Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

„Erste Armee stand am 9. September in besonders auf 
rechtem Flügel günstig fortschreitender Schlacht gegen die 
aus Paris und südöstlich ausfallenden, stark überlegenen 
französischen und englischen Kräfte in Linie östlich Nan- 
teuil—östlich Meaux. Ihr linker Flügel an der Marne 
wurde gesichert durch eine gemischte Brigade und das 
Heereskavalleriekorps 2. 
Zweite Armee hatte ihren rechten Flügel bei Montmirail 
auf Fontenelle zurückgebogen und sicherte sich am Dollan- 
abschnitt (nordwestlich Fontenelle) durch Heereskavallerie= 
korps 1. Gegen Mittag des 9. September stießen starke 
englische Kräfte gegen die Marne in die Lücke zwischen 
erster und zweiter Armee vor. Die linke Flügelschutzbrigade 
der ersten Armee griff im Verein mit Heereskavallerie= 
korps 2 und der s. Infanteriedivision den vordringenden 
Feind an und ermöglichte dadurch der ersten Armce, ihren 
stark gefährdeten linken Flügel in Richtung Coulombo 
zurückzubiegen. Durch diesen Vorsioß wurde auch die zweite 
Armee gezwungen, trotz gut fortschreitendem Angriff des 
durch die halbe dritte Armee verstärbten linken Flügels den 
rechten Flügel zurückzunehmen. Die Armee steht heute mit 
starken Nachhuten in Linie Dormans—Aoize —Pocancy. 
Die erste Armee trat nach Zurückwerfen des feindlichen 
linken Flügels auf Nanteuil den Rückmarsch an und erreichte 
am 9. September abends ungedrängt vom Feinde die Linie 
Crépy-en-Valois—La-Ferté-Mitlon —Neuilly-St.-Frort. 
Dritte Armee entlastete mit westlicher Gruppe die zweite 
Armee wesentlich, drang gut vor und erbeutete 50 Geschütze 
und machte mehrere tausend Mann zu Gefangenen. Die 
östliche Gruppe unterstützte den angrä der vierten Armee 
südwestlich Vitry-le-Frangois. 
Vierte und fünfte Armee griffen heute früh aus bLinie 
Vitry-le-Francois—Revigny—Ippécourt erneut an. Uber 
Fortschritt im Angriff der fünften Armee liegt bereito Mel- 
dung vor. Das V. Armeekorps steht südlich Verdun im 
Kampf um die Sperrbefestigungen Troyon und Les Paro- 
ches. Ein Aufall aus Toul gegen diese Unternehmung 
wurde von der 10. Infanteriedivision gestern bei Chaillon 
abgewiesen. Der Angriff wird heute fortgesetzt. 
Sechste Armee hält vor der Linie Nancy—Epinal. Die 
zu anderer Verwendung bestimmten Armeekorps dieser Ar- 
mee und die 7. Kavalleriedioision sind ohne Störung aus 
der Frontlinie herausgezogen. 
Das Oberkommando der siebenten Armee ist in Brüssel 
eingetroffen, hat den Oberbefehl übernommen und die zur 
Zeit verfügbaren Armeekorps nach Süden in Marsch gesetzt. 
Osten 
In Ostpreußen ist gegen die russische erste Armee die 
Schlacht auf der ganzen Linie seit 9. September im Gange. 
Stärkere Kräfte zeigten sich in Gegend Lyock, wo Teile 
der deutschen achten Armee die Sicherung der rechten Armee- 
flanke übernommen haben. 
Die Operationen der österreichisch-ungarischen ersten Ar- 
mee gegen die russische vierte Armee führten südlich Lublin 
nicht zum Erfolge. Die Armee stieß auf bedeutend über- 
legene Kräfte und trat Rückmarsch hinter den San- 
abschnitt an. 
Die österreichisch-ungarische vierte Armee hält in Gegend 
Nawaruska ihre Stellungen. 
