Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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gedrungen und dabei die in der Flanke neu gebildete fran- 
zösische Armee zurückgeworfen. 
In fünftägiger Schlacht am Ourcq hatte sie sich in 
der Mitte behauptet und auf den Flügeln den Feind zurück- 
geworfen. Aus siegreichem Kampfe zurückgerufen, hatte 
sie sich trotz des au#gedehnten Waldgeländes und der Nacht- 
märsche schnell wieder geordnet. 
Sie war unbesiegt zurückgekehrt. Nur 6 Geschütze, die 
sich geopfert hatten, fehlten beim IX. Armeekorps und eben- 
soviel bei der 4. Kavalleriedivision infolge eines überraschen- 
den Nachtangriffs in den ausgedehnten Waldungen. 
Beim IV. Reservekorps waren infolge Materialverlusts 
die 12 Batterien der einen Division auf 11 eingeschränkt 
worden. 
Diese Feststellung fühle ich mich verpflichtet, dem Leser 
zur Bildung eines selbständigen Urteils über die tatsäch- 
lichen Verhältnisse am Schlusse der Marneschlacht zu 
unterbreiten. 
Ich möchte die eingehende Schilderung der Schlacht auf 
der Front der ersten Armee einem Mittämpfer aus deren 
Reihen überlassen. Nach meinem Urteil stellt die Führer- 
und Kampftätigkeit aller Teile der Armee Kluck die Höchst- 
leistung dar, welche die neue Kriegsgeschichte von Be- 
wegungokunst moderner Heeresmassen auf dem Schlacht- 
felde kennt. 
Soll man die Palme dem Generaloberst v. Kluck zu- 
erkennen, der kalt besonnen seine Korps wie Kompagnien 
herumwarf, nach drei Seiten kämpfte und nach fünf erfolg- 
reichen Kampftagen, dem Befehle sich fügend, abʒog? 
Oder dem IV. Reservekorps, das den Uberfall durch eine 
ganze feindliche Armee unerschütterlich abwehrte und dabei 
die vielfach überlegene feindliche Armee völlig fesselte, ohne 
selbst die Bewegungsfreiheit zu verlieren? 
Oder dem II. und IV. Armeekorps, die aus dem An- 
griff gegen die an Zahl weit überlegenen Engländer heraus 
bei stickender Hitze über die Brückenengen und Talschluchten 
von vier Wasserläufen, zurückeilten, um vom entgegen- 
gesetzten, mehr als 30 km entfernten Schlachtflügel aus 
im Flankensioß eine neue feindliche Armee zu besiegen? 
Auf der Karte beim Kriegospiel ist vor dem Kriege man- 
cheo kühne Manöver ersonnen, keines aber schneller, tapferer 
und geordneter in die Tat auf dem wirklichen Schlacht- 
felde übersetzt worden. — 
Die zweite Armee 
Bei der zweiten Armee verlief der 13. September ohne 
ernste Zusammenstöße mit dem Feinde, der vorsichtig auf 
der ganzen Front ähnlich wie bei der dritten Armee heran- 
fühlte. 
Die vierte Armee 
Ostlich der dritten Armee rückte die vierte Armee am 
13. September in ihre endgültige Stellung Souain—Binar= 
ville ein. Dort wurde noch am Nachmittage das VIII. Armee- 
korps von starken feindlichen Kräften angegriffen. Ge- 
fangene Franzosen gehörten zum XXI. Armeekorps, das 
vor vier Tagen erst von der Vogesenfront her heranbefördert 
worden war und dessen Divisionen wir bereits im Kampfe 
gegen die deutsche dritte Armee kennengelernt haben. — 
Die fünfte Armee 
Am Abend des 13. September überbrachte der General= 
quartiermeister, Generalleutnant von Stein, dem Ober- 
kemmando der dritten Armee den Allerhöchsten Befehl, 
wonach die dritte Armee ebenso wie die vierte und fünfte 
Armee je ein Armeekorpo aus der Front herausziehen sollte, 
um es auf den rechten Flügel der zweiten Armee zu führen, 
wo man annahm, daß der Gegner mit Uberlegenheit einen 
Durchstoß versuchen würde. Demgemäß wurde noch in 
der Nacht angeordnet, daß alsbald das XII. Reservekorp# 
die rechte und das XIX. Armeekorps die linke Division 
des XII. Armeekorps in der Abwehrstellung abzulösen habe, 
so daß am Morgen des 14. September das XII. Armee- 
korps den Marsch der Suippe entlang westwärto antreten 
konnte, um unter die Befehle der zweiten Armee zu treten. 
