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gedrungen und dabei die in der Flanke neu gebildete fran-
zösische Armee zurückgeworfen.
In fünftägiger Schlacht am Ourcq hatte sie sich in
der Mitte behauptet und auf den Flügeln den Feind zurück-
geworfen. Aus siegreichem Kampfe zurückgerufen, hatte
sie sich trotz des au#gedehnten Waldgeländes und der Nacht-
märsche schnell wieder geordnet.
Sie war unbesiegt zurückgekehrt. Nur 6 Geschütze, die
sich geopfert hatten, fehlten beim IX. Armeekorps und eben-
soviel bei der 4. Kavalleriedivision infolge eines überraschen-
den Nachtangriffs in den ausgedehnten Waldungen.
Beim IV. Reservekorps waren infolge Materialverlusts
die 12 Batterien der einen Division auf 11 eingeschränkt
worden.
Diese Feststellung fühle ich mich verpflichtet, dem Leser
zur Bildung eines selbständigen Urteils über die tatsäch-
lichen Verhältnisse am Schlusse der Marneschlacht zu
unterbreiten.
Ich möchte die eingehende Schilderung der Schlacht auf
der Front der ersten Armee einem Mittämpfer aus deren
Reihen überlassen. Nach meinem Urteil stellt die Führer-
und Kampftätigkeit aller Teile der Armee Kluck die Höchst-
leistung dar, welche die neue Kriegsgeschichte von Be-
wegungokunst moderner Heeresmassen auf dem Schlacht-
felde kennt.
Soll man die Palme dem Generaloberst v. Kluck zu-
erkennen, der kalt besonnen seine Korps wie Kompagnien
herumwarf, nach drei Seiten kämpfte und nach fünf erfolg-
reichen Kampftagen, dem Befehle sich fügend, abʒog?
Oder dem IV. Reservekorps, das den Uberfall durch eine
ganze feindliche Armee unerschütterlich abwehrte und dabei
die vielfach überlegene feindliche Armee völlig fesselte, ohne
selbst die Bewegungsfreiheit zu verlieren?
Oder dem II. und IV. Armeekorps, die aus dem An-
griff gegen die an Zahl weit überlegenen Engländer heraus
bei stickender Hitze über die Brückenengen und Talschluchten
von vier Wasserläufen, zurückeilten, um vom entgegen-
gesetzten, mehr als 30 km entfernten Schlachtflügel aus
im Flankensioß eine neue feindliche Armee zu besiegen?
Auf der Karte beim Kriegospiel ist vor dem Kriege man-
cheo kühne Manöver ersonnen, keines aber schneller, tapferer
und geordneter in die Tat auf dem wirklichen Schlacht-
felde übersetzt worden. —
Die zweite Armee
Bei der zweiten Armee verlief der 13. September ohne
ernste Zusammenstöße mit dem Feinde, der vorsichtig auf
der ganzen Front ähnlich wie bei der dritten Armee heran-
fühlte.
Die vierte Armee
Ostlich der dritten Armee rückte die vierte Armee am
13. September in ihre endgültige Stellung Souain—Binar=
ville ein. Dort wurde noch am Nachmittage das VIII. Armee-
korps von starken feindlichen Kräften angegriffen. Ge-
fangene Franzosen gehörten zum XXI. Armeekorps, das
vor vier Tagen erst von der Vogesenfront her heranbefördert
worden war und dessen Divisionen wir bereits im Kampfe
gegen die deutsche dritte Armee kennengelernt haben. —
Die fünfte Armee
Am Abend des 13. September überbrachte der General=
quartiermeister, Generalleutnant von Stein, dem Ober-
kemmando der dritten Armee den Allerhöchsten Befehl,
wonach die dritte Armee ebenso wie die vierte und fünfte
Armee je ein Armeekorpo aus der Front herausziehen sollte,
um es auf den rechten Flügel der zweiten Armee zu führen,
wo man annahm, daß der Gegner mit Uberlegenheit einen
Durchstoß versuchen würde. Demgemäß wurde noch in
der Nacht angeordnet, daß alsbald das XII. Reservekorp#
die rechte und das XIX. Armeekorps die linke Division
des XII. Armeekorps in der Abwehrstellung abzulösen habe,
so daß am Morgen des 14. September das XII. Armee-
korps den Marsch der Suippe entlang westwärto antreten
konnte, um unter die Befehle der zweiten Armee zu treten.
