Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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La Voivre heran und griff im Rahmen des verstärkten 
XIV. Reservekorps am 30. August die starke französische 
Meurthe-Stellung im Abschnitt St. Michel— Herbaville er- 
folgreich an. Die Sachsen durchschritten in flottem An- 
griff den Wiesengrund der Meurthe, dann diese selbst, zum 
Teil bis zum Halse im Wasser. 2 Uhr nachmittags waren 
die Höhen nördlich von St. Michel, der Ort se. bst und Her- 
baville genommen. Ein feindlicher Gegenstoß 4 Uhr nach- 
mittags wurde abgewiesen, 300 bis 400 unverwundete Ge- 
fangene wurden eingebracht. Die Division biwakierte auf 
den eroberten Höhen. Auch die Nebendivisionen waren sieg- 
reich vorgedrungen, aber noch weiter südlich hatte der Feind 
rechtzeitig große Verstärkungen herangeführt und war zu 
starken Gegenangriffen übergegangen. Ecs ist das die geit, 
wo der Feind seine letzten Reserven von der italienischen 
Grenze weggezogen hatte, um sie an seiner Nordostgrenze 
einzusetzen. So wurde auch hier wie in der Marneschlacht 
der Verrat Italiens direkt auf dem Gefechtsfelde fühlbar. 
Für die nächsten Tage kam es nun zu hartnäckigen Kämpfen 
an der Meurthe, wobel die Division den ihr anvertrauten 
Abschnitt bei St. Michel zähe festhielt, trotz des empfindlich 
wirksamen feindlichen Artilleriefeuers, das ihr aus unauf- 
findbaren Stellungen in dem unübersichtlichen Waldgebirge 
entgegenschlug. 
Am 3. September schritt das XIV. Reservekorps erneut 
zum Angriff auf der ganzen Front von Etival—St. Dié— 
Laveline. Die Division löste dabei restlos ihre Tagesauf- 
gabe, allerdings brachte der Frontalkampf gegen die starken, 
trefflich von der Artillerie flankierten Waldstellungen der 
Franzosen starke Verluste, insbesondere bei der 47. Ersatz- 
brigade. Am 4. September führte der fortgesetzte Angriff 
zunächst zur Einnahme von Les Feignes, dann gegen Abend 
im Verein mit der 28. Reservedivision zur Erstürmung des 
Waldrandes zwischen den beiden Les Jumeaux (Zwillinge) 
genannten Bergen. Auch Sauceray wurde noch in der näch- 
sten Nacht von der Brigade des Generals v. Schönberg er- 
stürmt und ein feindlicher Gegenangriff abgewiesen. 
Stolz auf ihren Sieg, richtete sich die Division tags dar- 
auf in der gewonnenen Stellung ein. Der lose Verband der 
für sofortige Feldverwendung zunächst nicht bestimmten Di- 
vision hatte sich im feindlichen Feuer gestrafft. Wohl fehlte 
es noch an so manchem, vom aktiven Unterführer und Sani- 
tätspersonal bis zum Fernsprechzeug und zu den Feld- 
küchen. Aber der kriegerische Erfolg hatte Führer und Truppe 
zusammengeschweißt. Die Truppe war fest in der Hand 
ihres Führers und der Rest hielt durch, nachdem die ersten 
18 Tage die Frontstärken wie folgt verringert hatten: 
Ersatz-Bat. 45 hatte noch 15 Offiziere 445 Mann 
45 14 718 
63 13 505 
64 14 546 
47 7 622 
48 19 687 
88 14 638 
89 19 909 
Die gänzlich veränderte Kriegslage am Ende der ersten 
Septemberwoche ist bereits beim Ruͤckblick auf die Marne- 
schlacht ausführlich dargestellt worden (Seite 119 und fol- 
gende). Die damit zusammenhängende Neugruppierung der 
Streitkräfte an der deutschen Westfront begann im Raume 
der deutschen siebenten Armee bereits am 6. September, 
also schon bei Beginn der Marneschlacht. Ein neuer Be- 
weis, daß nicht der Ausfall der Marneschlacht, sondern 
eben die gänzlich veränderte Gesamtkriegslage die Neu- 
gruppierung des deutschen Feldheeres und den Ubergang 
vom Angriff zur Abwehr im Westen herbeigeführt hat. 
Am 6. September erfolgte zunächst eine Umgruppierung 
der an der Meurthe kämpfenden deutschen Truppen. Das 
XIV. Reservekorps, zu dem die 19. Ersatzdivision gehörte, 
trat für die nächsten zwölf Tage zur sechsten Armee über. 
