Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Der General Franchet d'Esperey erließ am Abend einen 
stolzen Armeebefehl „auf den denkwürdigen Siegesfeldern 
von Montmirail, Vauchamp und Champaubert“. — 
Die vierte Armee 
Bei der deutschen vierten Armee verlief der 9. September 
günstig. Mehrere feindliche Vorstöße gegen das XVIII. Re- 
servekorps wurden abgewiesen, doch gelang es auch der 
Infanterie des XVIII. Reservekorps nicht, vorwärts zu 
kommen, da seine Artillerie nicht wesentliche Vorteile über 
die französische zu erringen vermochte. Das XVIII. Re- 
servekorps ordnete deshalb an, daß die feindlichen Stel- 
lungen in der Nacht zu stürmen seien. Da traf 4,15 Uhr 
nachmittags von der dritten Armee die Nach- 
richt ein, daß die deutsche erste, zweite und 
der rechte Flügel der dritten Armee zurück- 
gingen. Sbenso teilte 4,40 Uhr nachmittags das Ober- 
kommando der zweiten Armee mit: „Erste Armee geht 
zurück. Zweite Armee einleitet Rückmarsch. Rückzugs- 
befehl an Kirchbach ist ergangen.“ Im Gegensatz hierzu 
ging vom Oberkommando der fünften Armee §,15 Uhr 
nachmittags die Nachricht ein, daß dort Nachtangriff be- 
absichtigt sei. 
Infolgedessen bearbeitete das Oberkommando der vierten 
Armee den Rückzugsbefehl, gab ihn aber nicht aus. 
9 Uhr abends kam der Befehl der Obersten Heeres- 
leitung: 
„Dritte Armee bleibt südlich Chälons, bereit zu er- 
neuter Offensive. Fünfte Armee greift in der Nacht vom 
9. zum 10. an, vierte Armee hat — wenn Aussicht auf 
Erfolg vorhanden — ebenfalls anzugreifen, und dazu in 
Verbindung zu treten mit dritter Armee.“ 
Daraufhin wurde Angriff für Tagesanbruch angeordnet. 
Das XVIII. Reservekorps sollte den inneren Flügel der 
bierten und fünften Armee zunächst in heutiger Stellung 
becken. 
Gegenüber der deutschen vierten Armee behaupteten die 
französischen Korps in der Mitte und auf dem rechten 
Flügel ihre Stellungen. General Langle de Cary konnte 
je eine Division der beiden mittleren Korps westwärts über 
die Marne hinter sein XVII. Korps zum Angriff für 
morgen verschieben. 
Die fünfte Armee 
Auf dem rechten Flügel wurden französische Angriffe im 
Raume von Laimont abgewiesen, ebenso am linken Flügel 
gegen die Nordverbindungen der Armee. Auf der ganzen 
Front bereitete die schwere Artillerie den für die Dunkel- 
heit vorbehaltenen Gesamtangriff der ganzen fünften 
Armee vor. 
Der Nachtangriff wurde aber von der Obersten Heeres- 
leitung durch Weisung von 7,30 Uhr abends „mit Rück- 
sicht auf die allgemeine Lage“ unterbunden. — 
Das Oberkommando der dritten Armee am 
0. September abends 
Beim Oberkommando der dritten Armee traf 9 Uhr 
abends die Benachrichtigung von der vierten Armee ein, 
daß dort eben ein Befehl der Obersten Heeresleitung ein- 
gegangen sei, wonach die dritte Armee südlich Chalons 
bleiben sollte, bereit zu erneuter Offensive. 
Unmittelbar darauf teilte auch ein Funkspruch der Ober- 
sten Heeresleitung den Befehl im Wortlaut mit: „Dritte 
Armee bleibt südlich Chälons“ usw. siehe oben. 
