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noch dieser Brigade unterstellt, und weiterhin die 51. Re-
servedivision (XXVI. Reservekorps) östlich Wallemolen an.
Das schlechte Wetter und das feindliche Feuer gegen die
teils eingesunkenen, teils voll Wasser stehenden Kampf-
gräben forderten täglich Opfer; so betrugen z. B. die Ver-
luste vom 6. bis 8. Dezember, ohne daß ein Gefecht in
dieser Zeit stattgefunden hatte, immerhin 19 Tote und
54 Verwundete. Der Feind verfügte über zahlreiche Scharf-
schützen, welche mit Fernrohrbüchsen selbst durch die Schieß-
luken der Stahlblenden auf 80 bis loom ihr Ziel trafen.
Am 9. Dezember besuchte S. M. der König zum ersten
Male das XXVII. Reservekorps in Moorslede. Am nächsten
Tage trafen die ersten Wiedergenesenen aus den Oktober-
kämpfen ein, bei Reserveinfanterieregiment 241 beispiels-
weise 88 Mann, bei Reserveinfanterieregiment 242 sogar
149 Mann und 30 Reservejäger 25, gewiß ein glänzendes
Zeugnis für den vorzüglichen Geist, welcher die Mann-
schaften beseelte.
Mit aller Tatkraft wurde der Kampf gegen das Wasser
aufgenommen, das sich als ein immer heimtückischer und
unheimlicher wirkender Feind offenbarte. Pumpmaschinen
wurden eingestellt, und das Grabenwasser wurde zum Feinde
binübergeleitet. Hinter der vorderen Stellung entsiand nach
und nach eine zweite Stellung auf dem Höhenzug südwest-
lich von Passchendaele. Schwere Artillerie und Minenwerfer
vervollständigten die Kampfmittel. Hinter der Front wurde
für bessere Unterkunft gesorgt. Ganze Barackenlager ent-
standen dort binnen kurzer Zeit.
Am 31. Dezember trafen wieder starke Ersatzabteilungen
ein. Der bis zum Schluß den sächsischen Truppenteilen
zugeführte Ersatz ist aus der Zusammensiellung am Schlusse
ersichtlich.
Der Traum der jungen deutschen Reservekorps, mit dem
sie in den Herbstfeldzug in Flandern, zu jedem Opfer bereit,
gezogen waren, hatte sich gewiß nicht erfüllt. Es war nicht
geglückt, den Westfeldzug durch entschlossenes Vorstürmen
bis zur Kanalküste noch im Jahre 1914 zu beenden. Aber
Herrliches war erreicht. Der stark überlegene Feind war
in die Verteidigung auf die engumschlossene Ypernfront
zurückgedrückt worden. 25 deutsche Divisionen hielten hier
40 feindliche fest und ermöglichten es der deutschen Heeres-
leitung, die nötigen Kräfte für den Russenbezwinger, den
Generalfclomerschell v. Hindenburg, fre zumachen, um im
November und Dezember die russische Dampfwalze zum
Zurückrollen zu bringen.
Mit Recht hebt die Darstellung des Generalstabs des
Feldheeres in „der Schlacht an der Dser und bei Ypern
im Herbst 1914“ besonders hervor (Seite 97): „Der
eiserne Panzer, den wir im Oktober und November um
Dpern legten, hat stets die Engländer gedrückt. Unsere See-
stellung an der belgischen Küste erschien unseren Vettern
jzenseits des Kanals als drohendes Gespenst, dessen Schatten
auf die britischen Inseln und besonders auf den Wechsel-
verkehr zwischen England und Frankreich siel. Sich von
ihm zu befreien, machten die Engländer dauernde An-
strengungen.“ So ist vor Dpern die Front nie ruhig ge-
worden. Der Tod von Dpern verlangte auch nach dem
Abflauen der ersten Opernschlacht fortgesetzt neue Opfer.
Aber alle Angriffe des Feindes erstickten in Blut und
Sumpf vor den Stellungen der deutschen „Kinderkorps“,
die dabei aus jungbegeisterten Kriegsfreiwilligen zu un-
erschütterlichen Feldsoldaten heranreiften, als welche wir
sie in der neuen Dpernschlacht im Frühjahr 1915 wieder-
sehen werden.
