Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

176 
Zertrümmerung und der russische Verlust von 30 ooo Ge- 
fangenen ermöglicht. 
Am 11. September, gegen 10 Uhr vormittags, traf 
die Division Brecht um Goldap ein. Ihr wurde die Beute 
übergeben und die Tagesaufgabe der Division — Vor- 
marsch auf Dubeningken — unverzüglich aufgenommen. 
Wieder leistete die feindliche Nachhut, eine Kavallerie- 
division, geschickt an den zahlreich sich bietenden Wald- 
und Sumpfabschnitten zähen Widerstand. Erst 6,30 Uhr 
abends konnte die 8. Kavalleriedivision bei Rogainen zur 
Ruhe übergehen. Dort stießen die beiden Eskadrons 
Ulanen 17, die am 7. September direkt auf Goldap ent- 
sendet worden waren, wieder zur Division. Sie waren 
überall auf überlegenen Feind gestoßen. Das strategische 
Tagesergebnis war, daß den Russen nunmehr auch die 
aus dem Raume von Goldap nach Nordosten führenden 
Rückzugswege sämtlich abgeschnitten waren. 
Am 12. September kam ee bei der weiteren Verfolgung 
des auf Kowno zu langsam zurückweichenden Feindes zu 
neuen, hartnäckigen Waldkämpfen am Szittkehmer Forste 
und in der Romintener „Heide. Am Abend biwakierte die 
Didision, stark ermüdet, im Raume von Krolowe-Krzeslo— 
Jakiszki. (Skizze 32.) Der Versuch, die Bahn Enydt- 
kuhnen—Kowno zu unterbrechen, war der dazu entsandten 
Eskadron Jäger 2 angesichts des starken russischen Bahn- 
schutzes nirgends geglückt. An diesem Abend wurde die 
letzte eiserne Portion verzehrt. Hafer gab es schon seit 
Tagen nicht mehr. Die Nähe des Feindes verhinderte 
Feuer anzuzünden. 
Am folgenden Tage, 13. September, wurde bereits 
4 Uhr morgens die Verfolgung wieder aufgenommen und 
führte zu neuen hitzigen Gefechten bei Anczlawka, Eglupie 
und Krolowe-Krzeslo, ebenso am 14. September- bei An- 
tupie und Gize. Kriegslage und Armeebefehl verlangten 
die Fortsetzung der Verfolgung bis heran an den Niemen, 
unter Einsetzung des letzten Hauches von Roß und Reiter. 
So wurde der Marsch beschleunigt fortgesetzt, obwohl die 
Pferde sich kaum noch vorwärts bewegen konnten. Mehr- 
fach fielen Pferde tot um. 
Ein deutscher Flieger warf die Meldung herunter, daß 
feindliche lange Kolonnen auf der Straße Wicowyszki— 
Marjampol sich zurückwälzten. So ging es erneut mit 
letzter Kraft vorwärts. Das Feuer der reitenden Artillerie 
der 8. Kavalleriedivision erreichte bald die Straße und 
zwang den Gegner zum Ausweichen in das Waldgebiet 
nordostwärts. Alle drei Brigaden der Division wurden 
mehrfach zu Fußangriffen auf die Waldränderstellungen 
eingesetzt. Die Tagesbeute betrug: 1 General, 7 Offiziere, 
400 Mann, 2 Geschütze und zahlreiche Wagen. Stark 
ermüdet, ohne Verpflegung und Futter, biwakierte die Di- 
vision um Gize (23. Kavalleriebrigade), Ruda (38. Ka- 
balleriebrigade) und Antupie (40. Kavalleriebrigade). Aber 
jeder Reiter hatte das Bewußtsein, auch an diesem Tage 
zu dem Gesamtergebnis dieses Siegeszuges redlich bei- 
gtragen zu haben, wenn auch die Früchte des kühnen 
Vorstoßes der 8. Kavalleriedivision naturgemäß von an- 
deren deutschen Truppen weiter westwärts eingeheimst 
wurden. 
Am 185. September half die Division einen russischen 
Gegenstoß abwehren, der von Marjampol auf. Wikowyszki 
gerichtet war und inöbesondere auf ein rapfer stand- 
haltendes Bataillon des I. Armeekorps traf. Die Di- 
vision verblieb in dieser Gegend auch die folgende Nacht. 