Dao XV. Armeekorps, welches bisher rechts vom XIV. Re- 
servekorps gekämpft hatte, wurde zu anderweitiger Ver- 
wendung aus der Gefechtslinie herausgezogen. Wir haben 
en bereits Seite 127 zur Rechten des XII. Armeekorps in der 
Schlacht von Juvincourt wiedergefunden. s 
Die 19. Ersatzdivision mußte die Frontabteilungen des 
XV. Armeekorps im Raume von Etival und nordwestlich da- 
von am 6. September frühzeitig ablösen, eine besonders 
schwierige Aufgabe für den jungen Truppenverband, der auf 
breiter Front in denkbar schwierigem Gelände einem täti- 
gen, sich immer mehr verstärkenden Feinde auf Nahkampf- 
entfernung gegenüberstand und dabei von einem vorzüglich 
wirksamen Kundschafternetz umstrickt war, das den Geg- 
ner über jede deutsche Maßnahme und Bewegung sofort 
unterrichtete. 
Die Aufgabe wurde aber vorzüglich gelöst, sogar die Ver- 
pflegung der Truppen gelang trotz des Fehlens von Pro- 
viant= und Fuhrparkkolonnen und trotz der Erschöpfung der 
Menschen und Pferde bei den Lebensmittelwagen, denen 
angesichts der weiten Entfernungen in dem schwierigen Ge- 
birgsgelände unerhörte Anstrengungen zugemutet werden 
mußten. 
Am 8. September stand die Division bei Tagesanbruch 
westlich von Etival in der bisherigen Stellung des XV. Ar- 
meekorps. Der Feind wagte keinen ernstlichen Angriff, 
ebensowenig hatte er den vorhergegangenen Rechtsabmarsch 
zu stören gewagt. Auch der am 10. September fortgesetzte 
Rechtsabmarsch des gesamten XIV. Reservekorps nach Nor- 
den, hinter dem- XIV. Armeekorps weg, gelang vollständig. 
Das XIV. Armeekorps blieb mit seinem linken Flügel zu- 
nächst noch bei St.-Benoit stehen. Bei dieser Bewegung fiel 
der 19. Ersatzd vision die Marschstraße Etival—Raon I'Etare 
westlich der Meurthe—Bertrichamps —Vacqueville —Ancer= 
ville— Blämont zu, zunächst also unmittelbar entlang an 
der feindlichen Front. » 
Die Fahrzeuge waren bereits in der Nacht zum 10. Sep- 
tember abgeschoben worden. Um 10 Uhr abends trat das 
Gros der Division von Etival aus den Abmarsch an. Die 
Nachhut, gebildet durch die Bataillone 48 und 89 und 
II. Bataillon Infanterieregiments 111 (Badener) sowie eine 
Abteilung Feldartillerie unter dem Generalmajor v. Schön= 
berg, folgte auf derselben Straße. 
Der Feind versuchte den Abmarsch durch einen Vorstoß 
gegen das Bataillon 46 aufzuhalten, das ihn erst siegreich 
abschlug, ehe es seinen Abmarsch begann. Immerhin war 
dadurch der für 8 Uhr abends geplante Abmarsch der Divi- 
sion um zwei Stunden verzögert worden. Die Dunkelheit, 
die Nähe des Feindes in der Flanke und die ganze Kriegs- 
lage erregten die Phantasie auf das Außerste. Unvermeid- 
liche Stockungen auf dem schmalen Marschweg, wie z. B. 
ungestürzte Wagen, unterbrachen und verzögerten den 
Nachtmarsch. 2 Uhr morgens erreichte die Division Claire= 
rupt. Nach 1½stündigem Halt wurde der Marsch über 
Bertrichamps—Veney fortgesetzt. Auf dem entsetzlich 
schlechten Wege durch den Wald von Reclos, der durch um- 
stürzende Wagen zeitweise ganz gesperrt wurde, schlug die 
Marschspitze trotz vorheriger Erkundung und Festlegung des 
Weges im Dunkel die falsche Nichtung, nämlich auf Bac- 
carat ein. Ein Umdrehen auf dem schmalen Gebirgowege 
war unmöglich. So wurde auf Baccarat weiter marschiert 
und dessen Südende 7,30 Uhr vormittags erreicht, worauf 
die Division stark ermüdet schließlich um St. Pöle Ortsbiwak 
bezog. Die Nachhut hatte den richtigen Weg auf Neuf- 
Maisons eingeschlagen und erreichte einige Stunden früher 
ihre Quartiere. Der Feind war nicht gefolgt, gegen ihn 
sicherte das an der Meurthe zurückgelassene II. Bataillon 
Infanterieregiments 111 (Badener).
	        
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