Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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(besonders der „Ständigen Kommission“ des 
Kongresses). 
Die Rechtspflege wird durch den Höchsten 
Gerichtshof und die ihm untergeordneten Gerichte 
in den Provinzen ausgeübt. Der Höchste Ge- 
richtshof, der die Funktionäre aller übrigen Ge- 
richte und seine eignen Sekretäre ernennt, besteht 
aus dem Kassationshof (5 Mitglieder) und zwei 
Appellhöfen (Salas de Apelacion) mit je drei 
Mitgliedern; seine Mitglieder werden vom Kon- 
greß auf 4 Jahre ernannt und sind immer wieder 
wählbar; sie müssen Costaricaner, weltlichen 
Stands, 30 Jahre alt, Advokaten der Republik 
sein, seit 5 Jahren ihren Beruf ausüben, ein Ka- 
pital von 3000 Pesos oder ein entsprechendes 
Einkommen besitzen und dürfen nicht zugleich an- 
dere höhere Amter bekleiden. Die Todesstrafe ist 
abgeschafft. — In Cartago besteht außerdem ein 
Internationaler Schiedsgerichtshof für die zentral- 
amerikanischen Republiken (seit 1908). 
Die von der Verfassung garantierten Freiheiten 
sind die üblichen (Gleichheit aller vor dem Gesetz, 
Freiheit des Wohnsitzes, des Handels und Ge- 
werbes, Gewissens-, Unterrichts-, Preß-, Ver- 
sammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit des Lebens 
und Eigentums, Schutz vor willkürlicher Verhaf- 
tung, Verantwortlichkeit der Beamten usw.). Das 
Bürgerrecht besitzt jeder 20 Jahre alte gebürtige 
oder naturalisierte Costaricaner; hinsichtlich der 
Naturalisation genießen die Angehörigen der an- 
dern zentralamerikanischen Republiken gewisse Be- 
günstigungen gegenüber den sonstigen Fremden. 
Die katholische Kirche, der fast alle Einwoh- 
ner angehören (mit Ausnahme einiger Hunderte 
Deutscher, Engländer und Amerikaner und der 
noch großenteils heidnischen wilden Indianer)) ist 
Staatskirche; doch ist die freie Ausübung anderer 
Kulte, soweit sie der allgemeinen Moral oder den 
guten Sitten nicht widersprechen, nicht behindert; 
der Staat trägt zum Unterhalt der Kirche bei, be- 
ansprucht aber dafür das volle Patronat über sie. 
Das gute Verhältnis zwischen beiden Gewalten 
hat seit der Beendigung des Kulturkampfes (1884 
bis 1886) keine ernstliche Trübung mehr erfahren. 
Die geistliche Jurisdiklion übt der Bischof von 
San José de Costa Rica, Suffragan von Guate- 
mala, dem an 60 Pfarreien, 155 Kirchen und 
100 Geistliche unterstehen. Von Orden sind La- 
zaristen, Sionsschwestern und Vinzentinerinnen 
vertreten. 
Der Elementar unterricht ist obligatorisch 
für beide Geschlechter und in den staatlichen Schu- 
len unentgeltlich; die unmittelbare Leitung liegt 
den Municipalidades, die oberste Aufsicht dem 
Staat ob. Jeder Costaricaner und Ausländer 
kann in den nichtstaatlichen Schulen freien Unter- 
richt geben und empfangen. Die Volksschulen 
(1909: 324 mit 949 Lehrkräften und durchschnitt- 
lich 24 100 Schulkindern) werden von den lokalen 
Schulbehörden unterhalten, vielfach mit Unter- 
stützung des Staats, der auch die Lehrer besoldet. 
Zentralamerika. 
  
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Für mittleren und höheren Unterricht bestehen ein 
Knabenlyzeum und ein Mädchenkolleg in der 
Hauptstadt, drei Colegios in andern Städten, 
ein Priesterseminar (unter Leitung deutscher La- 
zaristen), eine medizinische Fakultät und Fach- 
äumen gur Rechtskunde, Pharmazie und Zahn- 
heilkunde. 
Das aktive Heer beträgt an 6850 (5), die Re- 
serve 1470, die Nationalgarde 520 Offiziere und 
Mann; im Kriegsfall kann jeder waffenfähige 
Mann im Alter von 18 bis 50 Jahren zum 
Dienst herangezogen werden. Die Republik besitzt 
je ein Torpedo= und Kanonenboot. — Die Lan- 
desfarben sind Blau, Weiß, Rot, Weiß Blau. 
Die Kriegsflagge ist in den gleichen Farben 
horizontal gestreift; der mittlere rote Streifen ist 
doppelt so breit wie jeder andere und zeigt einen 
von Trophäen umgebenen Wappenschild, darin 
zwischen zwei Schiffen drei braune Bergkegel im 
Meer mit aufgehender Sonne auf der dem Flaggen- 
stock zugewendeten Seite und fünf Sternen am 
Himmel; die Handelsflagge ist ohne Wappen. 
Der Staatshaushalt schloß 1909/10 mit 
9280 584 Colones (= 1,95 M) in Einnahmen 
und Ausgaben ab; der Voranschlag für 1910/11 
sieht 14,2 Mill. M Einnahmen (an /8 aus Zöl- 
len, ¼ aus Spirituosen) und 13.8 Mill. M Aus- 
gaben vor. Die äußere Staatsschuld belief sich 
Ende 1910 mit den rückständigen Zinsen (imit 
1901) auf 64 Mill., die innere auf 19,5 Mill. A. 
Im Febr. 1911 wurde zur Reglung der aus- 
wärtigen Schuld vom Kongreß ein Abkommen 
mit dem amerikanischen Finanzmann Minor C. 
Keith getroffen, wonach für 10 Mill. Dollar 
durch Zollerträgnisse gesicherte Bonds ausgegeben 
werden sollen. — Die Wareneinfuhr wertete 1909: 
12,56 Mill. Colones (6.76 aus den Vereinigten 
Staaten, 2,25 aus Großbritannien, 1,76 aus 
Deutschland), die Ausfuhr 17.58 Mill. (Bananen 
9,37, Kaffee 5,68, Gold und Silber 1,71 Mill. 
Colones). Den Hauptanteil am Handel haben die 
Amerikaner, da große amerikanische Gesellschaften 
(für Eisenbahnen, Minen, Fruchthandel) in Costa- 
Rica ansässig sind; die größten Einfuhrhäuser 
jedoch sind deutsch. 1909 liefen in den Häfen 
682 Fahrzeuge mit 1274 129 Registertonnen ein: 
Haupthäfen sind Lima, das regelmäßig von 7 
Schiffslinien (2 britische, 1 deutsche) besucht wird, 
und Punta Arenas; die eigne Handelsmarine 
zählt 2 Segelschiffe mit 551 Tonnen netto. Die 
Länge der Eisenbahnen betrug 1909: 652 km, 
die Zahl der Postanstalten 197, der Telegraphen- 
stationen 119 (außerdem 1 Telefunkenstation). Der 
Ausbau der staatlichen pazifischen Eisenbahn und 
damit die Vollendung der Überlandbahn durch 
einen nordamerikanischen Ingenieur soll bis 1911 
vollendet sein. Dem Geldverkehr dienen vier 
größere Banken; die Emissionsbanken müssen eine 
Goldreserve von 40 % des Notenwerts aufweisen 
(von 1920 ab 50% ). Münzeinheit (Goldwäh- 
rung 1896 angenommen) ist der Goldcolon 
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