Am Abend erreichten die Futterwagen die Division, die 
Merde erhielten den seit drei Tagen entbehrten Hefer. 
Der Feind hatte sich durch schleunigste Flucht der Hinden- 
burgzange, Marke „Cannae“, die er mit Schrecken bei 
Tannenberg kennen gelernt hatte, entzogen. Aber sein linker 
Flügel, dem die 8. Kavalleriedivision alle Rückzugsstraßen 
rechtzeitig verlegt hatte, war vernichtet. Das ist der herr- 
liche strategische Erfolg unserer sächsischen Reiter in dem 
denkwürdigen Hindenburgfeldzug gegen die russische 
Rennenkampf-Armee. 
Die nächsten Tage marsschierte die Dioision mit ein- 
gelegten Ruhetagen, wobei sie sogar nach 8 Tagen ihre 
Bagage wiedersah, zu neuer Aufgabe nach Korschen, Rasten- 
burg und Lötzen. Wir werden sie bald auf einem weitent- 
fernten, neuen Kriegeschauplat wiederfinden. 
Der Herbstfeldzug Hindenburgs 1914 in Polen 
1. Der Oktoberfeldzug 
Um bei dem folgenden Feldzug die ganze Größe Hinden- 
burgscher Feldherrnkunst zu ermessen, muß man sich die 
Kriegslage Mitte September 1914 vergegenwärtigen. Im 
Westen war die gewaltige Angriffsbewegung des deutschen 
Feldheeres östlich von Paris zum Stehen gekommen. Einer 
Vernichtungsschlacht im Nordosten Frankreichs, einem 
„Cannae-Tannenberg“ auf der Westfront hatte sich der 
französische Feldherr durch seine meisterhafte Rück- 
gruppierung auf den Bogen Verdun—aris entzogen und 
durch die Heranziehung aller, auch der an der italienischen 
Grenze biöher zurückgehaltenen Truppen das Kräfteverhält- 
nis zu seinen Gunsten umgestaltet. 
Die im anfänglichen deutschen Kriegsplan vorgesehene 
endgültige Abrechnung mit den Westgegnern hatte die 
deutsche Heeresleitung Anfang September 1914 aufgeben 
und zur Abwehr in der Feldstellung vom Meere bis zum 
Jura übergehen müssen. Die Entscheidung sollte nunmehr 
zunächst im Osten gesucht werden. 
Die russische Kriegsbereitschaft hatte sich als viel weiter 
vorgeschritten erwiesen, als vor Kriegsbeginn zu erwarten 
stand. Nicht nur gegen Ostpreußen, sondern auch gegen 
Galizien waren sofort nach der Kriegserklärung die Russen 
mit. erdrückender Ubermacht vorgegangen. 
Die österreichis -ungarische Heeresleitung in Przenwel 
hatte bei Kriegsbeginn sechzehn, später siebzehn Armee- 
korps, also im ganzen vier Dioisionen weniger verfügbar, 
als die Franzosen beispielsweise um April 1916 auf dem 
Schlachtfeld von Verdun, Frontbreite 40 Klometer, ein- 
gesetzt haben. Diese Zahlen muß man sich immer wieder 
vergegenwärtigen, um die ganze kriegerische Leistung der 
Mittelmächte im Weltkrieg ermessen zu können. 
Von den österreichisch-ungarischen Armeekorps wurdenn 
zunächst zwölf gegen Rußland verwendet: 
Die Armeeabteilung v. Köveß, später zweite 
Armee (III., XII. Armeekorps, 11. und 43. Infan- 
terie-Truppen-Dioision, 35. Landsturmbrigade und die 
entsprechende Kavallerie unter dem General der In- 
fanterie v. Köveß) um Stryi-—Slanislau südlich des 
Dnjestr. 
Die dritte Armee i und XIV Armeekorps, Land- 
sturmformationen und stärkere Kxoalleric unter dem 
General der Kavallerie v. Brudermann) um demberg. 
Armeegruppe Erzherzog Ferdinand — ctwas 
später erst gebildet — nördlich anschließend bis Belz. 
vierte Armee (II., b IX. Armeekorpo- und 
2 Kavalleriedivisionen * dem General d. Inf. 
v. Auffenberg) um Jaroslau am San. 
Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.