7400 Mann; die Polizeitruppen sind
an 5000 Mann stark; die Nationalgarde wird auf
100 000 Mann geschätzt. Die Flotte zählte 1910
1 modernen Torpedokreuzer, 1 geschützten Kreuzer,
4 Kanonenboote (4 weitere in Bau), 1 Schulschiff
und 5 Avisos mit 60 Offizieren, 600 Matrosen,
62 Geschützen.
Das Wappen der Republik zeigt in einem
ovalen, von einer Sonne gekrönten Schild in
vier Feldern rechts oben in Blau eine silberne
Wage, links oben in Silber einen schwarzen
Zinnenturm auf schwarzem Berg (Cerro de Mon-
tevideo), rechts unten in Silber ein schwarzes
Pferd und links unten in Blau einen gelben
Stier. Die Landesfarben sind: Weiß und Blau.
Die Kriegs= und Handelsflagge ist neunmal blau
und weiß horizontal gestreift, der oberste und
unterste Streifen weiß; die obersten fünf Streifen
werden am Flaggstock von einem gquadratischen
weißen Feld mit goldener Sonne eingenommen.
4. Wirtschaftliche Verhältnisse. Die
gesamte wirtschaftliche Entwicklung des Landes be-
wegt sich seit einigen Jahren in aufsteigender Linie,
Uruguay.
690
da die politischen Verhältnisse ruhiger und die
bei den Präsidentenwahlen üblichen Unruhen we-
niger heftig geworden sind. Die Haupterwerbs-
quelle der Bevölkerung ist die Viehzucht, der
15 Mill. Hektar gewidmet sind. Die großen Herden
von halbverwilderten Rindern, Schafen und Pfer-
den werden auf großen Estancias (Landgütern)
gehalten und bleiben hier in der Hauptsache sich
selbst überlassen. Für 1908 wurde der Vieh-
bestand auf 9 Mill. Rinder, 1 Mill. Pferde,
26 Mill. Schafe, 120 000 Schweine usw. ge-
schätzt. Die Rinderzucht wird weniger der Milch-
wirtschaft wegen, die noch wenig entwickelt ist, als
wegen der Gewinnung von Schlachttieren betrieben.
Der Ackerbau, der ½ Mill. Hektar einnimmt,
spielt demgegenüber noch eine geringe Nolle, ver-
mag aber doch in einigen Zweigen Produkte über
den eignen Bedarf hinaus für die Ausfuhr zu
liefern. Außer Weizen, Mais, Flachs, Hafer,
Gerste werden auch Tabak, Wein und Oliven
kultiviert. An Mineralschätzen scheint das Land
nicht reich zu sein, und die Ausbeute ist noch in
den Anfängen; in den nördlichen Departements
werden einige Goldminen betrieben, sonst erfolgt
kein Abbau. Die Industrielehnt sich an Viehzucht
und Landbau an und beschränkt sich hauptsächlich
auf die Fleischeinsalzereien (Saladeros; an 30),
Dörrfleischanstalten und die Fleischextraktfabriken,
deren bekannteste die der Liebigkompanie in Fray
Bentos am unteren Uruguay ist.
Der Handel ruht zum großen Teil in den
Händen von Engländern und Deutschen. Die
Einfuhr betrug 1909: 37,157, die Ausfuhr
45.79 Mill. Pesos (à 4.35 Jl). Die wichtigsten
Produkte der Einfuhr sind Rohmaterialien, Textil-
waren, Nahrungsmittel, Maschinen und Kohlen;
der Ausfuhr Wolle, Häute, Fleisch und Fleisch=
extrakt, Fett und Talg, lebende Tiere, Mineralien
und Getreide. Die Hauptverkehrsländer sind Groß-
britannien, Deutschland, Frankreich, Belgien (das
auch einen Teil der Ausfuhr nach Deutschland
vermittelt), Argentinien, die Vereinigten Staaten
und Brasilien. Der Schiffsverkehr vollzieht sich
großenteils über Montevideo; 1909 liefen 4869
Schiffe mit 7514 385 Registertonnen ein, 4848
mit 7457710 Tonnen aus. Den Verkehr mit den
Orten an den Flüssen La Plata, Uruguay und Pa-
rand aufwärts besorgt fast ausschließlich die Schiff-
fahrtsaktiengesellschaft N. Mihanowich (Buenos
Aires), deren Kapital jetzt größtenteils englisch
und französisch ist. Die eigne Handelsmarine hatte
1909: 88 788 Tonnen Gehalt. Der Binnen-
handel leidet unter dem Mangel an Straßen (an
8500 km) und Eisenbahnen; 1909waren 2488km
Bahnen im Betrieb, 308 km im Bau (fast alle
mit englischem, neuerdings auch nordamerikani-
schem Kapital unter staatlicher Zinsgarantie ge-
baut). Die Zahl der Postbureaus betrug 1909
1025, der Telegraphenanstalten 319 (Länge der
Drähte 7804 km), der Telephonsprechstellen 4605
(Drahtlänge 26 584 km).