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Diese Annahme hat getäuscht. Die Russen waren in
der Hauptsache fertig, alo die Staatslenker des Drei-
verbandes den Kriegsfall herbeiführten. Das zwang denn
auch die Mittelmächte später — etwa in der zweiten Sep-
temberwoche 1914 — zur völligen Anderung des Kriegs-
planes nach unerhörten Ersterfolgen, welche die Uberlegen-
heit des deutschen Heeres in allem, in der Führung und
im Kampfe, in der Einzelleistung des Menschen und in dem
ganzen Heeresgetriebe der erstaunten, meist nur mit sicht-
lichem Widerstreben es eingestehenden Miewelt offenbarten.
Das gesamte deutsche Feldheer wurde bis auf vier Korps
und eine Kavalleriedivision, welche als achte Armee Ost-
preußen gegen die Russen zu schützen hatten, an der West-
grenze versammelt.
Die erste Armee unter dem Generalobersten v. Kluck
umfaßte das II., III., IV., IX. Armeekorps und das etwas
später eintreffende III. und IV. Reservekorps, die 10., 11.
und 27. Landwehrbrigade sowie ein Pionierregiment im
Naume von Aachen.
Die zweite Armee unter dem Generalobersten
v. Bülow schloß südlich an und umfaßte das Garde-
Korps, Garde-Reservekorps, das VII. und X. Armeekorps,
dao VII. und X. Reservekorps, die 25. und 29. Landwehr-
brigade, vier Mörserbataillone, ein 10 cm-Kanonenbataillon,
zwei schwere Küstenmörserbatterien und zwei Pionier=
regimenter.
Die dritte Armee unter dem sächsischen Generalobersten
Freiherrn v. Hausen, im Naume um Prüm versammelt,
umfaßte die drei sächsischen Korps, XII. Armeekorps,
XIX. Armeekorps, XII. Reservekorps, die 47. Landwehr=
brigade, ein Mörserbataillon und ein Pionierregiment. Zu-
nächst gehörte auch das XI. Armeekorps zur dritten Armee,
es wurde aber bereits am 25. August nach Ostpreußen
überführt.
Die vierte Armee unter dem Herzog Albrecht von
Württemberg schloß südlich an, mit dem VI., VIII.
und XVIII. Armeekorps, dem VIII. und XVIII. Reserve-
korps, der 49. Landwehrbrigade, zwei Mörserbataillonen und
einem Pionierregiment.
Die fünfte Armee, im Naume von Trier und
Luremburg versammelt, stand unter dem Befehl des
Deutschen Kronprinzen und umfaßte dacd V., XIII.
und XVI. Armeekorps, das V. und VI. Reservekorps, das
Heeres-Kavallerie-Korps 4, die 13., 43., 45., 53., 9. bay-
rische Landwehrbrigade, vier Mörserbataillone, zwei Pionier-
regimenter.
Die sechste Armee unter dem Kronprinzen Rupp-
recht von Bayern deckte den Raum zwischen Metz und
den Vogesen. Sie umfaßte das I., II. und III. bayrische
Armeekorps, das I. bayrische Reservekorps, sowie das
XXI. Armeekorps, dazu an Reiterei die 7. und 8. Kavallerie=
division und die bayrische Kavalleriedivision als Heeres-
Kavallerie-Korps 3.
Die siebente Armee unter Generaloberst v. Hee-
ringen, im Naume von Straßburg versammelt, umfaßte
das XIV. und XV. Armeekorps, sowie das XIV. Reserve-
korps
Kei Heereskavalleriekorps, unter den Reitergeneralen
von der Marwitz und v. Richthofen, deckten die
Front der Armeen eins bis drei. Ersteres umfaßte die
2., 4. und 9. Kavalleriedivision, das Heereskavallerie=
korps 1 bestand aus Garde-Kavalleriedivision und s. Kaval-
leriedivision.
Diese Versammlung der deutschen Heere überragte nord-
wärts, wie Skizze 1 zeigt, diejenige der französischen Heere
beträchtlich.
