Der Chef des Generalstabes der dritten Armee, General
von Hoeppner, war am 9. September nachmittags beim
Oberkommando der zweiten Armee in Epernay gewesen.
Es war ihm dort mitgeteilt worden, daß die zweite Armee
unverzüglich, rechter Flügel etwa auf Fismes, linker Flügel
dicht oͤstlich Reims vorbei hinter die Aisne, zur Vereinigung
mit der ersten Armee zurückgehen werde.
Durch Belassung der Garde-Nachhut bei Flavigny war
nunmehr der Anschluß der dritten Armee nach rechts ge-
sichert.
Auch mit dem linken Nachbar wurde noch am Abend
Übereinstimmung des Handelns vereinbart.
Der vierten Armee, die den Befehl hatte, falls Aus-
sicht auf Erfolg vorhanden wäre, ebenfalls anzugreifen,
wurde zugesichert, daß das XIX. Armeekorps sich einem
etwaigen Angriffe des VIII. Armeekorps anschließen würde.
Der 10. September
Das Oberkommando der dritten Armee
am 10. September
Dem Oberkommando meldete 7,20 Uhr vormittags das
XIX. Armeekorps, daß das Geschützfeuer langsam eröffnet
würde. Es fügte 8 Uhr vormittags noch die Bitte hinzu,
für Deckung seiner rechten Flanke sorgen zu wollen, da XIX.
und VIII. Armeekorps von starken feindlichen Kräften ange-
griffen würden.
Das XII. Armeekorps, das befehlsgemäß die 23. Infan-
teriedivision mit den Vortruppen bei Sommesous—Soudé,
mit dem Gros bei Bussy-Lettrée am Abend zuvor belassen
hatte, wurde daraufhin 8,20 Uhr vormittags beauftragt,
starke Kräfte in Gegend Soudé bereitzuhalten, um die rechte
Flanke des XIX. Armeekorps zu decken. Diesem Befehl
wurde durch Entsendung der 23. Infanteriedivision in Ge-
gend Soudé —Coole entsprochen.
11,15 Uhr vormittags gingen französische Schützenlinien,
gefolgt von Artillerie, von Euvy auf Normée vor, ohne
die Nachhut der 24. Reservedivision anzugreifen. Bis 2 Uhr
nachmittags erschien auch vor der 32. Infanteriedivision
kein Feind. Erst 3,40 Uhr nachmittags wurde ein Infan-
teriebataillon mit einer Radfahrkompagnie von Trouen im
Marsch auf Mailly beobachtet. Dieses vorsichtige Folgen
des Feindes ließ erkennen, daß der ihm am Vortage südlich
Fere-Champenoise zugefügte Schlag schwer getroffen hatte.
Während beim Oberkommando die Nachrichten um Mit-
tag die Vermutung zuließen, daß der Feind sich vor der
Front des XII. Reservekorps und XII. Armeekorps ruhig
verhalten würde, ließen die in den ersten Nachmittagsstun-
den dort einlaufenden Meldungen erkennen, daß der Feind
doch mit stärkeren Kolonnen besonders gegen die rechte
Armeehälfte vorging, und zwar besonders in der Gegend von
Lenharrée—Normée—Cl ges. Hier war es infolgedes-
sen gegen Abend auch nötig geworden, die dort zur Siche-
rung vorgeschobenen Kompagnien etwas zurückzunehmen.
Vor dem linken Armeeflügel zeigten sich zwischen 1 und
3 Uhr nachmittags bei Sompuis und Certine-Ferme erheb-
liche feindliche Kräfte, die über Sompuis die Vorwärtsbewe=
zung antraten. Dies löste das Eingreifen der bei Soudé
ereitgestellten 2 3. Infanteriedivision aus. Sie fing s Uhr
nachmittags den Offensiovstoß des Gegners auf. Dieser
Erfolg zeitigte bei dem XIX. Armeekorps den Entschluß,
nun seinerseits den Gegner vor der Front und bei Sompuis
nach Einbruch der Dunkelheit anzufallen. Es meldete diesen
Entschluß s,0 Uhr nachmittags dem Oberkommando, das
6, 15 Uhr abends Genehmigung erteilte und das XII. Armee-
korps anwies, mit der 23. Infanteriedivision den Feind
zurückzuwerfen, der über die Somme vordringen sollte. Das
XIX. Armeekorps wollte als unbestrittener Sieger dann frei-
willig den Kampfplatz räumen, falls die Gesamtlage des
107
deutschen Heeres ein Zurückgehen doch noch nötig machen
sollte. Es beabsichtigte, die Truppen nach gelungenem Uber-
fall der feindlichen Artillerie aus ihrer jetzt ziemlich ungün-
stigen Stellung in eine bessere, etwa bei Maisons-en-Cham=
pagre gelegene Linie zurückzunehmen, und teilte diesen Ent-
schluß dem benachbarten VIII. Armeekorps mit.
