Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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griffe der 105. Reserve-Infanteriebrigade, die gleichzeitig 
gegen die Höhe *7 südlich Broodseinde gerichtet waren, 
den erwünschten Erfolg. 
Anfang April wurden von Reserve-Infanterieregiment 
241 mehrfach Patrouillenunternehmungen gegen die fr#ind- 
lichen Gräben von Broodseinde durchgeführt, die das Regi- 
ment bei unermüdlich fortgesetztem Herangraben dem er- 
sirebten Ziel allmählich näherbrachten. Endlich, am 16. April 
bekam Reserve-Infanterieregiment 241 das Straßenkreuz 
fest in die Hand. Als ich 1916 die Höhe von Broodseinde 
wiedersah, fand ich dort über 450 Gräber der tapferen 
Kämpfer von der §3. Neservedivision, die alle in dem 
Ringen um die wertvolle Stellung für ihr Vaterland ge- 
fallen sind. In den schweren Herbstkämpfen des Jahres 
1017 ist dieser bünstlerisch angelegte Heldenfriedhof wieder 
durch das englische Zerstörungofeuer dem Erdboden gleich- 
gemacht worden. — 
Ich gebe im folgenden eine kurze Darstellung der großen 
Ypernkämpfe im Frühjahr 1915, die im Herbst 
1917 in noch größerer Ausdehnung wiederholt werden 
sollten. 
Die englisch-französische Stellung ragte zu Anfang des 
Jahres 1915 östlich von Dpern sackförmig in die deutsche 
Stellung vor. Das XXVII. Reservekorps stand gerade vor 
der Nordostecke dieses Sackes. 
Nach den Kriegsberichten des Großen Hauptaquartiers 
(Heft 9 — Wyern) war es seit langem die Absicht des 
Oberbefehlshabers der vierten Armee, die tabktisch ungünstige 
Lage des Gegners für einen großen Angriff bei Dpern 
auszunutzen. „Die Zurückdrängung des Gegners aus seiner 
vorspringenden Stellung gegen oder über den Oser-Abschnitt 
würde die Frontbreite der Armee verringern und die noch 
in Feindeshand befindlichen Teile Belgiens verkleinern. 
Auch die moralische Wirkung eines großangelegten Angriffes 
mußte nach dem langen Stellungskampfe von Bedeutung 
sein.“ 
„Der Hauptangriff mußte nach der Basis der feind- 
lichen Stellung, die der Merkanal bildete, angesetzt werden, 
um den Ausgang des Sackes, in dem sich der Gegner 
ösilich Dpern befand, allmählich zuzuschnüren und damit die 
rückwärtigen Verbindungen zu bedrohen. Da die Stellung 
südlich Dpern bereits auf 4 Kilometer gegen die Stadt vor- 
geschoben, um Norden aber um die doppelte Entfernung 
von ihr entfernt war, schien der Angriff aus dieser Nichtung 
geboten. Es war anzustreben, daß der Gegner im östlichen 
Teile des Sackes möglichst lange festgehalten wurde. Der 
Hauptangriff durfte daher nicht zu weit nach Osten aus- 
gedehnt werden, während den übrigen Teilen der Ein- 
schließungsfront die Aufgabe zufiel, den gegenüberstehenden 
Gegner zu fesseln. Diese Gedanken leiteten den am 22. April 
beginnenden Angriff.“ 
6 Uhr morgens dieses Tages brach der Angriff aus 
der Linie Steenstraate—Langemark (Skizze 39) vor und 
gewann in Breite von 9 Kilometern und in Tiefe von 
3 Kilometern Gelände. Der Ausgang des Sackes war um 
ebensoviel verengert worden. Der Feind versuchte natürlich 
das Verlorene zurückzugewinnen. Die daraus entstandenen 
Kämpfe dauerten bis zum 2. Mai zwischen Kanal und 
Straße Passchendaele—Broodseinde. Der Feind wurde ab- 
Hewiesen, der Ring noch enger geschlossen trotz aller Kraft- 
anstrengungen der Engländer, die etwa 2 Divisionen ein- 
sehten, und trotz der Hilfe von 1 bis 2 französischen Divi- 
sionen. Der Feind verlor außer Tausenden von Toten und 
Verwundeten in der Jeit bis zum 1. Mai etwa so00 Ge- 
fangene und 65 Geschütze. „Von großer Wirkung war 
das Feuer der deutschen Artillerie, das sich T Tag und Nacht, 
ausier auf die feindliche Front, auch gegen die rückwärtigen 
Verbindungen sowie gegen Ypern richtete.“ Sogar Pope- 
ringhe wurde von den deutschen Geschossen erreicht. Der 
ganze „Sack“ wurde von drei Seiten durch das deutsche 
Artilleriefeuer beherrscht. „Der Gegner hatte den Ernst 
seiner Lage erkannt; das bewiesen seine verzweifelten An- 
griffe ohne jede Rücksicht auf Verluste. Mit voller Absicht 
überließ man deutscherseits dem Gegner die Nolle des 
Angreifers. Die blutig abgewiesenen Angriffe erschütterten 
seinen inneren Halt so, daß der nunmehr am 2. Mai 
angeordnete deutsche Angriff vorzüglich gelang. „In kühnem 
Sturm entrissen am 3. Mai württembergische und sächsische 
Bataillone den Engländern das als Stützpunkt stark aus- 
gebaute Wäldchen nördlich o'Gravenstafel, den Eckpfeiler 
der feindlichen Nord= und Ostfront. Die die Gräben füllen- 
den englischen Leichen bezeugten den tapferen Widerstand 
des Gegners.“ 
So lautet der noch im ** Kriege veröffentlichte Bericht der 
deutschen Heeresleitung. Im einzelnen war die Beteiligung 
des XXVII. Reservekorps an diesem entscheidenden Ereignis 
auf der Blerfront die nachstehende. 
