gegen Salusken und Neidenburg, rechts von ihm die Land-
wehrdivision mit einer Brigade über Soldau nordostwärts
Boden und am 29. August gelang dem rechten deutschen
Flügel nach hartem Kampfe die völlige Umfassung des
Russenbeeres aus Linie Wientzkofen—Meidenburg, in enger
Fühlung nach links an die deutsche Mitte, die von Salus-
ken über Waplitz und Hohenstein die Russenmitte um-
schloß und nordostwärts zurückdrängte. Dort aber auf
Linie Passenheim—Ortelsburg sperrte das XVII. Armee-
korps das wegearme Rückzugsgebiet ab. In der Sumpf-,
See= und Waldwildnis im Quellgebiet des Omulef vollzog
sich am 30. August der Abschluß des gewaltigen Ringens.
So hat die Vernichtungsschlacht der fast hellseherisch
veranlagte dereinstige preußische Generalstabschef Graf
v. Schlieffen vorausschauend in seinem „Cannae“ ge-
schildert, so hat sie sein Geistesnachfolger Hindenburg in
die Tat übersetzt, Moltkes Sedan an Großartigkeit über-
gesstens, das Denkmal deutschen Feldherrntums für ewige
eiten.
Die unerschũtterlichen Grundpfeiler aber dieses Denk-
mals sind die nie versagenden Leistungen der Truppe,
die verständnisvolle Ausführung der Befehle durch die
Unterführer und die zuverlässige Mitarbeit des General-
stabs, an dessen Spitze Hindenburgs strategischer Dioskure,
der General Ludendorff.
Der Generalfeldmarschall v. Hindenburg hat in der
Folgezeit das deutsche Vaterland durch seine Feldherrn-
taten so verwöhnt, daß die Bedeutung dieses Erstsiegs
fast nach während des Weltkriegs der Allgemeinheit ent-
schwand. Zum 70. Geburtstage Hindenburgs am 2. Ok-
tober 1017 schrieb einer seiner ersten Mitarbeiter von
Tannenberg:
„Die Vernichtung ve: russischen Narewarmee bei
Tamnenberg erscheint heute selbstverständlich. Es erscheint
insbesondere selbstver ständlich, daß Rennenkampf nicht mar-
schierte, um die Schlacht von Tannenberg in eine grauen-
erregende Niederlage zu verwandeln. Den deutschen Füh-
rern, die die Schlacht zu leiten hatten, standen die Ge-
fabren stets klar vor Augen. Wenn sie trotzdem die un-
geheure Verantwortung auf sich nahmen, so geschah es
in dem Gefühl, daß ein fester Wille sein Ziel erreicht,
auch wenn der Weg noch so dornen= und gefahrvoll er-
scheint. Es geschah in dem Vertrauen auf Gott und Deutsch-
lands Zukunft.“
Das sei das Erbe aus dem Tannenbergsieg für kommende
Geschlechter. Dabei möchte ich gleich hier den Vorwurf
„des genialen Hazardeurs", den ein kleinlicher Parteimensch,
den die unsinnige Revolution von lols vorübergehend
emportrug, in verblendetem Haß gegen den General buden-
dorff schleuderte, niedriger hängen. —
Von scchsischen Truhpemmaile haben allein das Land-
wehr-Infanterieregiment 107 und das Ersatzbataillon des
Landwehr-Infanterieregiments 101 (s. später Brigade Peil)
an der Tannenbergschlacht teilgenommen.
Das #. R 107 hat sich in der
Folgezeit auf den Schlachtfeldern in Polen, in den Kar-
pothen, in Galizien, in Wolhynien und dann in den Pripet-
sümpfen eine stolze Kriegsgeschichte geschrieben.
Ein Uberblick über dieselbe — leider aus Raumrücksichten
viel zu kurz im Verhältnis zu den vielen und großen. Taten
des Regiments — folgt später.
Hindenburgs Feldzug gegen die russische Niemen=
Armee im September 1914.
Unmittelbar an den Feldzug gegen die russische Narew-
Armee schloß sich derjenige gegen die Niemen-Armee an.
