Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

gegen Salusken und Neidenburg, rechts von ihm die Land- 
wehrdivision mit einer Brigade über Soldau nordostwärts 
Boden und am 29. August gelang dem rechten deutschen 
Flügel nach hartem Kampfe die völlige Umfassung des 
Russenbeeres aus Linie Wientzkofen—Meidenburg, in enger 
Fühlung nach links an die deutsche Mitte, die von Salus- 
ken über Waplitz und Hohenstein die Russenmitte um- 
schloß und nordostwärts zurückdrängte. Dort aber auf 
Linie Passenheim—Ortelsburg sperrte das XVII. Armee- 
korps das wegearme Rückzugsgebiet ab. In der Sumpf-, 
See= und Waldwildnis im Quellgebiet des Omulef vollzog 
sich am 30. August der Abschluß des gewaltigen Ringens. 
So hat die Vernichtungsschlacht der fast hellseherisch 
veranlagte dereinstige preußische Generalstabschef Graf 
v. Schlieffen vorausschauend in seinem „Cannae“ ge- 
schildert, so hat sie sein Geistesnachfolger Hindenburg in 
die Tat übersetzt, Moltkes Sedan an Großartigkeit über- 
gesstens, das Denkmal deutschen Feldherrntums für ewige 
eiten. 
Die unerschũtterlichen Grundpfeiler aber dieses Denk- 
mals sind die nie versagenden Leistungen der Truppe, 
die verständnisvolle Ausführung der Befehle durch die 
Unterführer und die zuverlässige Mitarbeit des General- 
stabs, an dessen Spitze Hindenburgs strategischer Dioskure, 
der General Ludendorff. 
Der Generalfeldmarschall v. Hindenburg hat in der 
Folgezeit das deutsche Vaterland durch seine Feldherrn- 
taten so verwöhnt, daß die Bedeutung dieses Erstsiegs 
fast nach während des Weltkriegs der Allgemeinheit ent- 
schwand. Zum 70. Geburtstage Hindenburgs am 2. Ok- 
tober 1017 schrieb einer seiner ersten Mitarbeiter von 
Tannenberg: 
„Die Vernichtung ve: russischen Narewarmee bei 
Tamnenberg erscheint heute selbstverständlich. Es erscheint 
insbesondere selbstver ständlich, daß Rennenkampf nicht mar- 
schierte, um die Schlacht von Tannenberg in eine grauen- 
erregende Niederlage zu verwandeln. Den deutschen Füh- 
rern, die die Schlacht zu leiten hatten, standen die Ge- 
fabren stets klar vor Augen. Wenn sie trotzdem die un- 
geheure Verantwortung auf sich nahmen, so geschah es 
in dem Gefühl, daß ein fester Wille sein Ziel erreicht, 
auch wenn der Weg noch so dornen= und gefahrvoll er- 
scheint. Es geschah in dem Vertrauen auf Gott und Deutsch- 
lands Zukunft.“ 
Das sei das Erbe aus dem Tannenbergsieg für kommende 
Geschlechter. Dabei möchte ich gleich hier den Vorwurf 
„des genialen Hazardeurs", den ein kleinlicher Parteimensch, 
den die unsinnige Revolution von lols vorübergehend 
emportrug, in verblendetem Haß gegen den General buden- 
dorff schleuderte, niedriger hängen. — 
Von scchsischen Truhpemmaile haben allein das Land- 
wehr-Infanterieregiment 107 und das Ersatzbataillon des 
Landwehr-Infanterieregiments 101 (s. später Brigade Peil) 
an der Tannenbergschlacht teilgenommen. 
Das #. R 107 hat sich in der 
Folgezeit auf den Schlachtfeldern in Polen, in den Kar- 
pothen, in Galizien, in Wolhynien und dann in den Pripet- 
sümpfen eine stolze Kriegsgeschichte geschrieben. 
Ein Uberblick über dieselbe — leider aus Raumrücksichten 
viel zu kurz im Verhältnis zu den vielen und großen. Taten 
des Regiments — folgt später. 
Hindenburgs Feldzug gegen die russische Niemen= 
Armee im September 1914. 
Unmittelbar an den Feldzug gegen die russische Narew- 
Armee schloß sich derjenige gegen die Niemen-Armee an. 
