Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Der Chef des Generalstabes der dritten Armee, General 
von Hoeppner, war am 9. September nachmittags beim 
Oberkommando der zweiten Armee in Epernay gewesen. 
Es war ihm dort mitgeteilt worden, daß die zweite Armee 
unverzüglich, rechter Flügel etwa auf Fismes, linker Flügel 
dicht oͤstlich Reims vorbei hinter die Aisne, zur Vereinigung 
mit der ersten Armee zurückgehen werde. 
Durch Belassung der Garde-Nachhut bei Flavigny war 
nunmehr der Anschluß der dritten Armee nach rechts ge- 
sichert. 
Auch mit dem linken Nachbar wurde noch am Abend 
Übereinstimmung des Handelns vereinbart. 
Der vierten Armee, die den Befehl hatte, falls Aus- 
sicht auf Erfolg vorhanden wäre, ebenfalls anzugreifen, 
wurde zugesichert, daß das XIX. Armeekorps sich einem 
etwaigen Angriffe des VIII. Armeekorps anschließen würde. 
Der 10. September 
Das Oberkommando der dritten Armee 
am 10. September 
Dem Oberkommando meldete 7,20 Uhr vormittags das 
XIX. Armeekorps, daß das Geschützfeuer langsam eröffnet 
würde. Es fügte 8 Uhr vormittags noch die Bitte hinzu, 
für Deckung seiner rechten Flanke sorgen zu wollen, da XIX. 
und VIII. Armeekorps von starken feindlichen Kräften ange- 
griffen würden. 
Das XII. Armeekorps, das befehlsgemäß die 23. Infan- 
teriedivision mit den Vortruppen bei Sommesous—Soudé, 
mit dem Gros bei Bussy-Lettrée am Abend zuvor belassen 
hatte, wurde daraufhin 8,20 Uhr vormittags beauftragt, 
starke Kräfte in Gegend Soudé bereitzuhalten, um die rechte 
Flanke des XIX. Armeekorps zu decken. Diesem Befehl 
wurde durch Entsendung der 23. Infanteriedivision in Ge- 
gend Soudé —Coole entsprochen. 
11,15 Uhr vormittags gingen französische Schützenlinien, 
gefolgt von Artillerie, von Euvy auf Normée vor, ohne 
die Nachhut der 24. Reservedivision anzugreifen. Bis 2 Uhr 
nachmittags erschien auch vor der 32. Infanteriedivision 
kein Feind. Erst 3,40 Uhr nachmittags wurde ein Infan- 
teriebataillon mit einer Radfahrkompagnie von Trouen im 
Marsch auf Mailly beobachtet. Dieses vorsichtige Folgen 
des Feindes ließ erkennen, daß der ihm am Vortage südlich 
Fere-Champenoise zugefügte Schlag schwer getroffen hatte. 
Während beim Oberkommando die Nachrichten um Mit- 
tag die Vermutung zuließen, daß der Feind sich vor der 
Front des XII. Reservekorps und XII. Armeekorps ruhig 
verhalten würde, ließen die in den ersten Nachmittagsstun- 
den dort einlaufenden Meldungen erkennen, daß der Feind 
doch mit stärkeren Kolonnen besonders gegen die rechte 
Armeehälfte vorging, und zwar besonders in der Gegend von 
Lenharrée—Normée—Cl ges. Hier war es infolgedes- 
sen gegen Abend auch nötig geworden, die dort zur Siche- 
rung vorgeschobenen Kompagnien etwas zurückzunehmen. 
Vor dem linken Armeeflügel zeigten sich zwischen 1 und 
3 Uhr nachmittags bei Sompuis und Certine-Ferme erheb- 
liche feindliche Kräfte, die über Sompuis die Vorwärtsbewe= 
zung antraten. Dies löste das Eingreifen der bei Soudé 
ereitgestellten 2 3. Infanteriedivision aus. Sie fing s Uhr 
nachmittags den Offensiovstoß des Gegners auf. Dieser 
Erfolg zeitigte bei dem XIX. Armeekorps den Entschluß, 
nun seinerseits den Gegner vor der Front und bei Sompuis 
nach Einbruch der Dunkelheit anzufallen. Es meldete diesen 
Entschluß s,0 Uhr nachmittags dem Oberkommando, das 
6, 15 Uhr abends Genehmigung erteilte und das XII. Armee- 
korps anwies, mit der 23. Infanteriedivision den Feind 
zurückzuwerfen, der über die Somme vordringen sollte. Das 
XIX. Armeekorps wollte als unbestrittener Sieger dann frei- 
willig den Kampfplatz räumen, falls die Gesamtlage des 
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deutschen Heeres ein Zurückgehen doch noch nötig machen 
sollte. Es beabsichtigte, die Truppen nach gelungenem Uber- 
fall der feindlichen Artillerie aus ihrer jetzt ziemlich ungün- 
stigen Stellung in eine bessere, etwa bei Maisons-en-Cham= 
pagre gelegene Linie zurückzunehmen, und teilte diesen Ent- 
schluß dem benachbarten VIII. Armeekorps mit. 
