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mit noch größerem und insbesondere schnellerem Erfolg
gelöst. Denn zweifellos ist die Kampfwirkung eines ge-
schlossen eingesetgten Armeekorps# mit der Arrtilleriewucht
der deutschen Korps bei Kriegsbeginn eine ungleich größere
als diejenige zweier selbständig nebeneinander kämpfenden
Divisionen. Sicherlich wäre der zweiren Armece die dring-
lichst erbetene Entlastung noch schneller und ausgiebiger
gebracht worden, was auf deren Entschließung zum Rück-
zug vielleicht entscheidend eingewirkt hätte. Jedenfalls würde
das geschlossen dort eingesetzte XII. Armeekorps mindestens
die gleiche feindliche Truppenstärke dort gebunden haben,
die dort tatsächlich bis zum Ende des Kampfes vom Gegner
eingesetzt worden ist.
Das XIX. Armeckorps, das am 6. September 5,50 Uhr
nachmittags den umfassenden Angriff gegen die linke
Flanke des Feindes vor dem VIII. Armeckorps als ihr
Kampfziel gemeldet hatte, würde durch Vorgehen mit sei-
nem Hauptteil (24. Infanteriedivision und 88. Infanterie-
brigade) in Richtung Coole—Sompuis zum Flankenangriff
gegen das französische XVII. Armeekorps über Sompuis
auf Humbauville und östlich für diesen Angriff glücklichere
Vorbedingungen, besonders für seine Artillerie, gefunden
haben. Die Verbindung mit dem VlII. Armeekorps und die
Sicherung der linken Flanke des XIX. Armeekorps wäre
dabei der 40. Infanteriedivision (ohne 88. Infanteriebri-
gade) im Naume von Maisons-en-Champagne zugefallen,
wo nach Meldung des XIX. Armeekorps vom 10. September
viel günstigere Geländeverhältnisse vorlagen.
Das VIII. Armeckorps, das noch am 9. September
Ablösung der 40. Infantceriedivision durch seine 16. Infan=
teriedivision in Aussicht stellte, also selbst über den nötigen
Rückhalt verfügte, hätte dann bereits früher seine eigenen
Reserven einjeben und sich nötigenfalls auf die Abwehr
beschränken müssen, was dem Gelingen des Ganzen nichts
geschadet hätte.
Besonders günstig würde sich dann die Verwendung des
XII. Reservekorps gestaltet haben. Es konnte mit seiner
vorderen 23. Reservedivision bereits am 7. September
von Vatry (an dort 8,30 Uhr vormittags) über Sommesous
auf Mailly eingesetzt werden. Seine anfangs noch auf
Tagemarschabsiand zurück befindliche 24. Reservedioision,
die am 8. September abendso bis Normée aufschloß, wurde
zu derselben Zeit bei Sommesous verwendungsbereit ge-
wesen sein. Das XlI. Reservekorps wäre dann am 9. Sep-
tember vormittags in der Lage gewesen, den Vorsioß über
Mailly zum Durchbruch der feindlichen Mitte mit versam-
melter Kraft durchzuführen.
Zweifellos wäre der Gegner dadurch gezwungen worden,
die Armcereserve (42. Infanteriedivision) und das inzwi-
schen herbeigeeilte XXI. Armcekorps gegen das sächsische
XII. Reservekorp#s alo den ihm bedrohlichsten Feind einzu-
etzen.
Voraussichtlich wäre dadurch das XII. Reservekorps zum
Stehen gebracht und eine entscheidende Anderung im Aus-
gang der Gesamtschlacht nicht erzielt worden. Das wäre
aber meines Erachtens mit aller Wahrscheinlichkeit eingetre-
ten, wenn das XI. Armeekorps, das am 26. August nach
Osten abgerollt war, bei der dritten Armee und das gleich-
falls nach dem Osten Ende August überführte Gardereserve-
korps bei der zweiten Armee in die Wagschale hätten ge-
worfen werden können.
Bei der dritten Armee hätte das XI. Armeekorps im
Verein mit der der dritten Armee zu Anfang September
von der Obersten Heeresleitung in Aussicht gestellten, tat-
sächlich aber bis zur Schlacht nicht eingetroffenen Kavallerie=
division genügt, um den Durchbruch der französischen Hee-
reofront zu erzwingen und voll auszunutzen.
