Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Gegner die Überzeugung aufzudrängen, daß die deutsche 
Offensiokraft nicht erschöpft war. Das letztere geschah im 
Einklang mit dem Befehl der Obersten Heeresleitung vom 
17. September. 
Der 12. September 
Das Oberkommando der dritten Armee verließ 7 Uhr 
früh Suippes und traf 7,40 Uhr an der Napolconspyramide 
südlich Mourmelon-le-Grand ein, wo Vertreter der drei 
Generalkommandos Meldungen über die von den Korp# 
beabsichtigte Führung der Abwehrstellung überbrachten. Auf 
Grund dieser Berichte wurde der Armeebefehl über den 
Stellungsausbau 8,30 Uhr früh festgelegt. 
Aus den Fliegermeldungen war zu erkennen, daß der 
Feind mit mindestens vier Korps der dritten Armee folge, 
rechter Flügel Cheppes an der Marne, linker Flügel 
Champigneul. 
Im Laufe des Vormittags trafen die Armeekorps in den 
ihnen zugewiesenen Abschnitten ein, bedurften aber, da 
sie teilweise seit dem Abend zuvor einen Weg von 60 Kilo- 
metern zurückgelegt hatten, zunächst einer mehrstündigen 
Ruhe. Dann aber begannen sie unverdrossen trotz un- 
günstigster Witterung die Schanzarbeiten an der Abwehr- 
stellung. 
Das Oberkommando ging nach Böétheniville. Dort traf 
3,45 Uhr nachmittags der Chef des Generalstabs des 
XII. Reservekorps ein, mit der Meldung, daß das rechts- 
anschließende Gardekorps seine Stellung auf Befehl seines 
Oberkommandos erheblich zurückgenommen habe. Tektische 
Rücksichten und die Erwartung, daß die zweite Armee in 
einen unmittelbar bevorstehenden Angriff des Feindes ver- 
wickelt zu werden fürchtete, machte das Oberkommando 
der zweiten Armce für den Wunsch geltend, die dritte Armee 
noch weiter als geschehen, zurückzuführen, und zwar bis 
nördlich Prognes —Auberive Souain. 
Mit Rücksicht auf die Truppen, die, nahe der Er- 
schöpfung, den Ausbau schon zweier Abwehrstellungen am 
11. und 12. September in Angriff genommen hatten, gab 
das Oberkommando der dritten Armee dem Ansinnen der 
zweiten Armee nicht nach. Aber bald nach Bekanntgabe 
dieser Entschließung traf 7 Uhr abends Oberst von Dommes 
aus dem Großen Hauptquartier mit der Nachricht ein, 
daß wegen des ungünstigen Geländes im Argonner Walde 
die fünfte Armee noch weiter zurückgeschoben werden müsse, 
als der Chef des Generalstabes des Feldheeres dies am 
Nachmittag des 11. September angewiesen hatte. Die Folge 
davon sei, daß der rechte Flüzel der vierten Armee nicht 
bei Suippes bleiben könne, sondern sich auf Souain stützen 
müsse. Damit aber wärc es geboten, der dritten Armee 
den Abschnitt Prosnes—Souain zuzuteilen. 
