Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

zu errichten, so würde ich diesen Platz am Flusse 
sehr geeignet hierfür halten, denn die Erhöhungen am 
rechten Mbamufer beherrschen die Gegend weithin, 
und vor Allem dürste der Platz dadurch viel ge- 
sünder sein, daß jeglicher Sumpf fehlt. Der einzige 
Nachtheil, welcher dabei in Kauf genommen werden 
müßte, ist der, daß die Station etwas weit ab vom 
Hauptorte liegt. Doch ist eben diese Gegend die 
fruchtbarste des ganzen Balingalandes. Der Ueber- 
gang erfolgte auf 4 Kanus ungewöhnlich rasch, und 
seßte ich hierauf meinen Marsch nach Süden fort. Der 
Weg führte uns durch leicht gewelltes Parkland von 
enormem Wildreichthum, doch ohne Spur irgend 
welcher Ansiedelung. Wir erreichten den Sannaga 
gegen 1 Uhr bedeutend unterhalb der Ramsayschen 
Uebergangsstelle, da die Balingas mit den an der 
Fähre wohnenden Eingeborenen in Krieg lebten und 
deshalb unsere Führer nicht dahin gehen wollten. 
Doch war es uns hier nicht möglich, Kanus zu er- 
halten, und mußten wir am nächsten Morgen trotz- 
dem trachten, die alte Fähre zu erreichen. 
Auf dem Wege dahin erreichten uns drei Boten 
des Ngilahäuptlings, deren Führer Cornelius 
wohlbekannt war, da er f. 3. mit Morgen in 
Kamerun gewesen und ihnen später in Ngila als 
Dolmetscher gedient hatte. Sie brachten uns den 
Willkommgruß von Ngilas Nachfolger Lionn. Er 
und der Wataréhäuptling ließen mir ihr Bedauern 
ausdrücken, daß ich auf dem direkten Weg nach 
Watarc Unannehmlichkeiten gehabt hätte. Sie selbst 
lägen im Kriegslager nördlich des Ndshim und 
hätten meinen Anmarsch leider zu spät erfahren; 
inzwischen hätten Barrongoleute, welche sich in Wa- 
taré befanden, die dortigen Wachen aufgehetßt, sich 
mir entgegenzustellen. Beide ließen mir danken, daß 
ich wegen dieses Mißverständnisses keinen Krieg an- 
gefangen hätte, sie selbst hätten ein streuges Gericht 
gehalten und den Barrongo, welcher auf mich ge- 
schossen, sogleich köpfen lassen. Zugleich verbanden 
sie damit die Bitte, sie möglichst rasch zu besuchen. Ich 
trennte mich nun von Baermann, welchen ich jeßzt 
rückenfrei wußle, und marschirte mit den Abgesandten 
Ngilas gegen Watarc weiter. Zahlreiche Farmen 
passirend, erreichten wir um Mittag Mbussa-Watarc, 
eine größere Ortschaft, woselbst sich die Wege nach 
Ngila und Watarc trennen. Die Einwohner, dem 
Wutéstamm angehörig, empfingen mich sehr zuvor- 
lommend. Zu gleicher Zeit waren wieder Boten 
Lionus angekommen, welche mich bewegen sollten, 
ihn im Kriegslager aufzusuchen. Dies zu thun, lag 
nun absolut nicht in meiner Absicht. Ich wußte 
ganz genau, daß es dem Heäuptling nicht so sehr 
darum zu thun war, meinen Besuch im Kriegslager 
zu erhalten, sondern er hofste, daß er mich dort 
eher seinem Wunsche, ihn bei seinen Kriegs= resp. 
Naubzuge zu unterstützen, gesügiger machen werde. 
Ich sandte deshalb Cornelius mit einigen Boten 
zu ihm und ließ ihm sagen, ich könne seinem Wunsche 
nicht willfahren, da ich dadurch zu sehr von meiner 
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eigentlichen Marschronte abgezogen würde, doch wäre 
es mir ein großes Vergnügen, ihn recht bald in 
seiner Hauptstadt begrüßen zu können. Wir selbst 
gelangten am nächsten Tage nach lurzem Marsch 
nach Watarc, einem Dorf mit etwa 3000 Ein- 
wohnern, der Residenz des ersten Unterhäuptlings des 
Ngilafürsten. Der Häuptling selbst war als oberster 
Befehlshaber der Truppen Lionns im Kriegslager. 
Doch wurden wir in seinem Namen vom Dorf- 
ältesten herzlich willkommen geheißen und uns als Gast- 
geschenk vier schöne Schafe und ein Korb mit 
Hühnern überreicht. Watarc selbst ist ein überaus 
sauber gebauter Ort. Die Häuser, fast durchgängig 
rund, sind aus Lehm aufsgeführt und haben svitze 
Dächer, lediglich die Hütte des Häuptlings ist im. 
Rechteck gebaut, eine Eigenthümlichkeit, welche mir 
später wieder in Tikar auffiel, woselbst ebenfalls 
nur die Häuser an den Königsplätzen viereckig 
waren. Das Dorf liegt auf einer flachen, rings von 
Busch umgebenen Kuppe am Südwestsuße des Watarê- 
berges, dessen charakteristische Form weithin als 
Orientirungspunkt dient. 
Die Einwohner sind reine Wutés. 
Ueber diesen Volksstamm wurde bereits von 
Hauptmann Morgen ausführlich berichtet, und möchte 
ich nur meine Erfahrungen kurz anfügen. Vor 
Allem kann ich die Wutés nicht als einen Stamm 
ansehen, sondern halte sie für ein Gemisch der hier 
aneinander grenzenden Sudan= und Bantuneger. 
Während sie im Aussehen mehr den LetßOteren ähnlich 
sind, stehen sie in ihren Lebensgewohnheiten den 
Ersteren bei Weitem näher. Von einer ausge- 
sprochenen Religion ist bei ihnen ebensowenig die 
Rede wie bei den übrigen Bantustämmen Kameruns. 
Durch die stete Berührung mit den Haussahändlern 
haben sich die Vornehmen deren Kleidung beigelegt, 
und mag wohl auch Einer oder der Andere die mit 
Koransprüchen versehenen Amulette tragen und mit 
dem Namen „Allah“ kokettiren, doch giebt es weder 
Betplätze noch Priester. Obgleich Niemand, selbst 
nicht die kleinsten Kinder, ganz nackt gehl, sah ich 
doch nicht übermäßig viel Zeug. Die Meisten trugen 
Rindenstoff, nur bei besonders festlichen Gelegen- 
heiten hatten die Vornehmen Haussatoben an, wäh- 
rend für gewöhnlich Alle, selbst Lionn, nur im 
Hüfttuche gingen. Dem Oberhäuptling Agute sind 
sämmtliche andere Wut sürsten, von welchen wieder 
der von Ngila der Mächtigste ist, unterthan. Das 
ganze Land ist dem Lamido von Tibati tributär, 
welcher alljährlich durch seine Abgesandten den 
Tribut an Elfenbein und Sklaven erheben läßt. 
Unerklärlich erscheint es fast, daß es den muhamme- 
danischen Eindringlingen möglich war, einen so 
starken, kriegerischen und reichen Stamm so schnell 
unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen, und beweist dies 
eben nur wieder die kolossale moralische Ueberlegen- 
heit der einheitlich energisch geleiteten Fullahs gegen- 
über den in sich zerfahrenen und unter sich stets 
verfeindeten Heidenstämmen. Würden die Wutés
	        
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