Nach dem ursprünglichen Plan sollte beim XXVII. Re- 
servekorps ein großer Gasangriff bei günstiger Witterung 
stattfinden. Die Gasflaschen waren bereits seit geraumer 
Jeit eingebaut. Da aber seit dem 22. April der dazu 
nötige Südostwind nicht eintrat, so verzichtete man auf den 
Gaangriff. Tatsächlich hat beim XXVII. Reservekorps nur 
ein Gasangriff am 24. Mai stattgefunden. Jetzt im April 
wurde beim Korps eine besondere Sturmbrigade unter dem 
sächsischen Generalmajor v. Schmieden gebildet. Dieselbe 
umfaßte das Regiment Neußner, II. und III. Reserve- 
Infanterieregiment 241, sowie II. Reserve-Infanterieregi- 
ment 242, das Regiment Wilhelmi, II. und III. Landwehr- 
Infanterieregiment 78 und II. Reserve-Infanterieregiment 
244, außerdem I. Reserve-Feldartillerieregiment s4, 2 
Landwehrbatterien der Heeresreserve und 1 Zug Pioniere. 
Als Korporeserve wurde außerdem ein weiteres Sturm- 
regiment von Heygendorff, III. Reserve-Infanterieregiment 
245, 3., 4. und 9. Reserve-Infanterieregiment 246, II. 
Reserve-Infanterieregiment 247 binter den rechten Flügel 
des Korps geschoben und demnächst der Brigade v. Schmie- 
den zur Verfügung gestellt. 
Die Brigade v. Schmieden griff am 24. April die mehr- 
fach erwähnte Nordostecke der feindlichen Stellung energisch 
an und setzte sich in den Besitz der Höhe 32 und des 
Straßenkreuzes nordwestlich s' Gravenstafel. Tags darauf 
nahm Regiment 242 noch einen 300 Meter breiten Streifen 
des feindlichen Kampfgrabens nach schwerem Kampfe und 
unter starken Verlusten. Die Brigade v. Schmieden erreichte 
in fortlaufendem Angriffsgefecht vom 24. bis 26. April, 
von Poelkapelle aus in südlicher Richtung vorgehend, die 
Linie: Höhe 32—Straßenkreuz westlich 9'Gravenstafel 
an der Straße Fortuin—Mosselmarkt. Der Gesamtverlust 
der 33. Reservedivision betrug am 25. April 446 Mann. 
Englische Gegenangriffe in den nächsten Nächten wurden 
abgewiesen. 
Die Brigade v. Schmieden, verstärkt durch das Sturm- 
regiment v. Heygendorff der 44. Reservedivision, setzte 
sich dann am Spätabend des 3. Mat in den Besitz des Erd- 
werkes im Wäldchen bei # Gravenstafel und des anschließen- 
den Höhenzugs. Der Angriff wurde in vorzüglicher Weise 
vorbereitet und unterstützt durch I. Reserve-Feldartillerie= 
regiment 53 und die schwere Artillerie. 
In der Nacht darauf begann der Feind auf der ganzen 
Front zu weichen. Die große Verfolgung hob am nächsten 
Morgen an. Die Infanterie der 53. Reservedivision folgte 
dem Gegner auf dem Fuße und ließ ihn nicht wieder los. 
Die sofort mit den Sturmtruppen vorgehende Feldartillerie 
war stets rechtzeitig heran, um den Feind wieder durch ihr 
Feuer in Beweg gung zu bringen, sobald er erneut standzu- 
balten versuchte. Im allgemeinen war bei den Kämpfen 
der nächsten Tage die 10§. Reserve-Infanteriebrigade rechte
	        
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