Schon am 15. September half das XII. Armeekorps dann
den Durchbruch des Feindes zwischen der deutschen ersten
und zw#iten Armee, der zwischen Laon und Reimo bereits
bis über die Aione vorgeschritten war, zu vereiteln in der
Dreitageschlacht von Juoincourt.
Dad XlIX. Armeekorpo wurde am 4. Oktober auf Lille
in Marsch gesetzt, nahm am 12. Oktober stürmender Hand
diese Festung und erkämpfte in wochenlangem Ningen die
Abwehrstellung an der Lys westlich von Lille.
Nur das Allu. NReservekorpo sollte bis zum Frühjahr 1917
die Abwehrstellung in der Champagne verteidigen, vor deren
unerschurrerlichem Wall die Angrisfskraft und die Kriegs-
energie des Feindes in der Winter= und Herbstschlacht 19135
zusammenbrachen.
Der 13. September 1914 zerriß auch die Bande der
drei Sachsenkorps mit ihrem bisherigen erfolgreichen Ober=
befehloyaver, dem sachsüschen Generalobersten Freiherrn von
Hausen.
Infolge Zunahme seiner schweren Ruhrerkrankung legte
er am 13. September das Oberkommando nieder. Mit
außerster Willenokraft hatte er sich in den schweren Kampf-
tagen südlich der Marne aufrecht erhalten, Tag und Nacht
hatte er trotz schwerster Erkrankung seine Kraft der Leitung
der Armee gewimet. Mit herzlichen Worten verabschiedete
der Kaiser den von ihm hochgeschätzten Soldaten und Mann
seines Vertrauens: -
„Nachdem ich zu meinem lebhaften Bedauern vernommen
habe, daß Ihr nicht günstiger Gesundheitszustand sich in-
folge der großen Anforderungen der letzten Wochen wesent-
lich verschlechtert hat, halte ich es zur Schonung Ihrer
Kräfte und im Interesse Ihrer völligen Wiederherstellung
für angebracht, Sie vorübergehend von Ihrer Stellung alo
Oberbesehlshaber der dritten Armee zu entheben, was ich
Ihnen hiermit unter vollster Anerkennung Ihrer bioher in
dieser wichtigen Stellung geleisteten Dienste bekannt gebe.
Zum Oberbefehlohaber der dritten Armee habe ich den
General d. K. von Einem gen. von Rothmaler, Kommandie-
renden General des VII. Armeekorps, ernannt.
Großes Hauptquartier, 12. September 1914.
gez. Wilhelm.“
Der hochverdiente Oberbefehlshaber der Sachsenarmee
verließ am 13. September 1914 früh das Armechaupt-
duartier. Er konnte mit Stolz auf den Sachsenfeldzug
August—September 1914 zurückblicken, der, von Erfolg
zu Erfolg vorwärtsschreitend, bio zum ruhmvollen Abschluß
auf dem Schlachtfelde südlich der Marne durchgeführt
worden war.
Ich habe vorstehend den Leser in die Tätigkeit der
Genltesschmiede der dritten Armee, in das rastlose, scharf-
sinnige und weit vorausschauende Wirken des Ober-
kommandos eingeführt und ihm damit die Grundlagen ge-
schaffen, um die ganze Größe der Leistung der Sachsen-
armee in den ersten Wochen des Weltkrieges zu ermessen.
Um keinen Zweifel über die Beurteilung des Anteils der
dritten Armee an der Marneschlacht an leitender Stelle
unmittelbar nach den gewaltigen Geschehnissen vom 6. bis
10. September 1914 zu lassen, gebe ich abschließend die
Zusammenfassung des deutschen Generalstabes des Feld-
heeres über die Gesamtlage wieder, wie sie am 10. Sep-
tember auf Grund der bis " Uhr nachmittags dieses Tages
bei der Obersten Heeresleitung eingegangenen Nachrichten
dort aufgefaßt wurde. Das denkwürdige Schriftstück lautet: