Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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mit noch größerem und insbesondere schnellerem Erfolg 
gelöst. Denn zweifellos ist die Kampfwirkung eines ge- 
schlossen eingesetgten Armeekorps# mit der Arrtilleriewucht 
der deutschen Korps bei Kriegsbeginn eine ungleich größere 
als diejenige zweier selbständig nebeneinander kämpfenden 
Divisionen. Sicherlich wäre der zweiren Armece die dring- 
lichst erbetene Entlastung noch schneller und ausgiebiger 
gebracht worden, was auf deren Entschließung zum Rück- 
zug vielleicht entscheidend eingewirkt hätte. Jedenfalls würde 
das geschlossen dort eingesetzte XII. Armeekorps mindestens 
die gleiche feindliche Truppenstärke dort gebunden haben, 
die dort tatsächlich bis zum Ende des Kampfes vom Gegner 
eingesetzt worden ist. 
Das XIX. Armeckorps, das am 6. September 5,50 Uhr 
nachmittags den umfassenden Angriff gegen die linke 
Flanke des Feindes vor dem VIII. Armeckorps als ihr 
Kampfziel gemeldet hatte, würde durch Vorgehen mit sei- 
nem Hauptteil (24. Infanteriedivision und 88. Infanterie- 
brigade) in Richtung Coole—Sompuis zum Flankenangriff 
gegen das französische XVII. Armeekorps über Sompuis 
auf Humbauville und östlich für diesen Angriff glücklichere 
Vorbedingungen, besonders für seine Artillerie, gefunden 
haben. Die Verbindung mit dem VlII. Armeekorps und die 
Sicherung der linken Flanke des XIX. Armeekorps wäre 
dabei der 40. Infanteriedivision (ohne 88. Infanteriebri- 
gade) im Naume von Maisons-en-Champagne zugefallen, 
wo nach Meldung des XIX. Armeekorps vom 10. September 
viel günstigere Geländeverhältnisse vorlagen. 
Das VIII. Armeckorps, das noch am 9. September 
Ablösung der 40. Infantceriedivision durch seine 16. Infan= 
teriedivision in Aussicht stellte, also selbst über den nötigen 
Rückhalt verfügte, hätte dann bereits früher seine eigenen 
Reserven einjeben und sich nötigenfalls auf die Abwehr 
beschränken müssen, was dem Gelingen des Ganzen nichts 
geschadet hätte. 
Besonders günstig würde sich dann die Verwendung des 
XII. Reservekorps gestaltet haben. Es konnte mit seiner 
vorderen 23. Reservedivision bereits am 7. September 
von Vatry (an dort 8,30 Uhr vormittags) über Sommesous 
auf Mailly eingesetzt werden. Seine anfangs noch auf 
Tagemarschabsiand zurück befindliche 24. Reservedioision, 
die am 8. September abendso bis Normée aufschloß, wurde 
zu derselben Zeit bei Sommesous verwendungsbereit ge- 
wesen sein. Das XlI. Reservekorps wäre dann am 9. Sep- 
tember vormittags in der Lage gewesen, den Vorsioß über 
Mailly zum Durchbruch der feindlichen Mitte mit versam- 
melter Kraft durchzuführen. 
Zweifellos wäre der Gegner dadurch gezwungen worden, 
die Armcereserve (42. Infanteriedivision) und das inzwi- 
schen herbeigeeilte XXI. Armcekorps gegen das sächsische 
XII. Reservekorp#s alo den ihm bedrohlichsten Feind einzu- 
etzen. 
Voraussichtlich wäre dadurch das XII. Reservekorps zum 
Stehen gebracht und eine entscheidende Anderung im Aus- 
gang der Gesamtschlacht nicht erzielt worden. Das wäre 
aber meines Erachtens mit aller Wahrscheinlichkeit eingetre- 
ten, wenn das XI. Armeekorps, das am 26. August nach 
Osten abgerollt war, bei der dritten Armee und das gleich- 
falls nach dem Osten Ende August überführte Gardereserve- 
korps bei der zweiten Armee in die Wagschale hätten ge- 
worfen werden können. 
Bei der dritten Armee hätte das XI. Armeekorps im 
Verein mit der der dritten Armee zu Anfang September 
von der Obersten Heeresleitung in Aussicht gestellten, tat- 
sächlich aber bis zur Schlacht nicht eingetroffenen Kavallerie= 
division genügt, um den Durchbruch der französischen Hee- 
reofront zu erzwingen und voll auszunutzen. 