Die letztere hatte während der Kämpfe bei Tannenberg 
opfer zu 
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vom 26.—30. August den Vormarsch gegen Königoberg 
fortgesetzt und am 1. September in steter Berührung 
mit den schwachen, ihr gegenüber belassenen deutschen Kräf- 
ten die Linie Labiau—Tapiau—Allenburg—Nordenburg— 
Angerburg — Gegend östlich von Lötzen — erreicht, in 
Breite von 120 Kilometern vom Haff bis zur russischen 
Grenze. 
Rennenkampf erblickte in Königsberg und dessen Ver- 
teidigern sein nächstes, zunächst einziges Ziel. An der Deime 
vor Königsberg rang eines seiner Korps seit Tagen mit 
der Außendivision der Festung. 
Als sich Samsonows Schicksal bei Tannenberg vollzog, 
hätte nach deutschem Empfinden Rennenkampf wenigsteno 
nunmehr sofort herbeieilen müssen, um vereint mit der 
Grodno-Armee den Samsonowtöter Hindenburg nahe dem 
Grabe der Narew-Armee zu umklammern und als Sühn- 
vernichten. 
Blieb ein. ussisches Korps an der Deime und Alle 
vor Königsberg, so konnte Rennenkampf, jetzt noch mit 
fünf Korps und Verstärkungen mindestens 230 Ooo Mann 
stark, westlich der masurischen Seen auf Allenstein vor- 
brechen, gleichzeitig die Grodno-Armee von Osowiec her 
auf Ortelsburg vorgehen, letztere durch Samsonows rechtes 
Flügelkorps, das der Vernichtung entgangen war, auf 
150 00 Mann anwachsend. 
Wie der Rennenkampfprozeß später erwies, war vom Ober- 
befehlshaber der Niemen-Armee diese Lösung seiner Auf- 
gabe gar nicht erwogen worden. Der russischen Führung 
kam gar nicht der Gedanke, im freien Bewegungskrieg 
sich mit deutscher Führung zu messen. 
Methodisch schob sich Rennenkampf innerhalb der er- 
reichten Front zurecht, um in schnell verstärkter Stellung 
den Gegner zu erwarten. Sein linker Flügel, zunächst be- 
droht und demgemäß stark, fand an dem Seengebiet um 
Lötzen Anlehnung. Das Waldgebiet nördlich davon bot 
dem zähen Verteidiger willkommenes Gelände zur Be- 
tätigung russischer Eigenart. Die russische Front vom 
Mauersee über Drengfurt—Gerdauen—Allenburg und wei- 
ter längs der Alle und Deime war denkbar stark durch 
Natur und Ausbau. Hinter der Mitte bei Gerdauen fand 
eine starke Kampfreserve günstige Aufstellung, um nach 
Abwehr des Angreifers dessen Mitte zu durchbrechen. Die 
Grodno-Armee war rechtzeitig bereitgestellt, um auf 
Bialla —Lyck vorstoßend, den deutschen rechten Flügel zu 
umwickeln. 
Die neue Aufgabe Hindenburgs war grundverschieden 
von der soeben abgeschlossenen. Samsonow war im Marsch 
mit schmaler Front und großer Tiefe ihm zum Opfer 
gefallen. Rennenkampf erwartete sein Schicksal in breiter 
— — Zunächst erreichbar war dessen linker 
lügel. - 
So setzte denn Hindenburg gegen diesen seine Houbt 
kraft an, zusammen schließlich vier Korps und zwei Ka- 
valleriedivisionen. Im ganzen standen ihm sechs Korps, 
mit Landwehr und Landsturm zusammen 160 000—180 ooo 
Mann, zur Verfügung, einschließlich der zwei Korps 
(XI. Armeekorps und Garde-Reservekorps) und der Ka- 
valleriedivision (s. Kavalleriedivision), die von der West= 
* her vom 1. September ab rechts der Weichsel ein- 
trafen. 
Demgegenüber verfügte Rennenkampf am 8. September, 
wo der Kampf einsetzte, über 270 Ooo Mann der Niemen- 
Armee und mindestens lov OOo Mann der Grodno-Armee, 
letztere im Raume Suwalki—Augustow—Osowiec. z 
Geistreiche Schriftsteller babens auf die Ahnlichkeit des 
Schlachtplans Friedrichs des Großen bei Leuthen und Hin- 
denburgs Angriff gegen Rennenkampfs linke Flügelgruppe 
bei Angerburg hingewiesen. Feindeslage und Gelände 
wiesen darauf hin, diesen Flügel, hinter dem Rennen-
	        
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