Das XII. Armcekorps, XIX. Armcekorps und XlI. Reservekorps bis zum Jahresschluß 1014
Um die Geschichte der Sachsen auf der Wesifront im ersten
Kiicgejahr zu Ende zu fuhren, joll noch kurz der Ereignisse
bei den 3 Sachsenkoips vor Jahresschluß gedacht werden.
Das XII. Armeckorps an der Aisne
Das XII. Armeekorps hatte bis Anfang Öktober 1914
die Stellung an beiden Ufern der Aisne erobert, welche
es von da ab in unerschütterlicher Standhaftigkeit bis
zum Frühjahr 1917 festgehalten hat.
Bereits am §. Oktober machten die Franzosen den
ersten Infanterievorstoß dagegen. Sie verloren dabei
20 Gefangene von der 2. Infanteriedivision des I. Armee-
korpo. Man erfuhr, daß die französischen Kompagnien
bis auf 150 Mann wieder aufgefüllt seien. Am 12. Ok-
tober wiederholte die feindliche Infanterie den Angriff
gegen die Stellung des Infanterieregiments 177 auf den
Höhen los und 91 und später auch gegen Infanterie=
regiment 103 südlich der Höhe 100. Erstere Höhen bildeten
von da ab fast drei Jahre lang die Brennpunkte feind-
licher Unternehmungen und sind stets im festen Besitz
der Sachsen bezw. der später an ihre Stelle getretenen
Deutschen geblieben.
Am 12. Oktober warf das I. Bataillon Infanterie-
regiments 177 unter Haupimann Graf Bitzthum v. Eck-
städt den bereits überraschend in die Stellung eingebrochenen
Feind in energischem Gegenangriff zurück. Auch am
13. Oktober setzte der Feind einzelne Vorsiöße an. Sie
wurden siets durch sehr heftiges Arnilleriefeuer eingeleitet.
Aber die eingesetzte französische Infamerie, z. B. bei
Höhe 108 in Stärke von deei Bataillonen, raffte sich
nicht zu voller Energie auf.
Am 19. Oktober wurde das biöherige rechte Nachbar-
korps (XV. Armeekorps) zu anderweitiger Verwendung
aus der Front herausgezogen. Das XlI. Armeekorps mußte
dessen Abschnitt mit übernehmen und gab dafür den süd-
östlich der Aisne gelegenen Teil seiner Stellung an das
X. Armeekorps ab.
Zur Deckung des beträchtlich vergrößerten Abschnittes
wurden dem Korps die 25. Landwehrbrigade, das Jäger-
bataillon 14, eine halbe 7. Batterie Fußartillerieregiment 9
und drei Kompagnien des Pionierregiments 31 unterstellt,
während die halbe 8. Batterie Fußartillerieregiments 9 an
das X. Armeekorps abgegeben wurde.
Emsig wurde von allen Stellen an der Wiedererlangung
der vollen Schlagfertigkeit gearbeitet. Neue Kampfmittel
wurden den Truppen zur Verfügung gestellt, so Minen-
werfer und Brandminen, welche in dem unübersichtlichen
Waldgelände bei La Ville-aux-Bois in der Folgezeit vor-
treffliche Dienste leisteten.
Am 22. Oktober und dann nochmals am 10. Dezember
begrüßte Se. Majestät der König Abteilungen des
XII. Armeekorps auf dem Siegesfeld von Juvincourt.
Rastlos war inzwischen durch die Truppen an ihren
Stellungen gearbeitet worden. Das mußte bei der Auf-
merksamkeit des Gegnero fast durchweg bei Nacht ge-
schehen. Auch dabei ging es infolge der klaren Luft9,
welche auch bei Nacht das Schießen ermöglichte, nicht
ohne Verluste ab.
Hinter der Front begann eine neuartige, auf den bisberi-
gen Kriegserfahrungen aufgebaute, besonders sorgfäitige Aus-
biidung der inzwischen eingetroffenen Ersatzmannschaften.
Am 14. November kamen zwei deutsche Fremdenlegionäre
übergelaufen und erzählten, daß viele Fremde, darunter