Denn auf der gegnerischen Seite waren weitere Reser-
ven Anfang September tatsächlich nicht mehr vorhanden,
nachdem auch die französische Heeresgruppe an der italie-
nischen Grenze, deutscherseits auf drei Oioisionen, zwei Bri-
gaden und zwölf Alpengruppen veranschlagt, inzwischen ganz
an die deutsche Front herangezogen worden war.
Es entsteht die Frage, ob die Führung der dritten Armee
nicht auch mit den vorhandenen Kräften — 7 Divisionen —
einen durchschlagenden Schlachterfolg hätte erzi#len können.
Zweifellos wäre es am vorteilhaftesten für die Füh-
rung der dritten Armee gewesen, wenn sich deren Korps
am 6. September darauf beschränkt hätten, mit ihren
Vorhuten den Feind fest anzufassen, ohne im übrigen
der Führung vorzugreifen, also das altbewährte Ver-
fahren eingeschlagen hätten, das Napoleon seinen Unter-
feldherren immer wieder einschärfte für das Verhalten bei
Schlachtbeginn: Überall anfassen, dann aber erst zusehen
(on s'engage partout et on voie). Bis zum 7. September
mußte es dann der Fliegeraufklärung gelingen, die 20 Kilo-
meter breite Lücke in der feindlichen Schkachtfront festzu-
stellen. Dann konnte das Oberkommando die Hauptkräfte
in der wirksamsten Richtung vereint einsetzen.
Diese war zweifellos die Richtung auf Fere-Champe-
noise — Sezanne. Dorthin konnten vom Morgen des 7. Sep-
tember ab zunächst vier, später fünf Dioisionen der dritten
Armce den Flankenangriff gegen die französische neunte
Armee vortragen.
Einer Dioision des XIX. Armeekorps wäre währenddem
die Aufgabe zugefallen, ein Vorbrechen des Feindes zwischen
der dritten und vierten Armee links der Marne im Raume
zwischen Sompuis und Maisons-en-Champagne, etwa in
einer Stellung Coole—de Mont-Larron zu verhindern. Das
war von einer durch schwere Artillerie verstärkten Dioision
durchaus zu leisten. Selbst ein vorübergehender Erfolg
des Feindes bei Coole hütte weder die rückwärtigen Ver-
bindungen der dritten Armee gestört noch der durch die
Marne gedeckten rechten Flanke der vierten Armee ernsten
Schaden zugefügt.
Wohl aber hätte die Kampfkraft der übrigen, schließ-
lich sechs Divisionen der dritten Armee (einschließlich der
2. Gardeinfanteriedivision) genügt, um die französische Front
westwärts auf zurollen.
Die Riesenleikungen, welche die sächsischen Truppen an
allen vier Schlachttagen vollbracht haben, berechtigen zu
der Gewißheit, dasi sie spätestens am 9. September die
Linie Linthes—Pleuro erreicht und damit die französische
neunte Armee auf die fünfte Armee geworfen haben würden.
Dann aber wäre für den Generaloberst von Bülow jeder
Grund zu dem übereilten Rückzug weggefallen.
Es erübrigt sich, den Gedanken eines frontalen Durch-
bruchs nach Süden über Mailly hinaus weiter zu verfolgen.
Er hätte zum Luftstoß geführt, wenn es nicht gleichzeitig
gelang, den Feind vor der deutschen zweiten Armee in seiner
rechten Flanke zu überwinden. Zu beidem, zum Flanken-
stoß nach Westen und zum Durchstoß in der Mitte, reichte
— das zeigt der Schlachtverlauf — die Kampfkraft der
dritten Armee nicht aus. Ein Gegner wie General Foch
mit einer unerschütterten Armee in der Flanke hätte leicht
den Durchstoß der dritten Armee schließlich in deren Kata-
strophe verwandelt.
Einen ähnlichen Abschluß hätte voraussichtlich auch die
Verwendung der Hauptkräfte der dritten Armee zum Flan-
kenstoß gegen den Feind vor der deutschen vierten Armee
gefunden. Damit scheidet der Gedanke eines Eingreifens
der dritten Armee nach Osten aus jeder weiteren Er-
wägung aus.
Auch der Kampfverlauf an der übrigen deutschen Schlacht-
front führt zu der Feststellung, daß nur noch bei der deut-
sehen zweiten Armee ein Armeekorps fehlte, um den Sieg
zu sichern. Um ihn voll auszunützen, würde ein drittes
Korps auf dem dußersten rechten Flügel erwünscht gewesen