Bald nach Bekanntgabe dieseo Entschlusses teilte die vierte 
Armee mit, daß die jetzige Stellung des VIII. Armeekorps, 
unhaltbar sein würde, wenn das XIX. Armeekorps auch nur 
etwas zurückginge. So mußte denn der Entschluß gefaßt 
werden, das XIX. Armeekorps allein mit Rücksicht auf das 
VIII. Armeekorpo in seiner Stellung zu belassen. 
6),/ abends ging von der zweiten Armee der Funkspruch 
ein: - 
„Gegner marschiert gegen Front und vor allem gegen 
rechte Flanke zweiten Armee.“ Hierauf erwiderte das Ober- 
kommando der dritten Armee: 
„Bitte rechte Flanke dritten Armee nicht entblößen.“ 
Darauf folgte 7,15 abends die neue Mitteilung der zwei- 
ten Armee: 
„Die zweite Armee hat keinerlei Nachricht von der ersten 
Armee. Sie hält aber ihre rechte Flanke so bedroht, daß sie 
ihre Nachhuten hinter den Abschnitt der Vesle zurücknimmt 
und mit dem Gros einen kurzen Marsch in nordöstlicher 
Nichtung beabsichtigt. Es ist erwünscht, daß dritte Armee 
sich dieser Bewegung anschließt.“ 
Diese Mitteilung war für die dritte Armee denkbar un- 
angenehm, da die dritte Armee doch den Befehl hatte, süd- 
lich Chälons schon am 10. September die Offensive wieder 
zu ergreifen. 
Noch vermochte sich das Oberkommando der dritten Ar- 
mee nicht dazu zu entschließen, der Aufforderung der zweiten 
Armee zum Abmarsch über die Marne zu entsprechen und 
bat die zweite Armee, die Nachhut des Gardekorps auf dem 
südlichen Uufer der Marne zum Schutze der rechten Flanke 
der dritten Armee zu belassen. 
Da befahl 3 Uhr abends die Oberste Heeresleitung, daß 
die dritte Armee im Anschluß an die zweite Armee, die hinter 
die Vesle mit linkem Flügel auf Thuisy (13 Kilometer süd- 
östlich von Reims) zurückging, bis in die Linie Mourmelon= 
le-Petit—Francheville an der Moivre (13 Kilometer östlich 
Chälons) zurückgehen, sie befestigen und behaupten solle. 
Es blieb jetzt nichts weiter übrig, als die von allen 
drei Korps beabsichtigten nächtlichen Unternehmungen nach 
vorwärts zunächst anzuhalten (durch Fernsprecher 8,30 Uhr 
abends) und um 10,4 Uhr abends für den 11. September 
den Abmarsch über die Marne nach Norden zu befehlen. 
Nachhuten mit starker Artillerie sollten den Abmarsch, der 
am frühen Morgen des 11. September mit den Gros ange- 
treten werden sollte, bis 10 Uhr vormittags in der Linie 
Rouffy—Vatry—Maisons-en-Champagne sichern und dem- 
nächst an der Marne zurückbleiben, um hier ein Nach- 
drängen des Gegners mit allen Mitteln zu erschweren. 
Kaum war dieser Befehl ausgegeben, da meldete 11 Uhr 
abends das XII. Reservekorps durch Fernsprecher, daß die 
24. Reservedivision bei Eintritt der Dunkelheit von einem 
— nach Aussage von Gefangenen — zwei Armeekorps star- 
ken Feind überraschend angegriffen und aus westlicher Nich- 
tung umgangen worden sei. Die 24. Reservedivision habe nur 
noch ganz geringen Gefechtswert. General der Artillerie 
von Kirchbach habe unter diesen Umständen einen Armee- 
befehl nicht mehr abwarten können, sondern habe den sofor- 
tigen Abmarsch des ganzen Xll. Reservekorps befohlen. So 
mußte die rechte Flanke aller auf dem südlichen Marneufer 
noch zurückbleibenden Teile der dritten Armee für den Vor- 
mittag des 11. September außerordentlich gefährdet er- 
scheinen. Es blieb somit nur übrig, dem 10,45 Uhr abends 
auegegebenen Befehl den Zusatz anzuschließen, daß die Ar- 
meekorps der dritten Armee den für den Vormittag des
	        
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