Bald nach Bekanntgabe dieseo Entschlusses teilte die vierte
Armee mit, daß die jetzige Stellung des VIII. Armeekorps,
unhaltbar sein würde, wenn das XIX. Armeekorps auch nur
etwas zurückginge. So mußte denn der Entschluß gefaßt
werden, das XIX. Armeekorps allein mit Rücksicht auf das
VIII. Armeekorpo in seiner Stellung zu belassen.
6),/ abends ging von der zweiten Armee der Funkspruch
ein: -
„Gegner marschiert gegen Front und vor allem gegen
rechte Flanke zweiten Armee.“ Hierauf erwiderte das Ober-
kommando der dritten Armee:
„Bitte rechte Flanke dritten Armee nicht entblößen.“
Darauf folgte 7,15 abends die neue Mitteilung der zwei-
ten Armee:
„Die zweite Armee hat keinerlei Nachricht von der ersten
Armee. Sie hält aber ihre rechte Flanke so bedroht, daß sie
ihre Nachhuten hinter den Abschnitt der Vesle zurücknimmt
und mit dem Gros einen kurzen Marsch in nordöstlicher
Nichtung beabsichtigt. Es ist erwünscht, daß dritte Armee
sich dieser Bewegung anschließt.“
Diese Mitteilung war für die dritte Armee denkbar un-
angenehm, da die dritte Armee doch den Befehl hatte, süd-
lich Chälons schon am 10. September die Offensive wieder
zu ergreifen.
Noch vermochte sich das Oberkommando der dritten Ar-
mee nicht dazu zu entschließen, der Aufforderung der zweiten
Armee zum Abmarsch über die Marne zu entsprechen und
bat die zweite Armee, die Nachhut des Gardekorps auf dem
südlichen Uufer der Marne zum Schutze der rechten Flanke
der dritten Armee zu belassen.
Da befahl 3 Uhr abends die Oberste Heeresleitung, daß
die dritte Armee im Anschluß an die zweite Armee, die hinter
die Vesle mit linkem Flügel auf Thuisy (13 Kilometer süd-
östlich von Reims) zurückging, bis in die Linie Mourmelon=
le-Petit—Francheville an der Moivre (13 Kilometer östlich
Chälons) zurückgehen, sie befestigen und behaupten solle.
Es blieb jetzt nichts weiter übrig, als die von allen
drei Korps beabsichtigten nächtlichen Unternehmungen nach
vorwärts zunächst anzuhalten (durch Fernsprecher 8,30 Uhr
abends) und um 10,4 Uhr abends für den 11. September
den Abmarsch über die Marne nach Norden zu befehlen.
Nachhuten mit starker Artillerie sollten den Abmarsch, der
am frühen Morgen des 11. September mit den Gros ange-
treten werden sollte, bis 10 Uhr vormittags in der Linie
Rouffy—Vatry—Maisons-en-Champagne sichern und dem-
nächst an der Marne zurückbleiben, um hier ein Nach-
drängen des Gegners mit allen Mitteln zu erschweren.
Kaum war dieser Befehl ausgegeben, da meldete 11 Uhr
abends das XII. Reservekorps durch Fernsprecher, daß die
24. Reservedivision bei Eintritt der Dunkelheit von einem
— nach Aussage von Gefangenen — zwei Armeekorps star-
ken Feind überraschend angegriffen und aus westlicher Nich-
tung umgangen worden sei. Die 24. Reservedivision habe nur
noch ganz geringen Gefechtswert. General der Artillerie
von Kirchbach habe unter diesen Umständen einen Armee-
befehl nicht mehr abwarten können, sondern habe den sofor-
tigen Abmarsch des ganzen Xll. Reservekorps befohlen. So
mußte die rechte Flanke aller auf dem südlichen Marneufer
noch zurückbleibenden Teile der dritten Armee für den Vor-
mittag des 11. September außerordentlich gefährdet er-
scheinen. Es blieb somit nur übrig, dem 10,45 Uhr abends
auegegebenen Befehl den Zusatz anzuschließen, daß die Ar-
meekorps der dritten Armee den für den Vormittag des