Schon am 15. September half das XII. Armeekorps dann 
den Durchbruch des Feindes zwischen der deutschen ersten 
und zw#iten Armee, der zwischen Laon und Reimo bereits 
bis über die Aione vorgeschritten war, zu vereiteln in der 
Dreitageschlacht von Juoincourt. 
Dad XlIX. Armeekorpo wurde am 4. Oktober auf Lille 
in Marsch gesetzt, nahm am 12. Oktober stürmender Hand 
diese Festung und erkämpfte in wochenlangem Ningen die 
Abwehrstellung an der Lys westlich von Lille. 
Nur das Allu. NReservekorpo sollte bis zum Frühjahr 1917 
die Abwehrstellung in der Champagne verteidigen, vor deren 
unerschurrerlichem Wall die Angrisfskraft und die Kriegs- 
energie des Feindes in der Winter= und Herbstschlacht 19135 
zusammenbrachen. 
Der 13. September 1914 zerriß auch die Bande der 
drei Sachsenkorps mit ihrem bisherigen erfolgreichen Ober= 
befehloyaver, dem sachsüschen Generalobersten Freiherrn von 
Hausen. 
Infolge Zunahme seiner schweren Ruhrerkrankung legte 
er am 13. September das Oberkommando nieder. Mit 
außerster Willenokraft hatte er sich in den schweren Kampf- 
tagen südlich der Marne aufrecht erhalten, Tag und Nacht 
hatte er trotz schwerster Erkrankung seine Kraft der Leitung 
der Armee gewimet. Mit herzlichen Worten verabschiedete 
der Kaiser den von ihm hochgeschätzten Soldaten und Mann 
seines Vertrauens: - 
„Nachdem ich zu meinem lebhaften Bedauern vernommen 
habe, daß Ihr nicht günstiger Gesundheitszustand sich in- 
folge der großen Anforderungen der letzten Wochen wesent- 
lich verschlechtert hat, halte ich es zur Schonung Ihrer 
Kräfte und im Interesse Ihrer völligen Wiederherstellung 
für angebracht, Sie vorübergehend von Ihrer Stellung alo 
Oberbesehlshaber der dritten Armee zu entheben, was ich 
Ihnen hiermit unter vollster Anerkennung Ihrer bioher in 
dieser wichtigen Stellung geleisteten Dienste bekannt gebe. 
Zum Oberbefehlohaber der dritten Armee habe ich den 
General d. K. von Einem gen. von Rothmaler, Kommandie- 
renden General des VII. Armeekorps, ernannt. 
Großes Hauptquartier, 12. September 1914. 
gez. Wilhelm.“ 
Der hochverdiente Oberbefehlshaber der Sachsenarmee 
verließ am 13. September 1914 früh das Armechaupt- 
duartier. Er konnte mit Stolz auf den Sachsenfeldzug 
August—September 1914 zurückblicken, der, von Erfolg 
zu Erfolg vorwärtsschreitend, bio zum ruhmvollen Abschluß 
auf dem Schlachtfelde südlich der Marne durchgeführt 
worden war. 
Ich habe vorstehend den Leser in die Tätigkeit der 
Genltesschmiede der dritten Armee, in das rastlose, scharf- 
sinnige und weit vorausschauende Wirken des Ober- 
kommandos eingeführt und ihm damit die Grundlagen ge- 
schaffen, um die ganze Größe der Leistung der Sachsen- 
armee in den ersten Wochen des Weltkrieges zu ermessen. 
  
Um keinen Zweifel über die Beurteilung des Anteils der 
dritten Armee an der Marneschlacht an leitender Stelle 
unmittelbar nach den gewaltigen Geschehnissen vom 6. bis 
10. September 1914 zu lassen, gebe ich abschließend die 
Zusammenfassung des deutschen Generalstabes des Feld- 
heeres über die Gesamtlage wieder, wie sie am 10. Sep- 
tember auf Grund der bis " Uhr nachmittags dieses Tages 
bei der Obersten Heeresleitung eingegangenen Nachrichten 
dort aufgefaßt wurde. Das denkwürdige Schriftstück lautet:
	        
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