Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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unter Anschluß an das Gardekorps bei Thuizy. Die vierte 
Armee sollte die Linie Suippes —St.-Mönchould befestigen. 
Die neue Stellung der dritten Armee entsprach bei einer 
Auodehnung von 25 Kilometern mehr der geringen Stärke 
der dritten Armee als die ursprünglich geplante 40 Kilo- 
meter lange Front Thuizy—Francheville. 
Die durch die veränderten Anordnungen der Obersten 
Heereoleitung hervorgerufenen Störungen, das Einstellen 
des bereits begonnenen Stellungsbaus, das Abbrechen der 
kaum bezogenen Biwaks und die Weiterleitung des Heeres- 
trosses mußten in Kauf genommen werden, um im Rahmen 
des Großen und Ganzen zu bleiben. 
4,15 Uhr nachmittags erging vom Oberkommando der 
zum Ausbau der Stellung erforderliche Armeebefehl mit 
dem Hinzufügen, daß die dazu nötigen Abmarschbewegungen 
sofort einzuleiten seien. 
Der Feind war über die Marne nicht gefolgt. Nach dem 
französischen Bericht zog General Foch am 11. September 
in Chälons ein. Sein linker Flügel erreichte Epernay. Der 
linke Flügel der französischen vierten Armee „Zwang durch 
Flankenbedrohung auch die deutsche vierte Armee zum Ab- 
marsch nach Norden“. 
XlI. Reservekorps, 
Xll. und XIX. Armeekorps 
Das XII. Reservekorps überschritt am 11. September un- 
angefochten bei Condé und Vraux die Marne und sprengte 
hinter sich alle Brücken über Fluß und Kanal. 
Das XII. Armeekorps überschritt östlich davon die Marne, 
ohne vom Feind gedrängt zu werden. Der Gegenstoß vom 
Tage zuvor wirkte noch nach. 
Das XIX. Armeekorps trat erst am 11. September noch 
vor Tagesanbruch den Rückmarsch vom Schlachtfelde an, 
völlig unbelästigt vom Feinde. Der Tag begann trüb. Am 
Nachmittag setzte Regen ein. Die einzige Marschstraße des 
Korps war von Truppen der Nachbararmee mitbenutzt 
worden. Die Verpflegung stockte. Die für die Mannschaft 
nicht verständliche Rückwärtsbewegung belastete das Gemüt. 
Aber jeder Mann zog stolz dahin. „An uns hat es nicht 
gelegen! Wir haben voll unseren Mann gestellt und sind 
bereit, es heute und stets wieder zu beweisen.“ 
Und sie haben es redlich getan, in Sturm und Abwehr, 
bis zum bitteren Ende nach vier Heldenjahren. — 
Nördlich der Marne gestalteten sich die Bewegungen der 
drei sächsischen Armeekorps schwieriger. Die Truppen waren 
über die veränderten Maßnahmen der Heereoleitung in 
Unkenntnis. 
Als sie am 11. September die ihnen vorgeschriebenen 
Stellungen erreicht und deren Ausbau mit Feuereifer be- 
gonnen hatten, traf 6 Uhr abends der abändernde Armee- 
befehl ein. Wie es hieß, war die zweite Armee auo Gelände- 
rücksichten weiter zurückgegangen. So mußte auch die dritte 
Armee bis in die Höhe der rechten Nachbararmee zurück- 
genommen werden. 
In dunkler, regnerischer Nacht wurde der Abmarsch an- 
getreten. Die Mannschaften waren an der Grenze der Lei- 
siungsfähigkeit. Die Bewegung der Munitionskolonnen und 
Trains, welche, zum Teil auf engem Naume vereinigt, 
in eine neue Marschrichtung gelenkt werden mußten, ge- 
staltete sich besonders schwierig. Trotzdem vollzogen sich 
die Märsche dieser Nacht dank des tatkräftigen Zusammen= 
wirkens aller Befehlsstellen und der über alles Lob er- 
habenen Leistungen der Truppe ohne wesentliche Reibungen. 
Die Schwierigkeiten des nächtlichen Rückmarsches würden 
noch wesentlich gesteigert worden sein, wenn der Feind ge- 
wagt hätte, nachzudrängen. 
