Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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die Sachsen rechtzeitig herbei, um den feindlichen Durch- 
bruch zu verhindern. 
Die ersten waren wieder die 13. Jäger. Wieder gebe 
ich dem frischen Bericht eines Teilnehmers das Wort: 
Die 13. Jäger in der Maischlacht 
„Am schönen Sonntagnachmittag des 9. Mai war das 
Bataillon alarmiert und verladen worden, wie üblich ohne 
zunächst zu wissen, weshalb und wohin. Um 4 Uhr nach- 
mittags hielt der Zug in Sallaumines. „Aussteigen!“ 
In der Ferne brüllten die Kanonen von Notre-Dame- 
de-Lorette. „Vormarsch auf Givenchy antreten !7 — 
Nun wußte jeder Jäger, wieviel die Uhr geschlagen 
batte, und man sah meist ernste Gesichter. „Macht eure 
Sache wie im März,“ riefen die Hauptleute ihren Kom- 
pagnien zu, mehr nicht, und wußten, daß sie sich darauf 
verlassen konnten. Bekannte Ortlichkeiten zogen am Auge 
vorüber, aber diesmal im grünen Kleide der ersten Maien= 
tage, dao auch der häßlichen Kohlengegend flüchtige Schön- 
beit gab. Und nun kamen die bekannten Bilder, die die 
Nähe eines Gefechtofeldes ankünden: Munitionskolonnen 
nach vorwärts, Verwundetentransporte nach rückwärts eng- 
ten die Straßen ein. Eine leere Staffel rasselte im wilden 
Galopp durch die Feuerzone „querbeet“, um neue Mu- 
nition zu holen. Ledige Pferde jagten nebenher, an das 
eine klammerte sich der im Bügel hängende Neiter, um 
nicht geschleift zu werden. — Weiter ging's nach Angres. 
„Gepäck ab, Handgranaten fassen.“ Die Badener hatten 
nach opferoollstem Standhalten schließlich vielfacher lber- 
macht einen Graben überlassen müssen. Den sollten wir 
wiedernehmen, und zwar von der Schlammulde aus. Auf 
jede der Sappen, die nach dem verlorenen Graben führten, 
wurde eine Kompagnie angesetzt. Die Dunkelheit der Neu- 
mondnacht ermöglichte es, das Bataillon in aller Ruhe 
auseinander u#ziehen. Im heißen Sappenkampfe, eine Sand- 
sacksperre nach der andern dem zähen Gegner entreißend, er- 
kämpften sich die 2. und 4. Kompagnie ihr Ziel. Unter den 
Opfern war der tapfere Leutnant d. R. Lohmann von der 
2. Kompagnie, und bald wurde auch der blutjunge Leutnant 
Frhr. v. Herzenberg tödlich getroffen. Die Aufgabe der 
3. Kompagnie stellte sich als unlösbar heraus. Der Gegner, 
hielt hier einen Stützpunkt, den nur stärkere Kräfte be- 
zwingen konnten; so mußte sich die 3. Kompagnie auf die 
bartnäckige Behauptung des dem Gegner entrissenen Sappen- 
stückes beschränken. Auch das forderte schwere Opfer, Leut- 
nant Rommes fiel, als er sich einem feindlichen Angriff ent- 
gegenwarf. Der 1. Kompagnie ging es zunächst nicht 
besser. Auch hier erwies sich der Sappenangriff als un- 
wirksam, der Pioniertrupp wurde beim ersten Anlauf außer 
Gefecht gesetzt. Aber was mit der Sappe nicht gehen wollte, 
ward frontal versucht, und der Angriff den sieilen, von 
Granaten zerwühlten Hang binauf gelang schließlich, trotz 
heftigen Flankenfeuers. Mit den Zügen der Leutnanto Hartz 
und v. Weber setzte sich die erste Kompagnie in Besi 
des feindlichen Grabens, während der Zug Erdmannsdorff 
als Rückhalt diente. Und ähnlich wie im März ging es 
auch hier: kaum hatten sich die Kompagnien in der frem- 
den Stellung eingerichtet, da begann auch schon das 
Trommelfeuer und dauerte mit den üblichen Pausen 4 Tage 
und 5 Nächte. Von Stunde zu Stunde lichteten sich die 
Reihen. Keiner konnte sich dem furchtbaren Druck ent- 
ziehen, der sich auf die Seele jedes Menschen legt, der 
tagelang den Tod dicht neben sich fühlt. Die Scherze des 
Ubermütigsten verstummten, gesprochen wurde nur das 
Notwendigsie, und das war nicht viel, denn jeder wußte, 
was er zu tun hatte. Keine mutlose Abstumpfung, stiller, 
ernster Wille, ihre Pflicht bis zuletzt zu tun, beherrschte 
die Leute und ließ sie handeln. Befohlen wurde wenig. 