Die letztere hatte während der Kämpfe bei Tannenberg
opfer zu
171
vom 26.—30. August den Vormarsch gegen Königoberg
fortgesetzt und am 1. September in steter Berührung
mit den schwachen, ihr gegenüber belassenen deutschen Kräf-
ten die Linie Labiau—Tapiau—Allenburg—Nordenburg—
Angerburg — Gegend östlich von Lötzen — erreicht, in
Breite von 120 Kilometern vom Haff bis zur russischen
Grenze.
Rennenkampf erblickte in Königsberg und dessen Ver-
teidigern sein nächstes, zunächst einziges Ziel. An der Deime
vor Königsberg rang eines seiner Korps seit Tagen mit
der Außendivision der Festung.
Als sich Samsonows Schicksal bei Tannenberg vollzog,
hätte nach deutschem Empfinden Rennenkampf wenigsteno
nunmehr sofort herbeieilen müssen, um vereint mit der
Grodno-Armee den Samsonowtöter Hindenburg nahe dem
Grabe der Narew-Armee zu umklammern und als Sühn-
vernichten.
Blieb ein. ussisches Korps an der Deime und Alle
vor Königsberg, so konnte Rennenkampf, jetzt noch mit
fünf Korps und Verstärkungen mindestens 230 Ooo Mann
stark, westlich der masurischen Seen auf Allenstein vor-
brechen, gleichzeitig die Grodno-Armee von Osowiec her
auf Ortelsburg vorgehen, letztere durch Samsonows rechtes
Flügelkorps, das der Vernichtung entgangen war, auf
150 00 Mann anwachsend.
Wie der Rennenkampfprozeß später erwies, war vom Ober-
befehlshaber der Niemen-Armee diese Lösung seiner Auf-
gabe gar nicht erwogen worden. Der russischen Führung
kam gar nicht der Gedanke, im freien Bewegungskrieg
sich mit deutscher Führung zu messen.
Methodisch schob sich Rennenkampf innerhalb der er-
reichten Front zurecht, um in schnell verstärkter Stellung
den Gegner zu erwarten. Sein linker Flügel, zunächst be-
droht und demgemäß stark, fand an dem Seengebiet um
Lötzen Anlehnung. Das Waldgebiet nördlich davon bot
dem zähen Verteidiger willkommenes Gelände zur Be-
tätigung russischer Eigenart. Die russische Front vom
Mauersee über Drengfurt—Gerdauen—Allenburg und wei-
ter längs der Alle und Deime war denkbar stark durch
Natur und Ausbau. Hinter der Mitte bei Gerdauen fand
eine starke Kampfreserve günstige Aufstellung, um nach
Abwehr des Angreifers dessen Mitte zu durchbrechen. Die
Grodno-Armee war rechtzeitig bereitgestellt, um auf
Bialla —Lyck vorstoßend, den deutschen rechten Flügel zu
umwickeln.
Die neue Aufgabe Hindenburgs war grundverschieden
von der soeben abgeschlossenen. Samsonow war im Marsch
mit schmaler Front und großer Tiefe ihm zum Opfer
gefallen. Rennenkampf erwartete sein Schicksal in breiter
— — Zunächst erreichbar war dessen linker
lügel. -
So setzte denn Hindenburg gegen diesen seine Houbt
kraft an, zusammen schließlich vier Korps und zwei Ka-
valleriedivisionen. Im ganzen standen ihm sechs Korps,
mit Landwehr und Landsturm zusammen 160 000—180 ooo
Mann, zur Verfügung, einschließlich der zwei Korps
(XI. Armeekorps und Garde-Reservekorps) und der Ka-
valleriedivision (s. Kavalleriedivision), die von der West=
* her vom 1. September ab rechts der Weichsel ein-
trafen.
Demgegenüber verfügte Rennenkampf am 8. September,
wo der Kampf einsetzte, über 270 Ooo Mann der Niemen-
Armee und mindestens lov OOo Mann der Grodno-Armee,
letztere im Raume Suwalki—Augustow—Osowiec. z
Geistreiche Schriftsteller babens auf die Ahnlichkeit des
Schlachtplans Friedrichs des Großen bei Leuthen und Hin-
denburgs Angriff gegen Rennenkampfs linke Flügelgruppe
bei Angerburg hingewiesen. Feindeslage und Gelände
wiesen darauf hin, diesen Flügel, hinter dem Rennen-