Die französische Hceresleitung hatte ihre gesamten Streit-
kräfte an der Ostgrenze wie folgt verteilt:
Die erste Armee, unter General Dubail in zwei
Gruppen um Belfort und nördlich Epinal, mit Zwischen=
kräften längs der Vogesen rersammelt, umfaßte das 1II.,
VIII., XIII., XIV. und XXI. Armeekorps, bie 8. Karallerie
division, sowie einige Rezervedivi, ionen, bald auch die ge-
samten Alpenjägerformattonen aus dem i#alienischen Erenz-
gebiet.
Die zweite Armee unter General de Castelnau
wurde alo vorderster Sturmblock zwischen Luneville und
Pont-à-Mousson, dicht an der lothringer Grenze versam-
melt und umfaßte das IX., XV., XVI. und XX. Armee-
korps, drei Reserve= und drei Kaͤvalle riedivisionen.
Die dritte Armee unter General Ruffey massierte
sich nördlich von Verdun mit dem IV., V. und VI. Armee-
korpo, drei Reservedivisionen und einer Kavalleriedivision.
Die vierte Armee unter General Langle de Cary,
ursprünglich als Reservearmee gedacht, wurde angesichts
des starken deutschen rechten Flügels dicht anschließend
an die dritte Armee um Sedan versammelt. Sie umfaßte
vos II- II., XII. und XVII. Armeekorps sowie das Kolonial-
orps.
Die fünfte Armee, im Grenzraume westlich von
Givet unter General Lanrezac versammelt, umfaßte
zunächst das I., III. und X. Armeekorpö, später auch das
XVIII. Armeekorps, die marokkanische Dioision und drei
Kavalleriedivisionen. Endlich wurde auch noch das im Ab-
tranoport von Algier her begriffene XIX. Armeekorps nach
dem linken französischen Flügel gezogen.
Links an die Franzosen schlossen die Engländer unter
dem Feldmarschall French zwischen dem 14. und
21. August, also stark verspätet, bei Maubeuge an, zunächst
nur vier Infanteriedivisionen, nach und nach auf sechs In-
fanteriedivisionen, etwa 160 Oco Mann verstärkt, dazu eine
Kavalleriedivision.
Mehr als 100 ooo Inder befanden sich außerdem bereits
zu dieser Zeit unterwegs nach Frankreich.
Die Belgier endlich rückten mit sechs Divisionen, etwa
120 000 Mann, ins Feld, denen 80 Ooo Mann als Reserve
dienten. Je eine Division war nach Lüttich und Namur
vorgeschoben, die vier übrigen Divisionen deckten zunächst
Brüssel in einer günstigen Stellung hinter der Gette, auf
Linie Tirlemont—Haelen, in sehnsüchtiger Erwartung der
festversprochenen alsbaldigen englisch-französischen Hilfe,
die nicht kam. —
In der deutschen Heeresversammlung sprach sich der
deutsche Kriegsplan scharf aus: Durchbruch durch Belgien
unter Umgehung der starken französischen Festungegrenze
Belfort.—Verdun, Zerschmetterung des linken franzölischen
Heeresflügels, deutsche Abwehr längs der Vogesenfront,
zunächst auch am lothringer Loch, wo später der deutsche
Gegenstoß in die vermeinttiche Lücke zwischen Epinal und
Nancy, in das vor dem Kriege vielgenannte „Loch von
Charmes“ beabsichtigt war.
Das Ziel des deutschen Aufmarsches war von der fran-
zösischen Heeresleitung zweifellos bald und richtig erkannt
worden. Nicht nur das algerische (XIX.) Korps, auch da
vom französischen Generalissimus Joffre zunächst als
Hauptreserve bestimmte Xl. Armcekorrs wurden ohne Zau-
dern nach dem bedrohten linken Flügel gezogen, ebenso
von Nancy her bald darauf noch zwei weitere Korps.
Wir werden diese später vor der Front der Sachsen
wiederfinden. —
Unmittelbar nach der Kriegserklärung begannen auf der
ganzen Front Kämpfe der beiderseitigen Deckungstruppen.
Bereits am 4. August wurde ein deutscher Handstreich
auf die große belgische Lagerfestung Lüttich unternommen.
Sie war zusammen mit der Festung Namur bestimmt, die
belgische Maaöofront zu decken, bis zur vollendeten Ver-
sammlung der französisch-englisch-belgischen Stoßgruppe,