Die Offiziere teilten die Wachen, Essenholer usw. ein, 
damit war die Sache erledigt. Jeder, der an der Reihe 
war, tat seinen Dienst unaufgefordert. Wurde der Posten 
von einer Granate zerrissen, trat der nächste an seine Stelle, 
ohne ein Wort zu verlieren. Bei solchen Leuten hatte es 
der Führer leicht. Einen Verwundeten trösten, der in 
Schmerzen auf die schützende Nacht wartete, um fort- 
gebracht zu werden, da und dort ein ermunterndes Wort 
sprechen und allen ein zuversichtliches Gesicht zeigen — 
ein mehr brauchte es nicht. 
Am Morgen des 14. Mai, nach 4 Tagen und s Nächten, 
wurde das Bataillon abgelöst und gelangte unter dem 
Schutze des Nebels glücklich nach Lens, mußte aber noch 
zweimal den blutigen Weg auf die Lorettohöhe zur Ab- 
lösung abgekämpfter Truppenteile zurücklegen, das letzte- 
mal nur noch zwei Kompagnien stark, je aus der 1. 
und 2. sowie 3. und 4. Kompagnie formiert. 
Es war Pfingstsonntagabend, und der Vollmond stand 
am Himmel, als die vereinigte 1. und 2. Kompagnie als 
letzte den Berg verließ. Singend zogen die Jäger ihre 
Straße dahin. An Toten und Verwundeten hatten sie 
12 Offiziere, 463 Mann, an Boden nicht einen Fußbreit 
verloren. 
Auf dem Friedhof in Lens stand ein Denkmal für die 
Gefallenen, die man zurückbringen bonnte. Lange Reihen 
schlichter Holzkreuze umgaben den Stein. Wao mag daraus 
geworden sein, nachdem der große Durchbruchskampf des 
Frühsommers 1917 darüber bingebraust ist? Nach vielen 
Tausenden zählten schon 1915 die, die Freund und Feind 
miteinander, ohne Kreuz und Stein, dort oben lagen, 
wo sie gefallen waren. Die Lorettohöhe selbst ist ihr 
Denkmal. Solange der Berg steht, wird man des schlafen- 
den Heeres gedenken, das darin ausruht von einer der 
blutigsten Schlachten, die die Welt gesehen hat.“ 
So schrieb der tapfere 13. Jäger im Jahre 1915 
seine Erlebnisse nieder. Wir alle ahnten damals nicht, 
daß noch Jahre mit neuen blutigen Schlachten über diese 
blutgetränkte Landschaft ziehen würden. 
IV. Maikämpfe bei Richebourg 
Gleichzeitig mit dem französischen Durchbruchoversuch 
an der Lorettohöhe erfolgte ein englischer in der Gegend 
von Richebourg. Er traf die Mitte des VII. Armeekorps 
und schlug zunächst eine Soo Meter breite Lücke zwischen 
dessen beide Infanteriedivisionen (Infanteriedivision 13 und 
14). Das rechte Flügelregiment der 14. Infanteriedivision, 
das Infanterieregiment §7, hatte in schwerem Kampfe 
ein gutes Stück seiner Stellung verloren. Das linke Flügel- 
regiment der 13. Infanteriedivision, das Infanterieregi- 
ment §§, hatte seine Stellung gehalten, nur seinen linken 
Flügel etwas zurückgebogen. 
Gegen die Durchbruchsstelle wurde die zur Hilfe herbei- 
gerufene Korpsreserve des XIX. Armeekorps am 11. Mai 
eingesetzt. Sie bestand aus einem zusammengesetzten Ba- 
taillon (1. Kompagnie Infanterieregiments 133, 3. und 
12. Kompagnie Infanterieregiments 139 und 1. Kom- 
pagnie Infanterieregiments 170) unter Major Demme- 
ring und aus dem II. Bataillon Infanterieregiments 104, 
das schon einmal im März unter Hauptmann Facius 
dem bedrängten VII. Armeekorps rechtzeitig Hilfe gebracht 
hatte. Die Bataillone wurden getrennt verwendet, das 
erstere bei der 14. Infanteriedivision, das letztere bei der 
13. Infanteriedivision. 
Das Bataillon Demmering traf am 14. Mai 
11 Uhr nachto ein, wurde über La Bassée zur 14. In- 
fanteriedivision herangezogen und sofort am 15. Mai kom- 
pagnieweise eingesetzt, um den englischen Durchbruch zum 
Stehen zu bringen. Hauptsächlich kämpften die Sachsen
	        
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