Die Lage bei den übrigen deutschen Armeen 
Die erste und zweite Armee 
Die erste und zweite Armee hatten sich mit großem 
taktischen Geschick bereits tags zuvor vom Gegner abgesetzt 
und verbrachten den 11. September mit der Neuordnung 
ihrer Kampfkraft. 
Die vierte und fünfte Armee 
Bei der vierten Armee gelang die Loslösung vom Feinde 
am 11. September auf der ganzen Front. Der Gegner 
bedrängte nicht einmal die Nachhuten, die zunächst stehen 
blieben. Nur hinter dem VIII. Armeekorps trat der Feind 
am Nachmittag den Vormarsch auf Vitry-le-Francois an. 
Bei der fünften Armee traf 1 Uhr vormittago die Mit- 
teilung der vierten Armee ein, daß sie vormittags in die 
befohlene Linie nördlich des Kanals zurückgehen werde. 
Der 11. September zeitigte bei der fünften Armee den 
folgenschweren Entschluß darüber, bis zu welcher Haupt- 
widerstandslinie die fünfte Armee, die bisher den Drehpunkt 
des deutschen Einfallheeres gebildet hatte, zurückzuführen sei. 
Am Nachmittag traf Oberst von Dommes von der 
Obersten Heeresleitung ein, um in Vereinbarung mit dem 
Oberkommando der fünften Armee die Linie festzulegen, 
in der sich die fünfte Armee sicher halten könne. Er schlug 
den Südrand der Argonnen vor. Das Oberkommando der 
fünften Armee sprach sich dagegen für die Linie aus, welche 
die überhöhende, schwer anzugreifende Stellung Apremont— 
Baulny—Montfaucon bezeichnet, die destimmt zu halten 
sei und sicheren Anschluß an die Sperrung des Geländes 
östlich der Maas durch das V. Reservekorps gebe. 
Das Oberkommando der fünften Armee begründete das 
wie folgt: „Jetzt, wo sechste und siebente Armee keinen Er- 
folg gehabt haben, ist es dem Feinde unbenommen, Kräste 
nach Norden zu schieben. Damit ist das V. Korps für das 
Unternehmen gegen die Sperrforts zu schützen. Es steht 
dem Gegner frei, mit starken Kräften durch den Festungs- 
bereich von Verdun hindurch östlich oder westlich der Maas 
nach Norden oder von Verdun aus nach Westen anzugreifen. 
Die fünfte Armee bildet nach wie vor den Drehpunkt für 
das ganze Westheer. Gelingt es dem Gegner, sie zu durch- 
stoßen, so ist die Lage für das Westheer, mehr oder minder 
von seinen Verbindungen über die Maas abgeschnitten, 
verzweifelt. Es ist daher notwendig, das ganze V. Reserve- 
korps# wieder auf dem rechten Maaaufer zu vereinigen. 
Mit den vier übrigen Korps aber, wie vorgeschlagen, sogar 
noch den Südrand des Argonnenwaldes oder mit dem 
Südflügel die Linie St.-Ménehould—Clermont zu halten, 
ist bei einer Frontausdehnung von 65 bzw. 48 km und 
zum großen Teil im Bereich der Festungsgeschütze von 
Verdun unmöglich, ganz abgesehen von den im Westteil 
des Geländes für die rückwärtigen Verbindungen entstehen- 
den Schwierigkeiten. 
Erschwerend kommt bei dieser Auffassung der Lage hinzu, 
daß die Gefechtsstärke der Korps an Infanterie nur noch 
10 000 Mann (XVIII. Armeekorps 16 000 Mann) beträgt 
und für die nächste Zeit Mangel an Artilleriemunition 
bevorsteht. 
Die Verantwortung für das Westheer zwingt die fünfte 
Armee zu vorsichtigster Wahl. Deshalb ist es auch nicht 
angezeigt, die Linie Boureuillec—Vauquois halten zu wollen, 
weil dieses Gelände östlich von dem Hessewald, der dem 
Gegner in Verdun wohl vertraut ist, und westlich von dem 
Argonnerwald flankiert wird.“ 
Selbstverständlich sollte das Zurückgehen allmählich er- 
folgen. Die fünfte Armee führte die Bewegung auch in 
vollendeter Beherrschung der Lage durch und erreichte bis 
15. September die neue Stellung. Von dort ging sie sofort 
mit dem rechten Flügel zu einem Gegenstoß vor, um dem
	        
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