Denn auf der gegnerischen Seite waren weitere Reser- 
ven Anfang September tatsächlich nicht mehr vorhanden, 
nachdem auch die französische Heeresgruppe an der italie- 
nischen Grenze, deutscherseits auf drei Oioisionen, zwei Bri- 
gaden und zwölf Alpengruppen veranschlagt, inzwischen ganz 
an die deutsche Front herangezogen worden war. 
Es entsteht die Frage, ob die Führung der dritten Armee 
nicht auch mit den vorhandenen Kräften — 7 Divisionen — 
einen durchschlagenden Schlachterfolg hätte erzi#len können. 
Zweifellos wäre es am vorteilhaftesten für die Füh- 
rung der dritten Armee gewesen, wenn sich deren Korps 
am 6. September darauf beschränkt hätten, mit ihren 
Vorhuten den Feind fest anzufassen, ohne im übrigen 
der Führung vorzugreifen, also das altbewährte Ver- 
fahren eingeschlagen hätten, das Napoleon seinen Unter- 
feldherren immer wieder einschärfte für das Verhalten bei 
Schlachtbeginn: Überall anfassen, dann aber erst zusehen 
(on s'engage partout et on voie). Bis zum 7. September 
mußte es dann der Fliegeraufklärung gelingen, die 20 Kilo- 
meter breite Lücke in der feindlichen Schkachtfront festzu- 
stellen. Dann konnte das Oberkommando die Hauptkräfte 
in der wirksamsten Richtung vereint einsetzen. 
Diese war zweifellos die Richtung auf Fere-Champe- 
noise — Sezanne. Dorthin konnten vom Morgen des 7. Sep- 
tember ab zunächst vier, später fünf Dioisionen der dritten 
Armce den Flankenangriff gegen die französische neunte 
Armee vortragen. 
Einer Dioision des XIX. Armeekorps wäre währenddem 
die Aufgabe zugefallen, ein Vorbrechen des Feindes zwischen 
der dritten und vierten Armee links der Marne im Raume 
zwischen Sompuis und Maisons-en-Champagne, etwa in 
einer Stellung Coole—de Mont-Larron zu verhindern. Das 
war von einer durch schwere Artillerie verstärkten Dioision 
durchaus zu leisten. Selbst ein vorübergehender Erfolg 
des Feindes bei Coole hütte weder die rückwärtigen Ver- 
bindungen der dritten Armee gestört noch der durch die 
Marne gedeckten rechten Flanke der vierten Armee ernsten 
Schaden zugefügt. 
Wohl aber hätte die Kampfkraft der übrigen, schließ- 
lich sechs Divisionen der dritten Armee (einschließlich der 
2. Gardeinfanteriedivision) genügt, um die französische Front 
westwärts auf zurollen. 
Die Riesenleikungen, welche die sächsischen Truppen an 
allen vier Schlachttagen vollbracht haben, berechtigen zu 
der Gewißheit, dasi sie spätestens am 9. September die 
Linie Linthes—Pleuro erreicht und damit die französische 
neunte Armee auf die fünfte Armee geworfen haben würden. 
Dann aber wäre für den Generaloberst von Bülow jeder 
Grund zu dem übereilten Rückzug weggefallen. 
Es erübrigt sich, den Gedanken eines frontalen Durch- 
bruchs nach Süden über Mailly hinaus weiter zu verfolgen. 
Er hätte zum Luftstoß geführt, wenn es nicht gleichzeitig 
gelang, den Feind vor der deutschen zweiten Armee in seiner 
rechten Flanke zu überwinden. Zu beidem, zum Flanken- 
stoß nach Westen und zum Durchstoß in der Mitte, reichte 
— das zeigt der Schlachtverlauf — die Kampfkraft der 
dritten Armee nicht aus. Ein Gegner wie General Foch 
mit einer unerschütterten Armee in der Flanke hätte leicht 
den Durchstoß der dritten Armee schließlich in deren Kata- 
strophe verwandelt. 
Einen ähnlichen Abschluß hätte voraussichtlich auch die 
Verwendung der Hauptkräfte der dritten Armee zum Flan- 
kenstoß gegen den Feind vor der deutschen vierten Armee 
gefunden. Damit scheidet der Gedanke eines Eingreifens 
der dritten Armee nach Osten aus jeder weiteren Er- 
wägung aus. 
Auch der Kampfverlauf an der übrigen deutschen Schlacht- 
front führt zu der Feststellung, daß nur noch bei der deut- 
sehen zweiten Armee ein Armeekorps fehlte, um den Sieg 
zu sichern. Um ihn voll auszunützen, würde ein drittes 
Korps auf dem dußersten rechten Flügel erwünscht gewesen
	        
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