Das Oberkommando der dritten Armee verhehlte dem 
Oberst v. Dommes nicht, welche schwere Bedenken es gegen 
eine abermalige Nückwärtsverlegung der Abwehrstellung hege 
und welchen ungünsiig n Eindrick das zwelmal ge Aufgeben 
schon gut befestigter Stellungen auf die Truppen machen 
werde. Oberst v. Dommes erkannte diese Gründe als durchaus 
zutreffend an, brachte sie beim Oberkommando der zweiten 
Armee zur Kenntnis, kehrte aber unverrichteter Sache 
11 Uhr abends von dort zurück, so daß sich das Ober- 
kommando der dritten Armce entschließen mußte, in Rück- 
sicht auf den Anschluß an seine beiden Nachbarn, die dritte 
Armee am 13. September in die Linie Prosnes—Souain 
zurückzunehmen. Der diesbezügliche Befehl erging am 
13. Sepember 12,30 Uhtr nachts an die drei Armeekorps. 
Vielleicht war die Veränderung einmal getroffener An- 
ordnungen in diesen schweren Tagen unvermeidlich. Un- 
bedingt aber mußte es der Obersten Heeresleitung ge- 
lingen, von Haus aus größere Einheitlichkeit in die Aus- 
Sachsen in großer Zelt. Band ll 
113 
weichbewegungen des ganzen rechten Heereoflügels zu 
bringen. Das wäre wohl geschehen, wenn sämtliche Armeen 
des Einfallheeres einheitlicher Führung unterstellt. gewesen 
wären. Keincsfalls darf aber verkannt werden, daß die Oberste 
Heeresleitung trotz mancher Schwierigkeiten es erreichte, 
bio zum Abend des 12. September ihre Kräfte in eine 
Abwehrstellung zurückzuführen, die weit in Feindesland vor- 
gerückt lag und dadurch eine strategisch so offensive Natur 
gewann, daß der Gegner in der Notwendigkeit, das deutsche 
Einfallheer zurückzuweisen, sich unbedingt gezwungen sah, 
sie unter Aufbietung aller Macht anzugreifen. 
Die übrigen deutschen Armeen am 
12. September 
Die erste Armee erwartete am 12. September dicht nörd- 
lich der Aione den Feind, der mit starken Kräften auf der 
Front Attichy—Condé vorging. 
Die zweite Armee setzte sich am 12. September in der 
endgültigen Stellung nördlich von Reims fett. 
Die vierte Armee ging in die Linie Suippes—St.-Méne- 
hould zurück. 
Die fünfte Armee gewann linko davon ihre etwa in 
gleicher Höhe in Aussicht genommene Abwehrstellung. 
Der Feind folgte vorsichtig und überschritt am Vormittag 
mit den Vortruppen die Marne. 
Der 13. September 
Der Rückmarsch der dritten Armee in die Stellung 
beiderseits von Aubérive, linker Flügel Souain, vollzog 
sich am 13. September infolge der schlechten Wege und 
der zum Teil erst spät in der Nacht, sogar erst bei Tages- 
anbruch an die Truppen gelangenden Befehle nicht ohne 
Neibung. In dem rasenden Gewittersturm in der Nacht 
zum 13. September verirrten sich einzelne Befehlöholer. 
Die Erfahrung lehrte auch hier wieder, daß ein Rück- 
marsch nur dann ganz glatt auszußühren ist, wenn die An- 
ordnungen dazu rechtzeitig gegeben werden können, nament- 
lich wenn es sich wie hier um stark ermüdete Truppen 
handelt, welche ungewöhnliche Kampf= und Marschleistungen 
hinter sich hatten. 
Glücklicherweise folgte der Feind nur äußerst vorsichtig, 
so daß sich ernste Schwierigkeiten nicht ergaben. Die neue 
Verteidigungsstellung wurde bis Mittag erreicht, ihr Aus- 
bau sofort begonnen. 
Gegen 3 Uhr nachmittags wurden die vordersien Teile 
des nachfolgenden Gegners im Vormarsch von Süden her 
gegen die Straße Prosnes —St.-Hilairc-le-Grand sichtbar 
und unter Artilleriefeuer genommen. Der Feind tastete 
sich nur vorsichtig heran, begünstigt durch die über das 
wellige Gelände verstreuten Wald sücke. Einen frischen An- 
griff auf das Sachsenheer, das tief bis in das Herz Frank- 
reichs vorgedrungen war, wagte er noch nicht. 
Die Lage bei den anderen Armeen 
Die erste Armee 
Die erste Armee hielt am 13. September ihre Stellungen 
auf dem nördlichen Aisneufer nördlich Vic—Vailly. Nur 
der rechte Armeeflügel wurde zur Deckung gegen Com- 
piègne, von woher weiterer Feind im Anmarsch war, zurück- 
gebogen. 
Die erste Armee hatte seit dem Aufbruch aus dem 
Aufmarschgebiet fast ununterbrochen starke Märsche zurück- 
gelegt. beinahe täglich gekämpft und mehrere große, mehr- 
tägige Schlachten geschlagen. Nicht ein einziger Ruhetag 
hatte ihr gegönnt werden können. Erst mußten die Belgier 
schnell zersprengt werden, dann wurde südwärts gegen die 
Engländer eingeschwenkt, dann gegen die untere Seine vor-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.