Die Schlacht der österreichisch-ungarischen Hauptkräfte 
(dritte, zweite Armee, verstärkt durch Teile der vierten Ar- 
mee) ist bei Lemberg in vollem Gange, der österreichisch- 
ungarische Angriff schreitet langsam vorwärto.“ 
So stellt also das Urteil der Obersten Heeresleitung 
über die Kriegslage unmittelbar nach der Schlacht den gün- 
stigen Kampfverlauf bei der dritten Armee fe. Um so em- 
pörender ist das Gerücht vom Versagen der Sachsen in der 
Marneschlacht, das kurz nachher bei Heer und Heimat auf- 
115 
tauchte und allmählich infolge der Unmöglichkeit, ihm wäh- 
rend des Kriegeo entgegenzutreten, sich zur Legende auoge- 
wachsen hat. Deren Bekämpfung im Dienste der Wahrheit 
dient lediglich meine Schrift. Sie bezweckt die Ehrenrettung 
der sächsischen Armee, die im ganzen Kriegsverlauf genau 
so ruhmvoll ihre Pflicht getan hat wie jeder andere deutsche 
Volksstamm. Meine Schrift gründet sich ausschließlich auf 
das amtliche Material der Kriegstagebücher und deren Bei- 
lagen, ist von mir im Felde bereits lg5 bearbeitet und 
zu einer Zeit, wo die Erinnerung bei allen Teilnehmern 
an der Marneschlacht noch frisch war, den Stäben und 
Truppen unterbreitet und von ihnen gebülligt worden. Auch 
nachher hat die Schrift nochmals allen Münnern, die 1914 
an der Spitze der Armee, der Armeekorps und an beson- 
dero wichtiger Stelle gestanden haben, vorgelegen. Ich be- 
merke, daß die von mir bearbeiteten Kriegstagebücher sämt- 
lich genau, übereinstimmend, erschöpfend und veritändnis- 
voll geführt und daher wohl geeignet sind, einer beweis- 
kräftigen Darstellung zugrunde gelegt werden. 
Am 16. September gab die Obersie Heeresleitung be- 
kannt, daß Generalleutnant von Fa.kenhayn erforderlichen- 
falls den Generalobersten von Moetke ve#rereten werde. Tat- 
sächlich mußte dieser bald darauf der schweren Erkrankung, 
die er mit außerster Willenskraft biöher bekämpft hatte, 
und die im Jahre 1916 den hochverdienten ersten General= 
stabschef des deutschen Feldheeres in Deutschlands Schick- 
salskampf dahinraffte, nachgeben. 
Der Wille seines treuverehrten Kaisers hatte den vor- 
nehmen Mann, aber nicht übernormal mit Feldherrngaben 
begnadeten Soldaten wohl als Träger des in der Armee 
gefeiertsten Namens an den Platz gestellt, der dem Tüch- 
tigsten gehörte. 
Nach Rücktritt des Grafen von Schlieffen hatte man in 
weiten Armeekreisen die Wahl Hindenburgs zum General- 
stabschef erhofft. Auch der Generaloberst von Bülow, der 
Oberbefehlshaber der zweiten Armee, soll vor dem Kriege 
dazu ausgersehen gewesen sein. Das erklärt vielleicht den 
überragenden Einfluß, den dieser im Marnefeldzug — nicht 
zum Segen des Ganzen — gewann. — — 
Wir haben die dritte Armee am 11. September verlassen, 
nachdem sie ihre volle Loolösung von dem besiegten Gegner 
glatt durchgeführt hatte. 
Gefechtsstärken und Verluste 
Seite 122 und 123 folgen die Gesecbhtsstärken und 
Verluste der drei sächsischen Armeekorps. Die Gefechts- 
stärken der Infanterie betrugen bei Beginn der 
Schlacht beim 
XII. A.vK. (einsch“. d. Jäg.-Bat.12 . 15)/o 10452 M. 
XI 
Kdll. mK.c „ N. s. Jäg.-Bat. 12# 1 2, , 
(h»c»N.-Nto7isin:s) 
Das ergibt Durchschnittsstärken der einzelnen Bataillone 
beim 
XII-A.-K. s 750 M., al sov- be Abarg Offz 250 M. 
XIX. „ 17 , 0 
« , ,- 
XIIN. K. 21 830 7“ “. 7“7. 77 1 “. 170 7“ 
Tatsächlich haben aber je Bataillon durchschnittlich — 
hoch gegriffen — kaum 12 Offi#ere und 300 Mann 
an der Schlacht teilgenommen. ODas schnelle Anwachsen 
des zu besetzenden Gebiets und die Sicherung der rückwär- 
tigen Verbindungen zwangen zu tiglich wachsenden Abgaben 
aus der Front, welche bei den gemeldeten Gefechtsstärken 
nicht in Abrechnung gestellt sind. 
Nach meinen Festitellungen bei den sächsischen Korps 
im Felde lols haben diejenigen Bataillone, die vor der 
Marneschlacht bereits große Gefechtoverluste erlitten hatten, 
8“
	        
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