— 16 —
Zuständigkeitsvermutung für den Bundesrat spricht, währent
die anderen Reichsorgane einen besonderen Rechtstitel für ihre
Tätigkeit nötig haben. 2)) Bismarck bezeichnet ihn aus diesem
Grunde als „die Gesamtvertretung des wirklichen Souveräns
im Bunde“; er „repräsentiert die Gesamt-Souveränität für
Deutschland. 30) Der Bundesrat ist also ebensowenig Souverän
des Reiches?1) wie der Kaiser, sondern er ist wie dieser ein
Organ des Reiches, aber Repräsentant des Inhabers der sou-
veränen Reichsgewalt.
Man kann den Bundesrat mit einem gewissen Recht als
das höchste Organ des Reiches bezeichnen, weil ihm die Sanktion
der Gesetze, die Entscheidung von Streitigkeiten unter den
Bundesgliedern und zwischen den obersten Reichs= und Landes-
behörden zusteht, gegen dessen Ausspruch es keine Berufung an
eine höhere Instinz gibt. Weil der Bundesrat das hervor-
ragendste, dann aber auch weil er das älteste Organ im Reiche
ist, hat die Reichsverfassung ihn an die erste Stelle unter den
Organen des Deutschen Reiches gestellt. 35)
Eigentümlich beim Bundesrate ist seine Wirksamkeit, in
welcher Beziehung er dem Reichstage gleichsteht; denn er
kann nur beschließen, aber nicht durchführen. Der Bundesrat
sanktioniert z. B. die Gesetze, erlassen aber werden sie vom
Kaiser; er hat gemäß Art. 19 Reichsverf. die Exekution gegen
Bundesglieder zu beschließen, durchgeführt wird diese aber
ebenfalls vom Kaiser. So steht die Befehls= und Zwangs-
gewalt dem Kaiser und nicht dem Bundesrate zu. In dieser
Ahnlichkeit der bundesratlichen Tätigkeit mit der des Reichstags
liegt es begründet, daß beide Versammlungen, die doch in
sonstiger Beziehung so grundverschieden voneinander sind, in
der Reichsverfassung nebeneinander genannt werden, als wenn
sie gleichartig und vielleicht die zwei Kammern einer Volks-
29) Mehyer, Lehrb., S. 426; Herwegen, S. 55; Dambitsch, S. 196,
213; Anschütz, Enzykl., S. 538 f.; v. Seydel, Jahrb. III, S. 284; Zorn,
Staatsr. I, S. 169; A. A. Bornhak, S. 155.
30) Reichstagssitzung am 27. März 1879, Sten. Ber., S. 669; Ge-
danken und Erinnerungen II, S. 190.
31) Val. Held, S. 105; F. Müller, S. 25; Roesler, S. 17.
32) Bornhak, S. 155.