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So sind die genannten Personen gemäß § 18 Abs. 2
VG. (Vgl. auch Motive zum GVG. 35) von der preußischen
Gerichtsbarkeit befreit."') Sie haben sowohl für streitige als
auch für freiwillige Gerichtsbarkeit einen besonderen Gerichts-
stand. Dieser besteht als allgemeiner, falls sie Deutsche sind,
an dem Wohnsitz ihres Heimatsstaates, fehlt ein solcher, so
tritt die dortige Hauptstadt an seine Stelle. 6
Falls die Mitglieder des Bundesrates sich an dessen Sitze
aufhalten, werden sie hier im gerichtlichen Verfahren als Zeugen
oder Sachverständige vernommen.ös) Ausnahmen hiervon sind
nur mit Genehmigung eihrer Auftraggeber (nicht ihrer selbst)
gestattet. 69)
Als Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung 70) können
die Bevollmächtigten das Amt eines Schöffen, Geschworenen
und Seeamtsbeisitzers ablehnen. )
Ferner kann bei ihnen ein Offenbarungseid nicht durch
Haft erzwungen werden,?) außer wenn der Bundesrat dies
genehmigt. Auch falls dies geschehen, muß eine Unterbrechung
.
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66) Eine Beschränkung auf die Zeit ihrer Anwesenheit in Berlin hat
nicht stattgefunden.
67) § 11 Str. Pr. O.; § 15 Z. Pr. O.; § 3 Fr. G. G. Eine Ausnahme
bilden die dinglichen Klagen. Hier herrscht der Gerichtsstand der belegenen
Sache. 8 20 GVG.
68) Auch für sie besteht in dieser Hinsicht eine Rechtspflicht, sodaß sie
zur Verweigerung des Zeugnisses nicht berechtigt sind. Dasselbe ist hin—
sichtlich der Sachverständigenpflicht zu sagen. A. A. Vogels, S. 49.
69) § 382, 402 Z. Pr. O.; § 49, 72 Str. Pr. O.; § 15 F. G. G.;
§ 207 f. Mil. Str. G. O.; § 26 Ges. betr. Gewerbegerichte; 55 Ges. betr.
Kaufmannsgerichte. — Die Verpflichtung, an der Gerichtsstelle zu erscheinen,
wird dadurch nicht berührt.
70) Unzweifelhaft ist der Bundesrat zwar kein Parlament, aber den
gesetzgebenden Versammlungen zuzuzählen. Sagt doch Art. 5, Abs. 1 Reichs-
verfassung, daß die Reichsgesetzgebung durch Bundesrat und Reichstag aus-
geübt werde. Vgl. dazu die Außerung Bismarcks in seiner Rede vom
19. April 1871: „Ich weiß nicht, was die Herren bewegt, den Bundesrat
in den gesetzgebenden Faktoren nicht mitzuzählen.“ A. A. Binding und
v. Liszt, Lehrb. d. Strafr. II, S. 817 f. bezw. S. 553. .
71) § 35, 85 GVG.; Ges. betr. die Untersuchung von Seeunfällen
vom 27. Juli 1877, § 10. — Vgl. dazu Entscheid. des Reichsgerichts vom
14. Dez. 1882; Entsch. in Strff. VII, S. 382 f.
72 8 004 Z. Pr. O.