Mit dem Eingang dieser Anordnung der Obersten Heeres- 
leitung sah sich das Oberkommando der dritten Armee 
vor die Frage gestellt, ob es solchem Befehle entsprechen 
und südlich Chälons bleiben oder an der durch das Jurück- 
gehen der zweiten Armee gebotenen Entschließung, nord- 
wärts abzumarschieren, festhalten sollte. Letzteres erschien 
angezeigt, wenn man annehmen durfte, daß der Ober- 
sten Heeresleitung bei Erlaß des 9 Uhr abends bekannt- 
gewordenen Befehls die inzwischen bei der zweiten Armee 
eingetretenen Verhältnisse noch fremd waren. Dagegen, 
daß dies der Fall sein könne, sprach die am 9. September 
4,50 Uhr nachmittags in Chalons mitgehörte Meldung 
des Oberkommandos der zweiten Armee an die Oberste 
Heeresleitung: 
„Zweite Armee stellt, übereinstimmend mit Hentsch, lang- 
sam vorschreitenden Angriff ein und gewinnt nördliches 
Marneufer, rechter Flügel Dormans.“ 
Aber auch die Tatsache, daß die in dem Befehle der 
Obersten Heeresleitung getroffene Anordnung: „Fünfte 
Armee greift in der Nacht vom 9. zum 10. September 
an“ später durch die Oberste Heeresleitung mit den Worten 
— gerichtet an das Oberkommando der fünften Armee, 
mitgehört in Chalons — 
„Von Nachtangriff ist mit Rücksicht auf die allgemeine 
Lage abzusehen“ 
aufgehoben wurde, bewies, daß mittlerweile die Obersie 
Heeresleitung über die „allgemeine“ Lage zu veränderter 
Auffassung zu kommen im Begriffe stand. 
Der von der Obersten eeresleitung zur Orientierung 
bei den Oberkommandos entsandte, am 9. September 
abends vom Oberkommando der zweiten Armee über Chä- 
lons nach dem Großen Hauptquartier zurückkehrende 
Oberstleutnant Hentsch äußerte sich auf Befragen 9,45 Uhr 
abends beim Oberkommando der dritten Armee dahin, 
„daß der Befehl der Obersten Heeresleitung, südlich der 
Marne zu bleiben, nicht mehr dem Worte nach auszuführen 
sein dürfte, da sich die Verhältnisse bei der zweiten Armee 
wohl anders gestaltet hätten, als es die Oberste Heeres- 
leitung bei Absendung des Telegramms annahm. Das 
Oberkommando der dritten Armee mäöge daher auf seine 
Verantwortung hin so handeln, wie es das Oberkommando 
mit Rücksicht auf die zweite Armee für richtig halte.“ 
Während nach solcher Eröffnung im Oberkommando 
der dritten Armee die Meinung Boden gewann, daß es 
geboten sei, ebenso wie die zweite Armee am 10. Sep- 
tember mit dem Gros hinter die Marne zurückzugehen, 
traf 10,30 Uhr abends in Chalons der 9,30 Uhr abends 
aufgegebene Funkspruch der Obersten Heeresleitung, ge- 
richtet an die dritte und vierte Armee, ein: 
„Dritte Armee bleibt südlich Chälons. Offensive ist am 
10. September sobald möglich wieder aufzunehmen. 
Moltke.“ 
Nunmehr war das Oberkommando der dritten Armee 
jedem Zweifel überhoben, daß die dritte Armee am 10. Sep- 
tember unbedingt südlich Chalons zu verbleiben habe. Es 
erließ daraufhin 10,30 Uhr abends den Armeebefehl für den 
10. September. 
Darnach sollte sich am 10. September die dritte Armee 
zu erneuter Offensive gruppieren. Dies bezog sich besonders 
auf die beiden Dioisionen des XII. Armeekorps, die durch 
Teile des XII. Reservekorps noch voneinander getrennt 
waren. Die Vortruppen der Armee sollten etwa in der 
Linie Pierre-Morains—S ompuis— Huiron 
stehen. Die durch diese Neugruppierung bedingten Be- 
wegungen sollten bis 12 Uhr mittags beendet sein. Das 
XII. Reservekorps wurde noch besonders darauf hin- 
gewiesen, daß die rechte Flanke der Armee frei würde, sobald 
das Gardekorps mit der zweiten Armee zusammen den 
Nückmarsch auf und über die Marne fortsetzen werde. 
Durch Vermittelung des Oberstleutnant Hentsch, der von 
der dritten zur vierten Armee fuhr, wurde inzwischen 
von Courtisols aus erreicht, daß der linke Flügel der 
zweiten Armee (das Gardekorps) am 10. September eine 
Nachhut südlich der Marne bei Flavigny beließ. 
 
	        
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