Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Das gab im Dezember 1915 der „Manchester Guardian“ in seiner 
„Kriegsgeschichte“ (Bd. III, S. 240) mit erstaunlicher Offenheit zu: 
„Hätte sich Deutschland in seiner Kriegführung innerhalb der gesetzlichen 
Grenzen gehalten, so wäre unsere Lage eine sehr schwierige geblieben, und es ist 
zweifelhaft, ob wir uns aus den BPerstrickungen jener Deklarationen (London, 
Paris, der Haag usw.) je hätten lösen können. Zum Glück für uns, im ganzen 
gesehen, war Deutschland nicht damit zufrieden, wie es war, sondern beschenkte 
uns durch die Unterseeblockade und die Begehung von Hunderten von gesetz- 
losen Akten der Tyrannei mit einer Gelegenheit des Entschlüpfens.“ 
Gewiß, auch Deutschland griff jeden einleuchtenden Grund auf, um seine 
Seekriegführung auf dem Wege der Repressalien zu verschärfen, aber die 
geschichtliche Tatsache stand fest: wir hatten den Wilsonschen Vorschlag 
im wesentlichen angenommen, England nicht. Diesen gerechten Ausweg 
galt es immer wieder der Welt zu zeigen. Mir wurde klar, welche Ge- 
legenheit wir verpaßt hatten, als wir es unterließen, bei Ankündigung des 
verschärften U. Bootkrieges zu erklären: er hört in dem Augenblick auf, 
da England Wilsons Standpunkt in der Blockadefrage akzeptiert. 
Die Möglichkeit, daß England diesen Vorschlag annahm, war gegeben, 
allerdings nach Greys Sturz nur in sehr geringem Maß. Immerhin, vom 
Standpunkt der Marine blieb ein Risiko bestehen, und wir mußten es — 
in aller Ehrlichkeit, ohne Hintergedanken — auf uns nehmen; nur so konnten 
wir vor der Welt und auch vor unserem eigenen Gewissen die moralische 
Grundlage für unsere Seekriegführung gewinnen. Diese Grundlage würden 
wir noch befestigen, wenn wir unseren U.Bootkrieg in den Kampf binein- 
stellten, den Amerika und die kontinentalen Staaten nun schon über 
hundert Jahre gegen England um die Freiheit der Meere gekämpft haben. 
So hätte man sagen können: 
„Soll die Freiheit der Meere mehr als ein Wort sein und der Welt 
wirklich das Sicherheitsgefühl geben, welches für einen dauernden Frie- 
den unentbehrlich ist, so muß sie sich im Kriege behaupten; zum mindesten 
müssen die Fortschritte auf dem Wege zur Freiheit der Meere, die vor 
dem Kriege völkerrechtlich erstritten und in diesem Kriege verloren- 
gegangen sind, vor der Beendigung des Krieges wieder er- 
rungen werden.“ 
Amerika hatte uns auf diesen Weg selbst gewiesen, als Wilson in seiner 
Lusitania-Note (überreicht am 15. Mai 1915) Deutschland aufforderte, 
praktisch mit ihm zusammenzuarbeiten: 
„Die Regierung der Bereinigten Staaten wird fortfahren, für die Freiheit 
der Meere einzutreten, ohne Kompromiß und um jeden Preis.“ 
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